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Blood & Honour – Kurzer Prozess in Halle

Einleitung

Im September 2000 wurde die Neonaziorganisation »Blood & Honour Division Deutschland« (B&H) und deren Jugendorganisation »White Youth« vom Bundesinnenminister Otto Schily verboten und bundesweit Hausdurchsuchungen bei den Angehörigen dieser Organisation durchgeführt. Am 13. Juni 2001 wurde dieses Verbot nach einem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig. Das Landgericht Halle/ Saale musste nun vom 21. Februar bis zum 31. März 2008 darüber entscheiden, ob sieben Angeklagte die Fortführung der Organisation über dieses Datum hinaus betrieben haben und mindestens ein weiteres dreiviertel Jahr aktiv »Blood & Honour« Veranstaltungen planten und durchführten.

Blood & Honour bei einer NPD Demonstration im März 2000 in Braunschweig.

Angeklagt waren Anke Z. (35) und Björn J. (28) aus Rostock (Mecklenburg-Vorpommern), Stefan Rietz (27) aus Göhlsdorf/Lehnin (Brandenburg)1 , Sascha Braumann (31) aus Magdeburg, Ingo M. (32) aus Bremen sowie Johannes ("Hannes") Knoch (40) und Hannes Franke (30)2 aus der Region Hildesheim (Niedersachsen). Darüber dass sich die »Blood & Honour«-Strukturen in der Bundesrepublik nach dem Verbot nicht in Wohlgefallen aufgelöst haben, besteht wohl wenig Zweifel3 . Die Behörden tun sich jedoch sehr schwer, diese aufzudecken und die Aktivisten zur Verantwortung zu ziehen. Das wurde auch in Halle deutlich, wo von der letzten angeklagten Tat bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung sechs Jahre ermittelt wurde mit wenig zufrieden stellenden Ergebnissen.

»Hallo Otto – Trotz Verbot sind wir nicht tot«

Auslöser der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle gegen die sechs Männer und eine Frau war ein »Blood & Honour«-Konzert am 25. November 2000 auf einem ehemaligen Kasernengelände in Annaburg (Sachsen-Anhalt). Die Polizisten, die das Konzert auflösten, fanden unter anderen an einer Außenwand die von den Buchstaben »B« und »H« und einer Lebensrune flankierte und an den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily gerichtete Losung: »Hallo Otto, trotz Verbot sind wir nicht tot!« . Von etwa 400 der knapp 1.000 Konzertbesucher wurden die Personalien festgestellt. Bei diesem Konzert waren zahlreiche polizeibekannte »Blood & Honour«-Aktivisten anwesend, bei denen dann Telefonüberwachungen und Observationen eingeleitet wurden. Insgesamt begannen 38 Ermittlungsverfahren. Maßgeblich organisiert wurde das Konzert von Thomas Persdorf aus Sachsen sowie den Sektionsführern Thüringen und Brandenburg, Marcel Degner (Gera) und Sven Schneider (Borkwalde). Im August 2002 wurden Degner und Schneider als Informanten des Verfassungsschutzes bzw. des LKA Brandenburg enttarnt4 .

Am 16. Juni 2001 fand in Magdeburg ein konspirativ organisiertes bundesweites Treffen von 30 bis 40 ehemaligen Aktivisten statt, um laut Anklage die Weiterführung von »Blood & Honour« zu planen. In der Erlebnisgaststätte »Zur Tafelrunde« hatte Johannes Knoch unter dem Namen eines »Tattoo-Vereines Landesverband Sachsen-Anhalt und Niedersachsen« ein Ritteressen bestellt. Neben den Angeklagten waren weitere Angehörige der »Blood & Honour«-Szene anwesend, wie Sven Schneider, das Mitglied der Rostocker Band »Nordmacht« Carsten Geron und der Hallesche Versandhändler Sven Liebich.

In Kalbe/Milde fanden am 28. Juli 2001 ein »Germanischer Sechskampf« und ein 15 km-Marsch statt, an dem Anke Z., Franke und andere teilnahmen und bei dem es den Hinweis auf einen Auf tritt des ehemaligen Skrewdriver-Gitarristen Steve Calladine, genannt »Stigger«, gab. Näheres konnten Polizei und Gericht jedoch nicht ermitteln. Einen derartigen Wettkampf mit Baumwerfen, Tauziehen und Bierkastenstapeln organisieren seitdem die »Freien Nationalisten Altmark West« unter der Bezeichnung »Schottenfest« jährlich im altmärkischen Jeggeleben. Deren Mitglieder waren vorher ebenfalls teilweise bei »Blood & Honour« aktiv.

