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Mehrfacher Mordversuch an Antifaschist_innen durch Neonazis in Malmö

Einleitung

Im schwedischen Malmö kam es in der Nacht des 8.März 2014 zu einem Überfall organisierter Neonazis auf eine kleine Gruppe von Antifaschist_innen. Der Tathergang sowie die zugefügten Verletzungen lassen keinen Zweifel an der Tötungsabsicht der Angreifer, Tatort und Auswahl der Opfer lassen auch einen Zufall unwahrscheinlich erscheinen: die Attacke erfolgte in einem als links und multikulturell geltenden Stadtteil zwischen dem alternativen Folketspark, in welchem ein Festival feministischer Gruppen zum 8.März stattfand, und dem Kulturzentrum Glassfabriken, zu welchem die Opfer auf dem Weg waren.

Foto: Ultras Malmö

Der linke Malmöer Fußball-Fan Showan S. wurde von Neonazis niedergestochen und schwer verletzt.

Die Gruppe wurde unvermittelt von sechs Neonazis aus kurzer Distanz mit Flaschen beworfen und anschließend mit Eisenstangen und Messern attackiert. Zwei Opfer erlitten Messerstiche in Brust und Schulter, eines einen Lungendurchstich. Ein 25jähriger erlitt so schwere Hirnverletzungen, dass er in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Er befindet sich aktuell nach einer zweiten Notoperation außer Lebensgefahr, Freunde beschreiben seinen Zustand als „stabil, aber ernsthaft“.

Eben dieses Opfer wurde vor kurzem auf der schwedischen Neonazi-Homepage „Realisten“ mit Bild und vollem Namen als Aktivist einer Kampagne von Fußballfans gegen Homophobie geoutet. Die Täter ließen erst von ihren Opfern ab, als berittene Polizisten eintrafen und drei von ihnen vor Ort festnehmen konnten. Alle drei mit Vorwurf des versuchten Mordes inhaftierten sind bekannte Neonazi-Aktivisten: Martin Clausen war innerhalb der letzten Jahre Mitglied verschiedener Neonazi-Organisationen, Carl André ist seit 2010 Mitglied der „Svenskarna Parti“ (SVP), Magnus Holmqvist fiel bisher als Randfigur den Neonazi-Szene auf. Nebulös bleibt, warum der ebenfalls am Angriff beteiligte langjährige SVP-Aktivist Andreas Carlsson nicht inhaftiert wurde. Er soll nach Berichten lokaler Antifaschist_innen bereits in der Vergangenheit an Überfällen auf Antifaschist_innen beteiligt gewesen sein, bei denen er demnach auch mehrfach Messer einsetzte. Carlsson war erst wenige Tage vor dem Angriff aus der Ukraine nach Schweden zurückgekehrt. Dort hatte er als Teilnehmer einer Delegation schwedischer Neonazis als "Ukrainafrivilliga" (Ukraine-Freiwillige) Kameraden der „Svoboda“ bei ihrer gewaltsamen Machtübernahme unterstützt und im Internet über die Mission berichtet – auf der Seite „Realisten“.

Nachdem nationale und internationale Medien über die Unterstützung ukrainischer durch schwedische Neonazis berichteten, sah sich der polizeichliche Geheimdienst Säpo zu einer Einschätzung gegenüber der Presse genötigt – und bewies mit dieser am Morgen des Tattages entweder bodenlose Unfähigkeit oder bedenkliche Ignoranz. So erklärte die Chefanalytikerin der Säpo, Ahn-Za Hagström, gegenüber Sveriges Radio, die Aktivitäten schwedischer Neonazis in der Ukraine böten keinen Anlaß zu der Annahme, dass diese eine „erhöhte Motivation oder Fähigkeit“ aufwiesen um „politisch motivierte Verbrechen [zu] begehen, wenn sie nach Hause kommen“.

Ob die Säpo tatsächlich glaubt, die Teilnahme an einem erfolgreichen Umsturz unter Einsatz extremer Gewalt und mit vielen Todesopfern, an dessen Ende Kader der Neonazi-Szene wichtige Posten innerhalb der neuen ukrainischen Regierung bekleiden, hätte keinen Einfluss auf das Verhalten und den Maßstab bei der Wahl der Mittel „Zuhause“, bleibt vorerst deren Geheimnis. Vielleicht passt diese Einschätzung aber auch einfach besser in das von Verharmlosungen geprägte kritiklose Bejubeln des von Neonazis mitgetragenen Umsturzes in der Ukraine durch die Mehrheit europäischer Politiker und Medien. 
 Für den kommenden Mittwoch wurde eine Anhörung vom Gericht angesetzt, bei welcher über den weiteren Verbleib von Clausen, André und Holmqvist in Untersuchungshaft entschieden wird. Auch eine eventuelle Inhaftierung Carlsson´s und der Ermittlungsstand bezüglich der beiden weiteren, bislang unbekannten Tatbeteiligten dürften dann Thema sein. Augenzeugen vermuten das langjährige SVP-Mitglied Christopher P.  unter den Flüchtigen. Auch er soll ein "Ukrainafrivilliga" gewesen sein.