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Man macht, wie man schafft!? – Die NPD in den kommunalen Parlamenten in Mecklenburg-Vorpommern

Einleitung

60 Mandate hat die NPD am 7. Juni 2009 bei der Kommunalwahl errungen und ist seither in neun Kreistagen, in vier kreisfreien Städten und in 28 Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns vertreten.

Der NPD-Kandidat Nils Matischent (vierter v.l.) am 25. April 2009 beim NPD-Wahlkampf in Güstrow

Die Ergebnisse der NPD bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern (M-V) haben auch über das Land hinaus in der Partei für Aufruhr gesorgt: Nachdem die Vorsitzende des »Ring Nationaler Frauen« (RNF), Gitta Schüßler, die Personalpolitik ihrer nordöstlichen Parteikameraden kritisiert hatte, musste sie ihren Posten räumen. Marianne Pastörs sowie Franziska Vorpahl hatten ihre Sitze in den Kommunalparlamenten von Ludwigslust und Rostock abgegeben. Sie waren überraschend von hinteren Listenplätzen in die Parlamente gewählt worden. Daraufhin verzichteten die Kandidatinnen zugunsten der, von der NPD favorisierten, vorne platzierten männlichen Mitbewerber, die den Kommunalwahlkampf von langer Hand mit vorbereitet hatten.

Als die anderen Parteien erst kurz vor der Wahl um die Stimmen der Wähler warben, war der NPD-Wahlkampf längst im Gange. Bereits kurz nach der Landtagswahl 2006 zog das fraktionseigene Infomobil quer durch das Land. Mit einem blauen Pavillon, der Fraktionszeitung »Ordnungsruf« und einigen Werbeartikeln im Gepäck, gab man sich betont professionell und bürgernah. Schon einige Wochen vor der Wahl organisierten dann auch die Kreis- und Ortsverbände eigene Infostände, verteilten personenbezogene Postwurfsendungen und hängten gemeinsam mit jungen AktivistInnen aus den jeweiligen Städten und Regionen von der Landtagswahl übrig gebliebene Plakate. Wie in vielen Orten von M-V hatte die NPD ebenso in einigen Rostocker Stadtvierteln die Plakathoheit. In der Hansestadt wurde die extrem rechte Partei von Kameradschaftsstrukturen wie den »Nationalen Sozialisten Rostock« (NSR) unterstützt, welche die BürgerInnen zur Wahl der NPD aufgerufen hatte.

Während man in Rostock aktiv um Stimmen kämpfte, hatte man andernorts jedoch das Gefühl, man macht, wie man schafft. Zum Ende des Wahlkampfes waren die Ressourcen erschöpft und das, obwohl auf Kundgebungen und Demonstrationen verzichtet wurde. Nur in Ueckermünde hielten zwei Dutzend junge Neonazis eine Mahnwache für den Erhalt eines Garagenkomplexes ab, der ihnen seit Jahren als Szenetreffpunkt dient. Eines der wenigen lokalen Themen, die die NPD aufgegriffen hatte.

Trotz des abflauenden Wahlkampfes, ist die NPD – ausgenommen die Gemeinden Boldekow und Semlow – überall dort in die Kommunalparlamente eingezogen, wo sie antrat. Wie zu erwarten, erzielte die NPD in den Kreisen Uecker-Randow (9,1 Prozent) und Ostvorpommern (7,6 Prozent) die höchsten Ergebnisse. Seitdem sitzen jeweils vier bekannte Neonazis in Fraktionsstärke mit am Tisch der beiden Kreistage. Das höchste Ergebnis erlangte die NPD mit 28,8 Prozent im Wahlbezirk Ueckermünde Ost. In den anderen Regionen des Landes blieb das Ergebnis zumeist unter fünf Prozentpunkten. Im Westen des Bundeslandes konnte der Kreisverband Ludwigslust die höchsten Prozente erzielen, blieb mit 4,5 Prozent der Wählerstimmen jedoch hinter den Erwartungen zurück. Obwohl die NPD die Anzahl ihrer Mandate im Vergleich zur Kommunalwahl 2004 landesweit versechsfachen konnte, gab sich die NPD-Riege mit dem Ergebnis von insgesamt 60.956 Stimmen (3,2 Prozent) nicht zufrieden. Besonders niederschmetternd dürfte das Ergebnis in Stralsund auf die NPD wirken. Dort, sowie in der selbst gesetzten Schwerpunktregion Schwerin, konnten sie nicht wie gewünscht punkten.

