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Neonaziführer Raoul Nahrath verstorben

Einleitung

»Das volkstreue und nationale Deutschland senkt seine Fahnen und Standarten für Wolfgang Nahrath. Am 27. Februar 2003 wurde Raoul Willy Wolfgang Nahrath im 74ten Lebens­jahr zur großen Armee abberufen.« Mit diesem schwülstigen Nachruf kommentierte das »Nationale Infotelefon Rheinland« den Tod des ex- Bundesführers der Wiking Jugend.1

  • 1Ansage des Nationalen Infotelefones Rheinland vom 11.3.2003

Wolfgang Nahrath (rechts) mit Jörg Hähnel (mitte) und Udo Voigt (links) bei einer NPD-Demonstration im Dezember 2001 in Berlin.

Ungebrochen

Schon als Jugendlicher engagierte sich Rauol Nahrath in der HJ und meldete sich freiwillig zur Wehrmacht. Das Schicksal, als Hitlers letzte Reserve im Volkssturm zu enden und den »Heldentod« zu sterben, blieb ihm erspart,  nicht aber der innere Bruch, der auf den äußeren Zusammenbruch des NS Regimes folgte.

Orientierungslos, aber überzeugt für die »richtige Sache« gekämpft zu haben, engagierte sich die Familie Nahrath in den ersten Nachfolgestrukturen des NS Regimes. Auch er übernahm Funktionen in der »Sozialistischen Reichspartei«. Dort traf er auf den »Reichsjugendführer« der SRP Jugend, Walther Matthaei, der 1952 nach dem Verbot der SRP die »Wiking Jugend« (WJ) mitbegründete.

Der Nahrath Clan

Die WJ wurde in der Nachfolge wie ein Familienunternehmen geführt, wobei dem Nahrath-Clan die zentralste Bedeutung zufallen sollte. Pikanter Weise trat der Vater von Wolfgang, Raoul Nahrath, 1954 in die Lücke als Bundesführer, als Walther Matthaei nach einem Sommerlager im Spanischen San Sebastian nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte, weil er dort wegen seiner homosexuellen Neigungen im Gefängnis saß.1 ,2

Wolfgang Nahrath trat 1961 die Nachfolge seines Vaters an. Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Sprecherin der Deutschen Unitarischen Jugend Gisela Kaul geheiratet. Er setze die Orientierung der WJ an »Form und Gestalt« des Erscheinungsbildes der Hilter-Jugend fort. Blieb der Sohn anfänglich bei dem Kurs seines Vaters, in dem die WJ vornehmlich ein völkisch – nationalistischer Wander- und  Trachtenverein blieb, zu dem die gesamte rechte Szene ihre Kinder schickte, so veränderte sich die Situation mit den Umbrüchen innerhalb der NPD Ende der 60er Jahre.

Politisierung

Mit dem Aufkommen der militanten Splittergruppen aus dem Verfall der NPD kam es in den 70er und 80er Jahren zu einer immer intensiver werdenden Politisierung der WJ. Die Folge war, dass sich viele Jugendliche, die durch die WJ ideologisiert wurden, später in militanten Organisationen wiederfanden. Die WJ führte wehrsportähnliche Lager in der Eifel und in Hetendorf durch, in denen die Jugendlichen ausgebildet wurden.

Die WJ-Führung damit konfrontiert, dass ihre Mitglieder in gewalttätige Aktivitäten verwickelt waren. Selbst die Verurteilung von ehemaligen Führungskadern wie Manfred Börm und Uwe Röhwer zu hohen Haftstrafen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung im Jahr 1979 oder die Beteiligung an Sprengstoffversuchen führten keinesfalls zu Distanzierungen.3

1980 musste der WJ-Gau Berlin noch  die WJ-Führung aufgelöst werden, da der Gau-Führer Ralf Ollmann mit seinem Blatt "Sturmjugend" zu offen dem NS gehuldigt hatte und Teile der WJ-Elternschaft intervenierten.4 Doch bis Ende der 80er Jahre hatte sich die WJ so stark radikalisiert, dass man annehmen musste, dass sie zur Jugendorganisation der offen militant-neonazistisch auftreten FAP werden würde. Nahrahts ältester Sohn, der WJler Ulf Nahrath, saß dort u.a. im Bundesvorstand.5 Diese Zusammenarbeit sollte sich jedoch nicht auszahlen, und so wurde nach der FAP die WJ 1994 nach über 40 Jahren verboten.

Wolfgang Nahrath zog sich in der Nachfolge auf sein Altenteil im Bundesvorstand der NPD zurück, was ihm aber nicht daran hinderte, auf zahlreichen Veranstaltungen  neonazistischer Gruppierungen aufzutreten. Seine über die Jahre gesammelten Kontakte machten ihn schon länger zu einer Integrationsfigur zwischen den verschiedensten Lagern.

Mit dem Tod Nahraths endet eine Selbstinszenierung vom »Führer«, wie es sie in der rechtsextremen Nachkriegsszene kaum gegeben hat. Dazu gehört auch das Gerücht, dass nach seinem Tod nur der »Fähigste« unter seinen Söhnen den »Familienring« als verpflichtendes Erbe für eine weitere Generation politischer Irrläufer erben soll.

Laut Nachruf der NPD-Parteizeitung »Deutsche Stimme« hat Nahrath »tausende Keimzellen geschaffen für die seelische Wiedergesundung unseres gefährdeten Volkes«. Tatsächlich war er als WJ-Bundesführer für die Aus-bildung und weltanschauliche Schulung zumindest hunderter Neonazis verantwortlich. Dazu zählen selbstverständlich auch seine eigenen fünf Kinder, die zumindest teilweise in seine Fußstapfen getreten sind.

  • 1Kurt Tauber: Beyond eagle and swastica, S. 413
  • 2Parteienhandbuch Band 4, Fußnote 215, S.1979ff (das halbjährige Intermezzo von Wolfgang Hinter­leitner ist dabei als Unbedeutend zu bewerten)
  • 3VS Bericht 1983 (S.142)
  • 4VS Bericht 1980
  • 5Unterlagen des Bundeswahlleiters von 1990.