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Wuppertal: Mörder & Antisemiten verurteilt, von der NF geschult?

Antifaschistische NRW-Zeitung
Einleitung

Wegen Mißhandlungen und dem Mord an Karl Hans Rohn wurden Anfang Februar 1995 zwei Wuppertaler Neonazi-Skinheads zu langen Haftstrafen verurteilt. Mit antisemitischen Parolen hatte sie der Wirt der Kneipe »Laternchen« angefeuert, der nun ebenfalls lange hinter Gitter soll.

Die Urteile

Ursprüngliche verharmlosende Darstellungen des Wuppertaler Oberstaatsanwalts Horst Rosenbaum, der den Mord als Ergebnis einer wüsten Sauferei dargestellt hatte, erwiesen sich als nicht haltbar. Der 53jährige Rohn fiel keinem gezielten Anschlag zum Opfer, aber neonazistischen Tätern, die in einem »vom Alkohol enthemmten Moment genau nach rechtsradikalem Muster« handelten. Das Gericht verurteilte die beiden »mit rechtsradikalem Gedankengut vollgestopften« (ehemaligen) Neonazi-Skinheads Andreas Wember (27) und Michael Senf (20) wegen schwerer Körperverletzung und Mord zu 14 und acht Jahren Haft.

Die höhere Strafe gegen den u.a. wegen mehrerer Gewalttaten vorbestraften Wember solle abschreckend wirken. Senf wurde nach dem Jugendstrafrecht verurteilt, das geringere Strafen vorsieht. Wegen strafmilderndem Alkoholeinfluß wurde bei beiden nicht die Höchststrafe verhängt. Der Gastwirt und Komplize Marian Jan Glensk (32), in dessen Barmer Lokal die Mißhandlungen an dem vermeintlichen »Juden« ihren Anfang nahmen, wurde wegen der gleichen Delikte zu zehn Jahren verurteilt. Daß er als  »Jesus von Barmen« unter »Größenwahn« leidet, wurde in seinem Fall strafmildernd gewertet.

Der Mord

Die Vorgeschichte: Am 12. November 1992 mißhandelten die Wuppertaler Neonazi-Skinheads Andreas Wember und Michael Senf in der Barmer Kneipe ihr Opfer, das sich ihnen gegenüber als jüdisch zu erkennen gegeben habe, was unzutreffend war. Der Spätaussiedler Glensk heizte die Stimmung mit wiederholt vorgetragenen Sprüchen wie »Jude, du mußt nach Auschwitz« an. Er machte den Tätern deutlich, so das Gericht, »ich stehe zu euch«. Sie nahmen ihn beim Wort und fügten ihrem Opfer, daß sie zuvor mit Tritten übel zugerichtet hatten, mit Hilfe von Alkohol Verbrennungen zu. Gemeinsam, so das Gericht, entschieden die drei, ihr Opfer verschwinden zu lassen. Sie einigten sich darauf, den noch lebenden Rohn in die Niederlande zu schaffen. Der Tatzeuge Thomas Reu (24) aus Wuppertal half, das Opfer in den Wagen des Wirtes zu schleifen. Er wurde schon zuvor lediglich wegen »Strafvereitelung« zu der lächerlich geringen Strafe von 30 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt. In der Nähe von Venlo warfen Glensk und die beiden Neonazis ihr Opfer aus dem Wagen.

Das Verhalten der Täter und die äußeren Umstände zeigen, so das Gericht, daß Rohn sterben sollte. Ein Pathologe und ein Gerichtsmediziner wiesen in der Hauptverhandlung nach, daß Rohn zu diesem Zeitpunkt bereits tot war. Beim Transport im Auto des Wirts hatte der schwergewichtige Senf auf dem Brustkorb des Opfers gesessen und ihm so die Rippen gebrochen. Rohn erstickte unter der Last des Zwei-Zentner-Mannes.

Der Intelligenzquotient von Senf, so ein Gutachter, liege „knapp über dem Schwachsinn“. Gegenüber Wember, mit dem er vor der Tat etwa ein halbes Jahr zusammen wohnte, verhielte er sich unterwürfig „wie ein Hund“. Die »trainierten Trinker« hätten unter erheblichem Alkoholeinfluß nach »rechtsradikalem Muster« gehandelt. »Kalkül und nicht resignierende Unterordnung« sei es gewesen, was Gastwirt Glensk dazu veranlasst habe, das Opfer den späteren Mördern als „Juden“ vorzustellen und zu fordern »Macht Auschwitz wieder auf«.

Der Prozeß

Die RichterInnen am Wuppertaler Landgericht unter Vorsitz von Rolf W. schlossen sich der Sichtweise der Staatsanwaltschaft an, die auf Verurteilung wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Mord zur Verdeckung einer Straftat plädiert hatte. Sie betonten die Notwendigkeit, »mit besonders scharfem Auge rechtsradikale Bewegungen zu beobachten«. In ihrem Urteil machten sie deutlich, daß zu solch einer Tat die entsprechende Gesinnung und nicht bloß ein betrunkener Kopf gehört.

