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NPD gegen NPD

Andreas Speit
Einleitung

Eine Spekulation um den NPD-Bundesvorsitz ist zu Ende. Schon Wochen vor dem entscheidenden Bundesparteitag zog der niedersächsische NPD-Landesvize Andreas Molau seine Kandidatur gegen den langjährigen Bundesvorsitzenden Udo Voigt zurück.

Der NPD-Bundesparteitag 2008 in Bamberg.

Null Chancen sah er für sich. »Verarscht«, so fühle er sich, sagte er. Soll doch nun der mecklenburg-vorpommerische NPD-Fraktionschef Udo Pastörs gegen Voigt antreten. Jener Fraktionschef aus Schwerin, der mit seinem Amtskollegen in Dresden, Holger Apfel, erst Molau zur Gegenkandidatur ermutigt hatte. 

Seit Anfang 2009 ist die älteste neonazistische Partei Deutschlands zerstritten wie schon lange nicht mehr. In den Medien sehen bereits Politiker und Journalisten das Ende der Partei nahen.  Vorwürfe folgen in den oberen Parteirängen auf Vorwürfe, Gerüchte und Intrigen blühen, Anfeindungen und Unterstellungen wechseln sich ab. Diesen Start in das »Superwahljahr« dürfte sich Voigt wahrlich nicht vorgestellt haben. Machtkämpfe, persönliche Fehden und auch leere Kassen hat die NPD jedoch schon öfters erlebt, aber eben auch überlebt. Nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind allerdings in der Szene von NPD bis »Freie Kameradschaften« (FK) die Erwartungen gestiegen.

Schon vor dem Bundesparteitag »Sozial geht nur national« in Bamberg am 24./25. Mai 2008 hatte die Bundesführung um Voigt viele Hoffnungen enttäuscht. Nicht nur die Mitglieder hatten sehnlich auf Klärung zu der Veruntreuung von rund 870.000 Euro durch den Ex-Bundesschatzmeister Erwin Kemna und zu dem Verhältnis mit den militanten »Autonomen Nationalisten« gewartet. Viel Stoff für Zoff und für alte und neue Feindschaften.

In der Konzert- und Kongresshalle gelang es kaum die von Voigt später verkündete »Geschlossenheit« zu schaffen. Im Gegenteil, im Foyer der Halle meinte Molau offen entsetzt zu der Wahl des Hamburger NPD-Landeschefs Jürgen Rieger zum Bundesvize: »Die Wahl von Herrn Rieger ist eine Katastrophe«. Im Hegelsaal waren da schon Rieger und Pastörs wegen fehlender Parteigelder aneinander geraten – schrien sich an, beschimpften sich. Aus den Fraktionen in Dresden und Schwerin, schimpfte Rieger lautstark, würde immer wieder gegen ihn intrigiert. »Parteiämter« hätte er sich aber nicht mit den Darlehen für die Partei erkaufen wollen, wie unterstellt, brüllte er fast.

Fast ein Jahr später, im Februar 2009, als die NPD auf der Suche nach einem Veranstaltungsort für den längst einberufenen »Sonderparteitag« ist, wettert Rieger erneut gegen diese Vorwürfe. In der Partei sorgen sich längst einige Kader mal offen, mal versteckt um die wirkliche Entscheidungsmacht Voigts. Der Grund ist die sich weiter verschärfende Finanzlage. Nachdem Molau sich am 18. Februar von den Getreuen verraten fühlte, verriet er, dass die NPD sich im Januar selbst bei der Bundestagsverwaltung anzeigen musste. In den Rechenschaftsberichten 2007 sollen rund eine Million Euro unauffindbar sein. Molau betonte sogleich, Rieger hätte die Partei in »eine finanzielle Abhängigkeit gebracht«.

Auf seiner eigenen Website hatte Rieger kurz zuvor in einer Erklärung ausgeführt, dass er der Partei zwar viele Darlehen gegeben hätte und gibt, aber nie »Dank« erwartet oder gar »Bedingungen« daran geknüpft hätte. Die Auflistung der Darlehen dürften aber die Sorgen erhärten. Rieger rechnet vor, dass er für die Mecklenburg-Vorpommern-Wahl die Rückzahlung von 295.000 Euro nicht einforderte, 150.000 Euro prolongiert hätte und zusätzlich 75.000 Euro zuschoss. Er rechnet gleich weiter auf, der Partei 2004 bei der Wahl im Hamburg ein Darlehen von 120.000 Euro und 2007 zu der Wahl in Niedersachsen von 50.000 Euro gegeben zu haben. Summen, die schon fragen lassen, was passiert mit der Partei, wenn diese Gelder eingefordert werden. Vielleicht weil der Parteikurs, oder der Parteivorsitzende dem Finanzier aus dem feinen Hamburg-Blankenese nicht mehr so gefällt, wenn gar Pastörs den Bundesvorsitz erstreitet.