Ein weiteres »Blood & Honour«Konzert fand am 9. September 2001 in Tostedt statt. Das Konzert, zu dem rund 700 Gäste kamen, war anlässlich des Todestages des »Blood & Honour«Mitbegründers intern als »Ian-Stuart-Memorial« und offiziell als »Ballermann-Party« im örtlichen Schützenhaus angekündigt worden. Es spielten die bis heute aktive kalifornische »Blood & Honour«-Band »Youngland«, die Rostocker »Nordmacht« sowie »Ultima Ratio« aus Baden-Württemberg. Die Angeklagten Knoch, Franke, Stefan Rietz, Anke Z. und Ingo M. waren maßgeblich an der Organisation und Durchführung des Konzertes beteiligt, indem sie die Bands buchten, per Sammel-SMS für das Konzert warben, »Youngland« vom Flughafen abholten und privat unterbrachten. In einem späteren Telefonat schwärmte Franke, dass das Konzert toll gewesen wäre und die »Amerikaner« auch »Blood & Honour« gespielt und alle »Sieg Heil« gerufen hätten. Bei Hausdurchsuchungen im April 2002 wurde bei ihm u.a. ein Foto gefunden, auf dem »Youngland« mit Hitlergruß vor einer »Blood & Honour Niedersachsen«-Fahne posiert.

Für den 23. November 2001 organisierte Franke dann einen Liederabend mit dem Liedermacher Michael Sisson, genannt »Sisco« von der Band »Warlord«, die nach Ian Stuarts Tod aus »Skrewdriver« hervorgegangenen war. Ursprünglich sollte das Konzert in Niedersachsen stattfinden, weil die Polizei aber im Vorfeld Kenntnis vom Veranstaltungsort erhielt, suchte Franke nach einer Alternative. Nach einem Telefonat mit Braumann wurde sehr schnell in Magdeburg ein geeignetes Lokal gefunden. Es handelte sich hierbei um die vom damaligen NPD-Kreisvorsitzenden Matthias Güttler betriebene Gaststätte »Zum Reinheitsgebot«, die bis Juli 2002 als Treffpunkt und Veranstaltungsort für die lokale Neonazi-Szene fungierte. Für die Veranstaltungsordner sorgte der damalige »Selbstsschutz Sachsen-Anhalt«. Am Konzertabend war die Polizei vor Ort, brach das Konzert mit einem total betrunkenen Liedermacher ab und stellte die Personalien von über 70 anwesenden Konzertgästen fest.

Am Folgetag sollte »Sisco« in Lützen an der Grenze zu Sachsen auf dem Grundstück des rechten Szeneanwaltes Thomas Jauch einen weiteren Auftritt haben. Pächter des Grundstückes war zu dieser Zeit mit Thomas Persdorf einer der hauptverantwortlichen Organisatoren des Konzertes in Annaburg und heutiger Betreiber von »Front Records«. Seit 2004 betreibt Persdorf von Wurzen aus seinen Versandhandel, eine Textildruckerei und veranstaltet noch immer Rechtsrock und NSBM-Konzerte in seinen Räumen in Wurzen. Wie er selbst war auch sein Mitarbeiter Thorsten K. bei »Blood & Honour« aktiv.5 Das gegen Persdorf wegen der Weiterführung von »Blood & Honour« eingeleitete Verfahren war abgetrennt und nach Sachsen übergeben worden.

Am 16. Februar fand in Wormsdorf bei Magdeburg eine von Braumann und den »Freien Nationalisten Magdeburg« organisierte Vortragsveranstaltung mit dem als Terroristen verurteilten Holocaustleugner und Geschichtsrevisionisten Manfred Roeder statt. Neben einigen der Mitangeklagten aus der »Blood & Honour«-Szene kamen weitere etwa 100 Neonazis aus Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Niedersachsen6 .Stefan Rietz war zudem angeklagt, im November 2001 für ein »Blood & Honour«-Konzert in Belgien mit den Bands »Vinland Warriors«, »Race War« und »Weiße Wölfe« per Sammel-SMS Werbung gemacht zu haben.