Dennoch bestätigte das hohe Ergebnis im Osten von Mecklenburg-Vorpommern einmal mehr, dass die Neonazis dort über eine stabile Stammwählerschaft verfügen und rechte Kader als »nette Nachbarn von nebenan« gelten. So kann der führende Aktivist der Ueckermünder Kameradschaftsszene und NPD-Landtagsabgeordnete Tino Müller bereits seit Jahren auf eine breite Zustimmung innerhalb der Bevölkerung verweisen. Müller ist tonangebendes Mitglied im »Sozialen und Nationalen Bündnis Pommern« (SNBP) und anderer rechter Vereinigungen, wie z.B. der mittlerweile verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend.

Neben seinem Bruder Marko Müller, Michael Gielnik und Enrico Harmisch – die ebenfalls Sitze in Kommunalparlamenten errungen haben – ist er einer der führenden Köpfe in der Region. Tino Müller und rund 200 andere Kameradschaftler traten vor der Landtagswahl 2006 in die NPD ein und verhalfen ihr zum Wahlerfolg von 7,3 Prozent der Wählerstimmen (siehe AIB 73). Seither sind Kameradschaftsstrukturen auch gleich NPD-Strukturen. »Freie Kräfte« in Opposition zur NPD oder andere konkurrierende extrem rechte Parteien sind in M-V nicht mehr vertreten. Die DVU trifft sich an wenigen Stammtischen und dem früheren NPD-Pressesprecher M-Vs, Andreas Molau, wird seit seinem Übertritt zur DVU keine Beachtung mehr geschenkt. Lediglich in Stralsund traten die REPs, die jedoch keine landesweite Struktur aufweisen können, zur Wahl an.

Während die »Freien« im Osten unter dem Label »NPD« ihre politische Arbeit fortführen, versucht augenscheinlich der im Westen Mecklenburg-Vorpommerns ansässige langjährige NPD-Aktivist Andreas Theißen die Neonaziszene in Wittenburg und Umgebung auf Parteikurs zu bringen. Mindestens einmal im Monat besuchten Aktivisten vom »Widerstand-Wittenburg-Waschow« die Landtagsfraktion, luden zu Paddeltouren der Jungen Nationaldemokraten und veranstalteten »nationale« Feste.

In vielen anderen Regionen des Landes herrscht allerdings weitgehend Mitglieder- und Kaderflaute. Bis auf Neubrandenburg, Neustrelitz und Waren weisen kleinere Orte wie Teterow, Malchin, Demmin, aber auch die kreisfreien Städte Greifswald, Wismar und die Insel Rügen sowie der Kreis Mecklenburg-Strelitz kaum sichtbare oder gar keine NPD-Strukturen auf. In der Umgebung der Hansestadt Rostock verfestigen sich hingegen lose Neonazistrukturen. Verantwortlich für die Gegend zeichnet sich der Landtagsmitarbeiter und Neonazi-Multifunktionär David Petereit. Seit 2006 bereist er kontinuierlich umliegende Städte, hilft jungen »Kameraden« bei rechtlichen Belangen und gilt als fester Ansprechpartner. Seine Aufbauarbeit hat vor der Kommunalwahl Früchte getragen: In Güstrow beispielsweise kandidierte laut örtlichen AntifaschistInnen der als gewaltbereite geltende Neonazi Nils Matischent, während neue NPDler in Bad Doberan derweil versuchen ihre Ortsgruppe zu konsolidieren.

Fraglich ist jedoch, ob die Repräsentanten der NPD-Wähler den Anforderungen standhalten, die das Kommunalparlament nun an sie stellt. Hingegen ist davon auszugehen, dass die kontinuierlich durchgeführten kommunalpolitischen Schulungen vor der Wahl keine Scheingefechte waren, sondern nun ihre Wirkung erzielen. Mittels Durchführung geheimer Wahlen für verschiedene Posten konnte die NPD in einigen Gemeinden Stimmen anderer Parteien hinzugewinnen. So wurde Michael Gielnik in Heringsdorf in den Tourismusausschuss und in Bargischow Lutz Genz vom »Heimatbund Pommern« (siehe AIB 69) zum Vizebürgermeister gewählt.

Von einem konsequent ablehnenden Umgang mit der NPD ist bisher wenig zu spüren, schon gar nicht in Ostvorpommern und Uecker-Randow. Dort berichtet die Lokalpresse eher wohlwollend von den gezielten Fragen der NPD in der Ueckermünder Bürgerschaft, die erst zum Verständnis von Lokalpolitik beigetragen hätten. Es scheint eine Frage der Zeit, bis sich Vertreter der anderen Parteien an die Neonazis gewöhnt haben. Einige aus der Anklamer CDU jedenfalls gehen schon seit Jahren mit dem NPDler Michael Andrejewski Bier trinken.