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Bewaffnete Neonazis im Ausland

Einleitung

In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit dem Thema »Bewaffnete  Neonazis im Ausland«. Die Spannweite hierbei ist erschreckend weit. Der Artikel »Die Achse Deutschland-Süd­afri­ka« zeichnet Verbindungen des NSU-Umfeldes nach Südafrika nach. Hierbei konnten wir u.a. Pläne für ein (Waffen-) Ausbildungscamp für deut­sche Neonazis aufdecken. Im Artikel »Dressed to kill« berichten wir über die wenig bekannten deutschen Neo­nazis als Söldner in Kriegsgebieten. Im Artikel »Waffen für Portugal?« geht es um den internationalen Waffen­handel deutscher Neonazis. Berichte über eine Beteiligung extrem rechter europäischer »Freiwilliger« oder Söldner gab es auch im jordanischen Bürgerkrieg 1970. In Südafrika kämpf­ten ver­einzelt deutsche Neonazis für das Apartheidsregime, besonders im Todesschwadron der »Afrikaaner Weerstands Beweging« (AWB).

Foto: flickr.com/Moyan Brenn /CC BY 2.0

Motive

Der Drang von Neonazis zu tödlichen Waffen, Kriegen und Söldner-Truppen hat vielfältige Motive. Zum einem werden klassisch rassistische Ideologien bedient. Über französische Neonazis wie Michel Faci im ersten Irakkrieg wusste die ZEIT zu berichten: »Einen ganz eigenen Traum wollten sich die französischen Neonazis erfüllen und den irakischen Soldaten im Kampf gegen Amerikaner und Juden beistehen.« Die jugoslawischen Zerfalls­kriege der 1990er-Jahre waren für viele Neonazis eine willkommene Gelegenheit selbst aktiv zu werden. Offen wurde in Publikationen für den Kampf auf Seiten Kroatiens geworben, das sich damals auch von offizieller Seite posi­tiv auf das faschistische Kroatien im Zweiten Weltkrieg bezog.1 Zudem stellte der nationalistische Konflikt samt brutaler Vertreibungen – verharmlosend »ethnische Säuberungen« ge­nannt – die reale kriegerische Umset­zung ethnopluralistischer Vor­stellungen dar. In den Reihen der rechten HOS-Miliz2 kämpften Neonazis »für ein ethnisch reines Kroatien«. Der österreichische Neonazi Wolfgang Niederreiter berichtete in seinem Buch3 , dass Neonazi-Söldner-Einsätze in Kroatien u.a. zu »Übungszwecken für später« dienten. Dieses Vorbe­reiten auf den nahenden »Rassen­krieg«, oder auch die »nationale Revo­lution« stellt wohl insgesamt eine zentrale Motivation für das neo­nazistische Interesse an Waffen und Kampfhandlungen wie »Söldner­tätig­keit« dar.

Der Kampf »Weiße gegen Schwar­ze« in einigen Regionen Südafrikas passt besonders gut in rassistische Weltbilder. Heroische »Südafrika-Lite­ratur« wird in der militanten Neo­naziszene gerne aufgegriffen und rezi­piert. Das Bild einer kleinen »rassisch reinen« Minderheit, welche gewaltsam gegen eine vermeintliche Übermacht »minderwertiger« Menschen im Land kämpft, ist eine Projektionsfläche für rassistische Kriegsfantasien weltweit. Vor allem deutsche, männliche Neona­zis glauben sich in einer Tradition von kämpfenden Wikingern, Freiko­rps- und Wehrmachtssoldaten so­wie SS-Einheiten. Diese Vorstellung ist Teil der Szene-Sozialisation und wird durch entsprechende Musikinhalte, Literatur und Bilder verstärkt.

Ebenso verhält es sich mit in der Szene verbreiteten Vorstellungen von Männlichkeit, heroi­siertem Soldatentum und Krieg. Stärke, Mut, Kraft, Emotionslosigkeit, Kampfbereitschaft, Kameradschaft und Auto­ritätsglaube sind demnach männliche Eigenschaf­ten, die im Krieg erlernt und bewiesen werden können. Das Recht des Stärkeren wird hier in seiner extremsten Form ausgelebt. Das Prinzip von Befehl und Gehorsam in autoritären Strukturen entspricht dem neonazistischen Weltbild. Besonders die deutsche Gesetzeslage, durch die Waffenbesitz vergleichsweise stark reglementiert wird,  macht »waffenreiche« Länder wie Südafrika oder Bürger­kriegs­regionen attraktiv, um bewaffnet zu kämpfen und zu töten. »Es geht um die Lust am Töten im Täter, nicht um dessen ›Verantwortung‹ vor Gesetzeslagen«, schrieb Klaus Thewe­leit in seinem Buch »Männerphanta­sien«.

Weiter benennt er die »Übertretung ins Kriminelle« als den »Zentralkitt im Inneren aller Männerbünde«. Diese Übertretung erscheint nur deshalb nicht als kriminell, weil sie von offi­ziellen Autoritäten gedeckt wird oder sogar erwünscht ist. Auch der Weg aus der politischen und mili­tärischen Bedeutungslosigkeit im eigenen Land scheint durch die Teilnahme an Kriegs­einsätzen gefunden. Allerdings muss festgehalten werden, dass bisher eher Einzelpersonen als Söldner im Ausland tätig wurden und nicht orga­nisierte Gruppenstrukturen.