Ein Brief von Rieger an Voigt, der  der Tageszeitung taz zugespielt wurde, offenbart: Pastörs ist Riegers Intimfeind. »Lieber Udo«, schrieb Rieger am 2. März 2006 und beschwerte sich über die Führung von Stefan Köster und Pastörs in Mecklenburg-Vorpommern, einen Wahlerfolg hielt er mit ihnen für sehr unwahrscheinlich. Deswegen, so Rieger, sei »jeder Cent der in die Mecklenburgische Wahl hineingesteckt wird«, verloren. Eine Rettung in der Not wüsste er: »Mit mir als Kandidaten hätte die NPD mithin größere Chancen«. Er könnte zudem ein »besserer Fraktionsvorsitzender als Pastörs« sein. Eine andere Personalempfehlung weiß er auch gleich: Thomas Wulff.

Der Kader der FK und NPD wäre für den Verfassungsschutz »nicht käuflich«. Um Missverständnisse auszuräumen, schreibt er Voigt ganz offen, dass Pastörs und Köster die Zusammenarbeit unter ihm nur ablehnen, weil sie »die eigene Person« über die Partei stellen, »oder aber sie arbeiten im Auftrag des Verfassungsschutz«. Verärgert sei er, räumt Rieger damals ein. »Wie ich zugesagt hatte ist die Prolongierung der Kredite von 4.000,00 Euro, 100.000,00 Euro und 20.000,00 Euro« auf spätere Termine möglich, versichert er, doch: Bei dieser  Kreditverlängerung habe sich für ihn insofern etwas verändert, da er wünscht, »dass diese Beiträge in Berlin verwendet werden«.

»Infam« nennt Rieger in der Erklärung Pastörs’ Anfeindung in einem Videointerview im Internet. Dort führt Pastörs aus, dass Rieger »selbstverständlich« versucht hätte durch »Geld Einfluss zu gewinnen«. Der Brief an Voigt mit dem Wunsch, dass das Geld alleine bei der Wahl in Berlin zu verwenden sei, bestärkt aber Pastörs’ und Molaus Vorwurf.

Machtgeränke und Geldgeschäfte

Kurz vor dem Parteitag verwischen zwischen den momentanen Unterstützern Pastörs und Voigts die vermeintlichen  politischen Differenzen. Längst geht es in der Partei nicht mehr um eine strategische Neuausrichtung. Wenn es sich bei der Gegenkandidatur von Molau und Pastörs überhaupt jemals um parteipolitische Neupositionierung handelte. Molau wurde schnell eine »REPisierung« der NPD von Wulff unterstellt. Rieger legte in einem Videointerview um den 19. Februar gegen den »Achteljuden« Molau nach. Die Parteibasis würde keinen zum Bundesvorsitzenden wählen, »der im Dritten Reich nicht mal hätte Blockwart werden können«. Molaus Hoffnung, die er am 4. Januar als Thesenpapier veröffentlichte, ein »politisches Milieu« auch mit »konservativen« Kreisen zu schaffen, wird vehement widersprochen. Doch nur Rieger und einige FKler stört diese Betonung.

Keine Überraschung, wird doch selbst in der NPD befürchtet, dass Riegers »unreflektierter Hitlerismus« (O-Ton Molau) und verkündete Menschenaufzuchtspläne dem bemüht bürgerlichen Parteiimage schaden könnten. Molau als auch Pastörs sind indes gar nicht so sehr von Voigts Parteilinie entfernt. Sie alle eint die Strategie, soziale Themen aufzugreifen, die kommunale Verankerung vor Ort auszubauen und die enge Zusammenarbeit der »nationalen Opposition«, inklusive der FK, weiter zu ermöglichen. Im »national-konservativen« Spektrum hofft Voigt nicht minder mehr Zuspruch zu finden. 

Ein »Nach-dem-Parteitag« mahnte bereits Voigt in einer Videobotschaft gleich nach Ende seiner Kur Mitte Februar an und appelliert: »Gemeinsamkeit statt Bruderkrieg«. Der Skandal um Kemna hat Voigts Ansehen bei vielen Parteimitgliedern sicher geschmälert. In der Partei wird ihm dennoch hoch angerechnet, dass unter ihm die NPD nach über 30 Jahren wieder in Landtage einzog, sich kommunal verankerte und die Mitgliederzahl fast verdreifachte. Seine Hausmacht ist insofern schwer einzuschätzen. Das Fallenlassen von Molau durch Pastörs, der auch von dem NPD-Generalsekretär Peter Marx unterstützt wird, missfällt indes nicht wenigen. NPD-Bundesvize Sascha Roßmüller, der vorher auch mit Apfel Molau präferierte, erklärte bereits, »auch Pastörs« seine »Stimme nicht zu geben«.