Die Spur zur NF

Die beiden Mörder, so heißt es im Urteil, seien Angehörige der »Nationalen Front« (korrekt: „Nationalistischen Front“, AIB) die größere Mengen entsprechendes Propagandamaterials besaßen. Senf, der über Beziehungen zur NF aussagte, war der richtige Name der »Nationalistischen Front« (NF) offenbar nicht geläufig. Offen blieb, wie die beiden Mörder an die „Nationalistische Front“ (NF) gerieten. Nach Darstellungen von Rechtsanwalt Michael Kaps soll Senf lediglich Aufkleber bestellt haben. Danach sei ihm mitgeteilt worden, er sei Mitglied.

Gegen diese Erklärung spricht, daß die beiden Mörder in den Monaten vor der Tat selbst in Begriff waren, in Wuppertal eine Neonazi-Gruppe von circa zehn Personen aufzubauen, vermutlich nach Vorgaben der NF. Die Polizei fand neben Material der NF und des „Freundeskreis Freiheit für Deutschland“ (FFD) aus Bochum entsprechende handschriftliche Unterlagen in ihrer Wohnung.

Die frühere Verlobte von Andreas Wember sagte vor Gericht aus, Wember habe Ausweise bestellt. Wember selber verkehrte schon Ende der 1980er Jahre in einem Wuppertaler Motorradclub, wo er an NF-Material gelangte. In den Monaten nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen, als Wember und Senf in Wuppertal-Barmen ihre Gruppe aufbauten, wurden dort ungewöhnlich viele Neonazi-Übergriffe registriert. Der jüdische Friedhof wurde geschändet, gleich zweimal kam es zu Zerstörungen an der griechische Schule, wobei Hakenkreuze hinterlassen wurden, und ein Flüchtlingswohnheim wurde angegriffen. Hier hatten die beiden Neonazi-Skins schon vorher einen Flüchtling aus Togo mißhandelt. Wegen dieser Taten gab es mittlerweile einige Verurteilungen, einen möglichen Zusammenhang zeigten die Ermittlungsbehörden nicht auf.

Das politische Umfeld

Wurden die Mörder durch eine Schulung der NF, die NF-Führer Meinolf Schönborn ein halbes Jahr vor der Tat im April 1992 in der nahe gelegenen Solinger Kampfsportschule »Hak-Pao« durchführte, zum Aufbau einer Ortsgruppe motiviert? Ein NF-Schulungsbild »Unsere Welt« fand die Polizei in ihrer Wohnung. Die regionalen NF-Strukturen dürften von dem "Stützpunktleiter" Michael N. aus Mettmann betreut worden sein. Dieser trainierte wohl zeitweilig in der Solinger Kampfsportschule Hak Pao und soll mit dem Trainer und Neonazi Bernd Schmitt in Kontakt gestanden haben.

Die Kampfsportschule des einschlägigen Trainers Bernd Schmitt, beherbergte den „Deutscher Hochleistungskampfkunstverband (DHKKV)“, als ein Sammelbecken für Neonazis aus dem Bergischen Land und dem Rheinland im „Hak-Pao-Sportclub“ Solingen.1 .Möglichwerweise gehörten auch Wember und Senf zu dem Kreis, die sich von Schönborn aufhetzen und organisieren ließen?

Die zuständige Wuppertaler Polizei hält die Vorgänge in der Kampfsportschule, in der auch die Tatverdächtigen des Solinger Brandanschlags aus- und ein gingen, im Dunkeln. Ein Prozeß gegen einen Solinger Antifaschisten im Oktober letzten Jahres hatte gezeigt, daß Trainer Bernd Schmitt bei mindestens einem Beamten der politischen Polizei deutlichen Einfluß besitzt. Dieser Beamte versorgte Schmitt 1992 mit Informationen und Fotos von Solinger Antifaschisten und ließ ihn bei einer Vernehmung zugegen sein. Bei einem Einschüchterungsversuch im Solinger Infoladen im Spätsommer 1992 erschien Schmitt mit einer ganzen Gruppe von uniformierten Polizisten, die sich ihm gegenüber - nach Aussagen Solinger AntifaschistInnen – auffällig unterwürfig verhielten.

Nachtrag AIB

Die Region Wuppertal ist in Neonazi-Netzwerke eingebunden. Der erwähnte NF-Führer Meinolf Schönborn war – bevor er im November 1985 in Steinhagen die „Nationalistische Front“ als Generalsekretär mit begründete - ab 1972 NPD-Mitglied und ab 1981 im Landesvorstand der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) in NRW. In Steinhagen gründete er auch einen „Förderkreis Junges Deutschland“ (FJD). Bereits im Januar 1988 wurde ein „Förderkreis junges Deutschland Wuppertal e.V.“ von Joachim P. (Vorsitz) und Michael D. (stellv. Vorsitz) in Wuppertal als Verein eingetragen. Im April 1988 kam dann ein Stefan L. (Student) aus Heiligenhaus und Karsten L. in den Vorstand.2

  • 1Integriert in der von Schmidt geleiteten Kampfsportschule des „1. Hak-Pao Sportclub Solingen e.V.“. Diese wurde im Juli 1987 von Sabine Pf. und Martina F. gegründet und im Juli 1994 aufgelöst
  • 2Nachtrag: Als NPD-Funktionär wurde später ein gleichnamiger Stefan L. (Historiker) mit gleichem Geburtsjahr (1959), gleichem Geburtsort (Wuppertal) und gleichem Wohnort (Heiligenhaus) öffentlich. Vgl. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen – Nr. 20 vom 19. April 2005.