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Zunehmende Neonaziaktivitäten im Saarland

Einleitung

Als Hochburg der neonazistischen Szene ist das Saarland bereits länger bekannt. Hier gab es im März 1999 einen Bombenanschlag gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht« (Vgl. AIB Nr. 47) und im August 2002 wurde ein türkischer Mann von einem Neonazi erstochen  (siehe auch AIB # 57). Trotzdem wurden Neonazis in der saarländischen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Mittlerweile taucht das Thema jedoch vermehrt in der öffentlichen Diskussion auf. Auch deshalb, weil es kaum noch ignoriert werden kann.

Die Kameradschaft Saarlautern beim Rudolf-Heß-Gedenkmarsch 2004 in Wunsiedel.

Erst kürzlich merkte gar der saarländische Verfassungsschutz an, dass die Zahl der bis dahin für 2005 registrierten rechtsextremen Gewalttaten die des Vorjahres bereits bei weitem übersteige. Zudem sei zu beobachten, dass extreme Rechte verstärkt versuchen, durch jugendgerechtes Auftreten neue Anhänger unter Jugendlichen zu rekrutieren. Dass diese Bestrebungen durchaus von Erfolg gekrönt sind, belegen die Ergebnisse der Landtagswahl 2004, bei der die NPD unter den 18- bis 24-jährigen nahezu elf Prozent der Stimmen erreichte. Diese Entwicklung – von der Lokalpresse als erschreckende Neuigkeit präsentiert – wird von den örtlichen Antifagruppen schon seit längerem beobachtet. Bereits seit Jahren weisen sie auf die schleichende Etablierung einer neonazistischen Subkultur hin, die unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass immer häufiger öffentliche Räume besetzt werden. So organisierten neonazistische Gruppen immer wieder Aufmärsche und Kundgebungen und beteiligen sich an den immer häufigeren überregionalen Aufmärschen. Auch bei anderen Veranstaltungen ist in letzter Zeit eine deutliche Häufung zu verzeichnen. Der zur Zeit recht aktive Landesverband der NPD tat sich beispielsweise durch zahlreiche Vorträge, aber auch durch Konzerte mit bekannten Neonazibands hervor, die ein überregionales Publikum anzogen. Eines dieser Rechtsrockkonzerte, bei dem die Neonazibands Hauptkampflinie (HKL) aus Hessen, Brigade M (NL), Selbststeller aus Riesa, Lemovice (F), SKD (Gotha/Thüringen) und Calslage (NL) auftraten, ging am 3. August in Saarbrücken-Fechingen über die Bühne. Zu dem Konzert, das unter der Überschrift »Wir rocken den Reichstag« als NPD-Wahlkampfveranstaltung für den Raum Homburg-Zweibrücken angekündigt war, erschienen etwa 200 Neonazis. Welche Folgen solch ungestörte (Volks-)Gemeinschaftlichkeit allerdings für diejenigen hat, die nicht ins verquere Weltbild passen, wurde noch am selben Abend deutlich: Besucher der Veranstaltung in der Saarbrücker Innenstadt griffen unter anderem vermeintlich nicht-deutsche Personen und Obdachlose an. Bei diesem Vorfall handelt es sich allerdings keineswegs um einen Einzelfall. In jüngster Vergangenheit kam es wiederholt zu teilweise äußerst brutalen Übergriffen von Neonazis, die auch im Saarland immer weniger davor zurückschrecken, ihren Opfern schwere Verletzungen zuzufügen. Ein weiteres Indiz für die augenscheinlich stärker werdende »nationale Szene« ist die zunehmende Etablierung von Kneipen und Läden, in denen rechter Lifestyle gepf legt wird. Diese Mischung aus zahlreichen öffentlichen und nicht öffentlichen Veranstaltungen, der Etablierung neonazistischer Veranstaltungsorte, Kneipen und Läden sowie teilweise gewaltsamen Machtdemonstrationen auf der Straße hat zu einem selbstbewussteren Auftreten der saarländischen Neonazis in der Öffentlichkeit geführt. Mit zu dieser Situation beigetragen hat, wie so oft, die fehlende Sensibilität des Umfelds bzw. der Lokalpolitik, die bis hin zur partiellen Zusammenarbeit mit den Neonazis reicht. Besonders