»Pipifax und Pillepalle«

Björn J., dem keine Beteiligung an den Veranstaltungen vorgeworfen wurde, hatte sich in einem Brief an den deutschen Divisionsleiter Stephan Lange, genannt »Pinoccio«, aus Berlin als »Blood & Honour-Supporter« vorgestellt und seine Unterstützung bei der Verteilung des »Blood & Honour«Magazins angeboten. Da das Gericht jedoch weder feststellen konnte, zu welchem Zeitpunkt der Brief geschrieben wurde, noch ob nach dem Verbot überhaupt noch Ausgaben des Magazins erschienen sind, wurde das Verfahren gegen ihn nach § 153 StPO eingestellt.

Am vierten Prozesstag legten die restlichen Angeklagten im Rahmen einer sogenannten Verständigung im Strafverfahren halbherzige Geständnisse ab, in denen sie ausschließlich die Punkte einräumten, für die im Beweisverfahren Belege erbracht werden konnten. Daraufhin wurden Franke und Knoch zu je 80 Tagessätzen und Anke Z. zu 75 Tagessätzen zu jeweils 25 Euro Geldstrafe verurteilt. Ingo M. sowie Stefan Rietz wurden unter dem Vorbehalt einer Geldstrafe auf ein Jahr Bewährung lediglich verwarnt. Nur Braumann schloss sich diesem Deal nicht an, sein Verfahren wurde erst nach dem siebten Prozesstag gegen die Zahlung eines dreistelligen Geldbetrages eingestellt, wie einer Pressemitteilung des Landgerichtes Halle zu entnehmen war.7 Das Gericht bewertete nur für die Konzerte in Tostedt und Magdeburg den »Blood & Honour«-Hintergrund. Für die restlichen Veranstaltungen konnten keine ausreichenden Beweise erbracht werden.

Nicht nur die Verteidiger, insbesondere Wolfram Nahrath und Klaus Kunze machten keinen Hehl daraus, dass für sie überhaupt kein Tatbestand erkennbar ist. Auch das Gericht nahm anhand der mangelhaften Beweisführung und ohne die konkreten Hintergründe und Kontinuitäten der »Blood & Honour«-Vernetzung einzubeziehen, die Vorwürfe als »Pipifax und Pillepalle«8 wahr und wollte so schnell wie möglich zu einem Ergebnis kommen. Nach über sechs Jahren ist es weder den Ermittlungsbehörden noch dem Gericht gelungen, mit wenig ergiebigen Telekommunikations-Überwachungsprotokollen sowie den bei Hausdurchsuchungen sichergestellten Szene-Devotionalien den Nachweis der Fortführung der Organisation glaubhaft zu erbringen. Das ist umso bedauerlicher, da sowohl Teile von »Blood & Honour« in der Bundesrepublik als auch die meisten der Angeklagten nach wie vor politisch aktiv sind.

Alles Jugendsünden?

Sascha Braumann ist langjähriger Kameradschaftsaktivist und leitet jetzt den JN-Stützpunkt in Magdeburg, zwischenzeitlich trat er selbst mit der Band »Systems Coffin« auf Neonazi-Veranstaltungen auf9 . Hannes Franke betreibt das Tattoo- und Piercingstudio »Bulletproof« in Munster wo sich auch der Elite-Military-Laden »Dezentral« von Johannes Knoch befindet. Dieser betreibt mit dem »Last Resort« in Hildesheim ebenfalls ein Tattoo- und Piercing-Geschäft und bietet darüber hinaus in seiner »Combat & Survival-School« Kurse in Wehrsport- und Geländeübungen sowie Waffentraining an. Diese paramilitärischen Aktivitäten betreiben Knoch und weitere Aktivisten bereits seit 1998.10 Auch Braumann und andere Magdeburger Aktivisten sowie Mitglieder des »Selbstschutz Sachsen-Anhalt« bzw. »Selbstschutz Deutschland« waren über Jahre Lehrgangsteilnehmer bei Knoch11 . In diesem Milieu verbinden sich die alten »Blood & Honour«-Kontakte mit Lifestyle und geschäftlichen Interessen und sichern die Existenz einer Struktur, die auch ohne die offene Verwendung des verbotenen Labels auskommt. Da wirkt es fast wie eine Verhöhnung des Gerichtes, wenn Knoch behauptet, seit Tostedt keinen Kontakt mehr zur rechten Szene zu haben. Stefan Rietz fiel zuletzt bei verschiedenen NPD-Infoständen in Brandenburg sowie als Ordner u.a. bei dem alljährlich im Januar in Magdeburg stattfindenden Trauermarsch auf.12