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Neonazi-Gewalt am 1. Mai in Thüringen

Paul Rzehaczek (4 v.r. mit Brille) bei der gewalttätigen Auseinandersetzung in Weimar.

Am 1. Mai 2015 kam es in Thüringen zu einem Überfall durch etwa 40 Neonazis auf eine Gewerkschaftskundgebung in Weimar. Die Neonazis stürmten die Bühne, attackierten u.a. den Bürgermeister und einen Bundestagsabgeordneten und verletzten drei Personen. Die Polizei ermittelte bislang 27 Neonazis aus Sachsen, Brandenburg, Hessen und Thüringen als Tatverdächtige. Nach ihrer vorläufigen Festnahme befinden sich die 22 Männer und fünf Frauen zwischen 18 bis 35 Jahren wieder auf freiem Fuß.

Offenbar war dieser Angriff im Vorfeld geplant worden. Laut einer auf der Homepage linksunten.indymedia.org geleakten Kommunikation zwischen den sächsischen Neonazi-Aktivisten Alexander Kurth und Paul Rzehaczek hieß es zum 1. Mai 2015: „also wir werden zum  ersten Mai nichts anmelden da wir für uns beschlossen haben, das es im moment sinnlos ist irgendwo was anzumelden. Wir werden uns lieber dezentral treffen und dann auf linke veranstaltungen gehen und da ein bisschen für furore zu sorgen.“ Ein Foto zeigt Paul Rzehaczek bei der Auseinandersetzung in Weimar.

Brutale Angriffe auf Antifaschist_innen mit mehreren Schwerverletzten gab es am 1. Mai auch in Saalfeld im Zuge eines Aufmarschs der Neonazipartei „Der III. Weg“ mit 700 bis 800 Teilnehmenden. Eine Auswertung vom Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt berichtete: „Bevor der Neonazi-Mob, ausgerüstet mit Holzstangen und anderen Gegenständen, die Veranstaltungen erreichte, fielen ihm jugendliche Gegendemonstrant_innen vor dem Wahlkreisbüro Haskala zum Opfer. Drei Menschen wurden brutal zusammengeschlagen und zum Teil schwer verletzt.

Ein Augenzeuge schilderte später: „In dem Moment war ich überzeugt: Die Nazis schlagen die Jugendlichen tot“. Obwohl zwei Streifenbeamt_innen mit Dienstwaffe in der Nähe waren, und auch ein ziviler Kleintransporter der Bereitschaftspolizei eines anderen Bun­deslandes zeitweise hinter der Neonazi-Gruppe herfuhr, griffen die Beamt_innen nicht ein. Erst fünf Minuten später näherte sich eine, die ganze Zeit zuschauende Beamtin, den zurückgelassenen Schwerverletzten, welche stark an den Köpfen bluteten, teils ausgeschlagene Zähne, Gehirnerschütterungen und innere Blutungen davontrugen.

Es ist völlig unverständlich, wie es möglich sein konnte, dass an einem solchen Tag bis zu 100 Neonazis aus einem Spektrum, das ankündigte, ‘Wut und Zorn auf die Straße zu tragen’, unbegleitet durch die Stadt laufen können. Vollkommen fassungslos macht jedoch die anschließende Entscheidung, die Neonazis weiter durch die Stadt ziehen zu lassen und ihnen somit die Teilnahme am Neonazi-Aufmarsch zu ermöglichen, ohne dass es zu Identitätsfeststellungen, erkennungsdienstlichen Behandlungen oder einer anderweitigen Dokumentation der Täter kam, um eine Strafverfolgung zu ermöglichen“, erklärte ein Sprecher des Bündnises „Zivilcourage und Menschenrechte“.

Eine kaum vorhandene Polizeibegleitung des Neonazi-Aufmarsches hatte weitere Attacken, u.a. Würfe von Flaschen aus dem Aufmarsch auf Gegendemonstrant_innen und Journalis­t_in­nen, zur Folge. Mehrere Personen wurden getroffen und verletzt. Als der Aufmarsch zum Stehen kam weil eine friedliche Sitzblockade den Weg versperrte, erfolgten weitere Gewalttaten und Ausbrüchen auf Seite der Neonazis. Steine, Flaschen und Pyrotechnik wurden geworfen, mit Stangen auf umstehende Personen eingeschlagen. Vor allem ein Block im Stil der „Autonomen Nationalisten“ zeigte ein hoch aggressives Verhalten. Daran waren vor allem Neonazis aus Thüringen, Brandenburg, Hessen und Bayern beteiligt. Die Neonazis brachen mit ca. 200 Personen aus und versuchten, Gegendemonstrant_innen auch über angrenzende Wohngebiete zu erreichen und zu attackieren. In einem Fall erlitt eine junge Antifaschistin  Kopfverletzungen.

Eine Durchsage der Polizei an die Neonazis lautete „Bleibt doch hier. Wir werden hier eine Lösung für euer Anliegen finden“, während zeitgleich mehrere Beamt_innen auf der Straße genau­so wie Journalist_innen und andere Menschen wegrannten, um sich vor den aggressiven Neonazis in Sicherheit zu bringen. Als der Auf­marsch den alternativen Treffpunkt „Klub­haus der Jugend“ erreichte, gab es erneute Angriffe. So wurden Flaschen und Steine auf Gegendemonstrant_innen geworfen, eine junge Frau erlitt dadurch Verletzungen im Bereich des Brustkorbes und musste mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Auf der Rückfahrt stiegen bayerische Neonazis am Bahnhof Hallstadt aus und marschierten spontan und ohne Polizeibegleitung durch die Stadt.