auffällig ist, dass die NPD im Saarland scheinbar keinerlei Probleme hat, passende Räumlichkeiten für größere Veranstaltungen zu finden. Zu einem regelmäßigen Veranstaltungsort der Neonazis hat sich schon seit langem das »Hotel Budapest« in Saarbrücken Fechingen entwickelt. Dies ist umso bemerkenswerter, da der Besitzer, Uwe Lukacs, Mitglied und »Schatzmeister« des CDU-Ortsverbands Brebach-Fechingen ist. Hinzu kommt, dass die Homepage des Hotels von der Firma »Marketing Saar« des saarländischen NPD-Vorsitzenden Frank Franz gestaltet wird. Ebenfalls in Fechingen, allerdings in der örtlichen Festhalle, fand das schon erwähnte Rechtsrockkonzert statt. Auch für andere NPD-Veranstaltungen, wie etwa den außerordentlichen Landesparteitag am 21. August 2004 in der Festhalle Saarbrücken-Schafbrücke, wurden der NPD städtische Räume zur Verfügung gestellt. Nach Angaben der Antifa Saar hat sich das Saarland und insbesondere Saarbrücken-Fechingen »in den letzten Jahren zu einem organisatorischen und infrastrukturellen Schwerpunkt der Aktivitäten der NPD entwickelt«. Dabei reiche das Spektrum der Veranstaltungen von Vorträgen und gemütlichen Liederabenden über Bundesparteitage und »europäische Nationalistentreffen« bis hin zu Rechtsrockkonzerten. Ähnlich sieht es das »Bildungs- und Forschungswerk Saar-Lor-Lux« in einer aktuellen Pressemitteilung, in der es feststellt: »Innerhalb der Neonaziszene hat das Saarland den Ruf, dass sich hier ohne größere Proteste und polizeiliche Repressalien Großveranstaltungen durchführen lassen.« Diese Einschätzung hat sich auch am 3. September bestätigt. An diesem Tag veranstaltete die NPD Saar gemeinsam mit der NPD Rheinland-Pfalz einen sogenannten »Erlebnistag«. Beginnend mit einer Kundgebung in Ludwigshafen am Morgen, starteten die etwa 50 erschienenen Kameraden zu einer grotesken »Kaffeefahrt« über Kaiserslautern (wo sie ebenfalls eine Kundgebung durchführten) zur Landhausvilla von Oskar Lafontaine im Wallerfanger Ortsteil Oberlimberg. Den Abschluss des Tages bildete der »große Südwestkongress der NPD zur Bundestagswahl« in der städtischen Turnhalle Saarbrücken-Brebach. Dort traten vor etwa 200 Anwesenden u.a. Peter Marx (NPD), Holger Apfel (NPD), Bruno Wetzel (DVU) und Harald Neubauer (Nation & Europa) als Redner auf. Im Rahmenprogramm sorgten der neonazistische Liedermacher Frank Rennicke und die Rechtsrocker von Sleipnir für nationales Ambiente. Für den Schutz waren Aktivisten der saarländischen Kameradschaftsszene um den Neonazi-Aktivisten Dominik Kleer 1 zuständig. Während die lokalen Antifagruppen versuchten, dem Kongress mit einer Demonstration in Brebach etwas entgegenzusetzen, war von Seiten der lokalen Politik und Öffentlichkeit wieder einmal kaum Protest zu vernehmen. Die einzige größere saarländische Zeitung, die Saarbrücker Zeitung, beschränkte sich weitgehend darauf, Stellungnahmen der Polizei unkommentiert abzudrucken und auch sonst den Eindruck entstehen zu lassen, dass weniger die Neonazis selbst, als vielmehr eine mögliche Konfrontation zwischen »beiden Lagern« das eigentliche Problem darstelle. Ganz ähnlich äußerte sich Innenministerin Kramp-Karrenbauer (CDU), die verlauten ließ, sie betrachte mit Sorge, dass die »Extremisten« verstärkt gewalttätig gegeneinander vorgingen. Soviel Gastfreundlichkeit von Seiten der öffentlichen Stellen honorierte die NPD auf der Homepage des Landesverbandes mit der Ankündigung, auch in Zukunft vorbeizuschauen: »Das Saarland wird sich auf jeden Fall darauf einstellen müssen, dass ähnliche Großveranstaltungen in Zukunft öfter stattfinden werden.«

Mehr Informationen unter:

www.antifa-saar.de.vu
www.bifor.de.vu

  • 1Dominik Kleer fungiert als ein Demonstrationsanmelder und Redner für die saarländische Neonazi-Szene