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Abschiebungshaft reloaded

Einleitung

Zur grenzenlosen Kreativität des Bundesinnenministeriums in Grenzfragen

Foto: Christian-Ditsch.de

Der Beschluss des Bundesgerichtshof (BGH) vom 26. Juni, dass die Abschiebungshaft im Dublin-Verfahren überwiegend rechtswidrig ist und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dass es rechtswidrig ist, Abschiebehäftlinge in normalen Justizvollzugsanstalten gemeinsam mit Strafhäftlingen einzusperren, lässt leicht den Eindruck aufkommen, das Ende der Abschiebungshaft wäre nah. Wer sich dieser Naivität hingibt, kennt die Kreativität des Bundesinnenministeriums (BMI) schlecht. Zwei Tage nach der Veröffentlichung des BGH-Beschlusses am 23. Juli erklärte das BMI am 25. Juli in einer Presseerklärung: „Das Bundesministerium des Innern hat bereits in seinem Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung eine Definition der Fluchtgefahr im Sinne der Dublin III-Verordnung vorgesehen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs be­stärkt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung“.

Dies klingt zuerst einmal nicht wirklich bedrohlich. Warum in der Süddeutschen Zeitung vom 9. Mai der Gesetzentwurf des BMI „zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ nicht nur als „das Schärfste und das Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit der Änderung des Asylgrundrechts vor 21 Jahren eingefallen ist“ bezeichnet wird, sondern auch als „Perfidie in Paragrafenform“1 ,  wird klar bei genauerem Hinsehen. Die bisherige hemmungs- und maßlose Verhängung von Abschiebungshaft soll nicht etwa beendet werden oder entsprechend der bisherigen gesetzlichen Richtlinien drastisch eingeschränkt werden — in faszinierender Unverschämtheit konterkariert er das Urteil des BGH, indem er die Haftgründe derartig ausweitet, dass sich für so gut wie jeden Fall einer finden ließe. Da steht das Verlassen eines anderen EU-Landes neben anderen Haftgründen wie etwa der besonders niederträchtigen Generalklausel ‚Fluchtgefahr’, die schlicht jedem ‚Flüchtling’, der nicht unter Vorweisen eines gültigen Passes mit bezahltem Ticket direkt aus dem Flugzeug seines/ihres als nicht sicherem Herkunftsstaat2  anerkannten Landes ohne Zwischenlandung in einem sicheren Drittstaat3  mit im Herkunftsstaat behördlich attestierter Verfolgungsbestätigung während der Öffnungszeiten einer bundesrepublikanischen Grenzkontrolle einreist. Zwar vermutet PRO ASYL: „Vor dem Hintergrund des BGH-Urteils darf allerdings bezweifelt werden, dass die geplanten Generalklauseln einer rechtlichen Überprüfung standhalten würden“4 , aber wie lange eine derartige rechtliche Überprüfung sich hinziehen kann, war gerade wieder zu sehen. Und eine von Nichtstun und Ideenlosigkeit geprägte Beamtenmentalität ist den Innenministerien von Bund und Ländern bei diesem Bereich absolut nicht zu attestieren. Da liegen Initiative und Ideenvielfalt in grenzbereichigen Höhen, so dass hier wirklich Leidenschaft und unermessliches Engagement bei der Sorge um unbedingte Reinhaltung der BRD von ‘betrügerischen Asylerschleichern’ bescheinigt werden kann — die daraus resultierenden Toten: Kollateralschaden.

Auch dass auf die Kreativität der Bundesländer auf dem Gebiet der Aufrechterhaltung des Repressionsapparats Verlass ist, kann an der fieberhaften Suche nach Möglichkeiten, die Haftentlassungen zu vermeiden, gesehen werden. So wird anscheinend darüber nachgedacht, das Ingelheimer Abschiebegefängnis zur gemeinsamen Flüchtlingshaftanstalt ganz Südwestdeutschlands zu machen und auch die gewohnt und zuverlässig auftauchende spezielle bayrische Idee einer Art ‚Hausarrest’ in Pensionen hat Freunde bei den zuständigen Organen. Da auch die sogenannte ‚bauliche Trennung’ von Abschiebungshaft und Strafhaft wie in der JVA Büren nach dem BGH nicht gesetzeskonform ist, wird dort der Ausbau zum reinen Abschiebungsgefängnis überlegt. Die eigentlich erwartbare Entlassungswelle wurde bisher jedenfalls nicht registriert, vielmehr scheint eine Reisewelle der besonderen Art organisiert zu werden: Ein Transportaktionismus in die nach dem BGH zulässigen ausschließlichen Abschiebungshaftanstalten.5 Das könnte zwar ebenso wie der Gesetzentwurf des BMI als Unterlaufen des BGH-Beschlusses aufgefasst werden, aber wer würde so etwas unterstellen?
 

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