Alte Stereotype neu aufgelegt
In Griechenland entdeckten Behörden im Oktober 2013 ein blondes Mädchen in einer Roma-Siedlung und nahmen es aus der Familie, weil es sich augenscheinlich zu sehr von den Eltern unterscheide. Nachdem ein DNA-Test bestätigte, dass das Mädchen nicht das leibliche Kind des Roma-Paares ist, war der Tenor in der europäischen Medienlandschaft eindeutig: Das Kind sei vermutlich entführt worden.
Doch nicht nur die Presse war mit ihren Vermutungen und Vorverurteilungen schnell. Auch in Irland reagierte die Polizei daraufhin prompt, und nahm ebenfalls zwei Kinder aus ihren Familien. Der Grund: Die Kinder seien zu blond, als dass sie die leiblichen Kinder der Roma-Familie sein könnten. Die Behörden trauten erst den DNA-Tests, die die Zusammengehörigkeit bestätigten und gaben die Kinder in ihre Familien zurück. Im serbischen Novi Sad versuchte eine Gruppe von Männern gar, einem Vater sein 2-jähriges Kind vor dem selben Hintergrund zu entreißen. Innerhalb weniger Tage war so das antiziganistische Stereotyp des Kindesraubes neu aufgelegt und mit einer rassistischen Argumentation verschränkt: Die Vorstellung, dass Roma weder blond noch blauäugig sein könnten. Inzwischen hat sich auch die Herkunft des Mädchens in Griechenland geklärt. Das Kind wurde von seiner Mutter, einer bulgarischen Romni, die sich zur Saisonarbeit in Griechenland aufgehalten hatte, bei ihren damaligen Arbeitgebern gelassen, da sie weder gültige Papiere noch ausreichend Geld hatte, um für das Kind zu sorgen.
Ein Teil der Medien reagierte abermals und griff das Thema Antiziganismus auf. Die Armut vieler Roma in Europa, die als ursächlich dafür angesehen werden muss, dass das Mädchen von seiner Mutter zurückgelassen wurde, spielt jedoch in der medialen Berichterstattung nach wie vor kaum eine Rolle. Der Vorsitzende des Zentralrates deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, kritisierte die Medienberichterstattung und äußerte sich tief besorgt ob der Auswirkungen der Medienkampagne. Wer wissen will, wie es um antiziganistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung bestellt ist, braucht sich nur die Kommentarspalten durchzulesen.