Auswirkungen

Neben der konkreten Übung im Umgang mit Waffen sind Vernetzung, inter­nationale Kontakte und der Zugang zu Waffen ein Resultat und wei­tere Motivation für die Beteiligung deutscher Neonazis an Söldner­krie­gen. Dass dadurch die reale Gefahr von Neonazis für potenzielle Feinde steigt, liegt auf der Hand. Bei Söldnern handelt es sich um kriegserfah­rene, abgestumpfte Neonazis, die die Hemmschwelle zum Töten bereits überwunden haben. Ein Beispiel: Der Neonazi Thomas Adolf war nach eigenen Angaben unter anderem Söldner für die Militärdiktatur in Argentinien und das Regime in Rhodesien. Er trat 1994 für die neonazistische Deutsche Liga als Kandidat an. Im Oktober 2003 ermordete er einen Anwalt, dessen Frau und die erwachsene Tochter in dessen Kanzlei in Overath.4

Doch nicht alle Ex-Söldner laufen Amok, manche machten in der NPD Karriere: Kroatienkämpfer Eckart Bräu­niger war lange Jahre Landesvorsitzender in Berlin und Geschäftsführer der »Deutschen Stimme«. Auch Alexander Neidlein war in Kroatien aktiv gewesen, wurde später Landes­vorsitzender in Baden-Württemberg und ist zurzeit dort Geschäftsführer. Seine Vergangenheit scheint er nicht hinter sich gelassen zu haben: Auf Facebook ist er bis heute in einer Vernetzungsgruppe ehemaliger Kroatiensöldner und im NPD-Portal DS-Aktuell schwärmte er noch Ende letzten Jahres über einen kroatischen Gene­ral, der wegen Kriegsverbrechen angeklagt war, als »Mann, der dem Recht auf Selbstbestimmung jedes Volkes zum Sieg verhalf«.

Wer das Milieu aus militanten Rassisten, Apartheidsbefürwortern und kriegsbegeisterten Neonazis beleuch­ten will, kommt um die thematische Melange Südafrika, Waffengeschäfte und Neonazisöldner nicht herum. Die Verbindungen zwischen diesen Themen sind hierbei offensichtlich. Einige Beispiele aus dem braunen Söldner-Sumpf: Glorifizierende Literatur zum Thema kommt insbesondere von dem in Südafrika lebenden deutschen Neonazi Claus Nordbruch, dessen Visitenkarte in der letzten Wohnung des NSU gefunden wurde. Der Autor ver­klärt etwa den als »Elite-Killer« be­zeich­neten deutschstämmigen Süd­af­ri­ka-Söldner Wilhelm Friedrich Ratte5  zur »Legende«. Der Leipziger Reinhard Rade, der früher im rechten Söldnermilieu aufgefallen sein soll6 , hatte zeitweilig eine Anschrift in Südafrika. Die Zeitschrift „Öffentliche Sicherheit“ — herausgegeben vom österreichischen Bundesinnenministerium — veröffentlichte 1994 den Artikel „Beute als Sold“. Dieser stützt die Vermutung des Österreichischen Kurier, wonach Söldnerbeute aus dem Bosnienkrieg in Deutschland angelegt wurde.7 Etwa 30 Söldner verdingten sich nach der Behördeneinschätzung im bosnischen Krisengebiet, wobei die kroatische Armee diese nicht entlohnte, sondern ihnen „selbstgemachte Beute als Sold“ überließ. 8 Reinhard Rade erklärte gegenüber der Leipziger Morgenpost dazu im selben Jahr solche Berichte seien: „Ein Hirngespinst“. Der Sprecher des Wiener Innenministeriums Walter Kratzer konterte: „Wir wissen, daß er in Kroatien Söldner war.9 Einige seiner (früheren) eingetragenen Firmenpartner aus Frankreich und Österreich kann man – freundlich formuliert – als eine Art international tätige »Militärdienstleister« mit neonazisti­schem Hintergrund be­zeich­nen.10  

  • 1Nach dem Beginn des Balkankrieges leistete z.B. die amerikanische NSDAP/AO der nationalistischen "Kroatischen Partei des Rechts" (HSP) und deren militärischen Arm (HOS) propagandistische Unterstützung. In der Zeitung NS-Kampfruf Nr. 99 (Ausgabe 1/2 1993) berichtete ein französische Neonazi-"Kamerad" vom Kampf nationalsozialistischer Freiwilliger aus Europa in  Kroatien sowie von Filmaufnahmen über die Söldner-Truppe, die auch im NSDAP/AO-Fernsehprogramm in Tampa gesendet worden sein sollen.
  • 2HOS: »Kroatische Verteidigungskräfte«, war von 1991 bis 1993 eine kroatische paramiltärische Organisation der faschistischen »Kroatischen Partei des Rechts« (HSP).
  • 3 Santner, Christoph und Wolfgang Niederreiter: »Ich geh jetzt Rambo spielen. Müllkind, Neonazi, Söldner in Bosnien, Bekehrung - und ein Mordprozess«; Aufbau Verlag; 1995. 
  • 4https://www.antifainfoblatt.de/artikel/lebensl%C3%A4nglich-f%C3%BCr-k%C3%B6lner-nazi-s%C3%B6ldner
  • 5https://www.antifainfoblatt.de/artikel/apartheidskrieger-gestoppt
  • 6Wolfgang Purtscheller: „Aufbruch der Völkischen — Das braune Netzwerk“, Picus Verlag Wien, 1993, S. 295 f.
  • 7Kurier: „Kameradschaftsführer“ aus NÖ als Demolierer in der ehemaligen DDR, 16. Februar 1994, W. Theuretsbacher
  • 8Öffentliche Sicherheit Nr. 10/1994: Beute als Sold. Max Schleifer. S. 24
  • 9Leipziger Morgenpost, Attentat auf Wiener OB – Verdächtiger Neonazi in Leipzig, 18. Februar 1994
  • 10https://www.antifainfoblatt.de/artikel/rechte-gl%C3%BCcksritter-ostdeutschland