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„Geistige Brandstiftung“

Michael Lausberg
Einleitung

Die Hetze der CSU gegen Flüchtlinge

Im Zusammenhang mit der andauernden Debatte um Flüchtlinge und Zuwanderer kam es zu menschenverachtenden Aussagen aus den Reihen der CSU. Mit ihrer rassistischen Rhetorik will sie vor allem Wähler_innen am rechten Rand bedienen.

Foto: twitter.com/csu

Die CSU-Regierungsvertreter wettern seit Jahren gegen Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien und Albanien und gegen sogenannte Armutsmigrant_innen aus Bulgarien und Rumänien. Damit werden Einwanderer  aus Bulgarien und Rumänien pauschal — in homogenisierender Wahrnehmung — als Armutsmigrant_innen stigmatisiert. Ihr Vorsitzender Horst Seehofer schrieb in der CSU-Hauspostille „Bayernkurier“ von einer „massenhaften Einwanderung von Roma aus Südosteuropa in die deutschen Sozialsysteme“, sozusagen ein „grenzenloses Schmarotzertum“.1 Seehofer sagte in seiner Rede beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau am 18. Februar 2015: „Wir sind nicht das Sozialamt für den Balkan — diese Aussage unterstreiche ich ausdrücklich.“2

Im Juni 2015 legte die CSU einen 16-Punkte-Plan vor, um Flüchtlinge erst gar nicht in die BRD einreisen zu lassen. Zu den Vorschlägen gehören auch „Selektionszentren“ in Nordafrika. Horst Seehofer bemerkte beim niederbayerischen CSU-Bezirksparteitag am 18. Juli 2015: „Wir müssen diesen 40-prozentigen Missbrauch, man kann sagen den massenhaften Missbrauch, zurückführen und einstellen. (...) Wir müssen rigo­rose Maßnahmen ergreifen.“3

Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU, äußerte im Rahmen eines Gesprächs mit der Passauer Neuen Presse, das am 20. Juli 2015 veröffentlicht wurde: „An den Grenzen stehen 60 Millionen Flüchtlinge. Wie sollen wir dieser Massen Herr werden? Wir können nicht die ganze Welt retten.“4 Bei dieser Aussage griff Scheuer auf Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom Juni 2015 zurück, wonach sich Ende 2014 weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht befanden. Daraus war aber kein Szenario ablesbar, in dem sich all diese Menschen auf der Flucht nach Europa oder in die BRD befänden.5 Scheuer inszenierte also bewusst dieses Angstszenario, dass sich als uniforme Bewegung 60 Millionen Flüchtlinge an den deutschen Grenzen befänden.  Dies knüpft an die altbekannte Metapher an, dass „Flüchtlingsströme Deutsch­land überfluten wollen“.  Kurz danach startete Seehofer den Versuch, die deutsche Bevölkerung und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen. In einer Rede vor dem Bayerischen Landtag am 22. Juli 2015 hieß es: „Bevor wir in Leistungskürzungen für die Bevölkerung gehen, die hier lebt, ist es unsere Pflicht, diesen nennenswerten — ich sage das auch vor diesem Parlament —, diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen.“2

Nach dem Aufruf der Sozialgenossenschaft „Bellevue de Monaco“ protestierten mehrere tausend Menschen am 27. Juli 2015 in München unter dem Motto „Mia san ned nur mia“ gegen die Abschreckungspolitik der CSU-Staatsregierung. Die Teilnehmer_innen kritisierten vor allem die von der CSU geplanten „Selektionslager“ für Flüchtlinge in den Landkreisen Rosenheim und Passau.

Als am 5.September 2015 die deutsche Regierung mit Beteiligung von CSU-Ministern der Einreise von 8.000 in Ungarn festgehaltener Flüchtlinge zustimmte, verurteilte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Entscheidung als „völlig falsches Signal innerhalb Europas“.6

Seehofer kündigte Anfang Oktober 2015 an, neu ankommende Asylbewerber_innen direkt in andere Bundesländer weiterzuleiten: „Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands.“7

Wenige Stunden nach den Anschlägen von Paris stellte Markus Söder (CSU) mit dem Tweet „#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen“ völlig zusammenhanglos einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Terrorismus her. Dies erntete Kritik aus allen Fraktionen im Bundestag. Söder hielt dem entgegen: „Die deutsche Regierung muss zuvorderst an ihre eigenen Leute denken.“ Die Regierungsmitglieder hätten sich dazu verpflichtet, das deutsche Volk zu schützen: „Sie verpflichten sich nicht, dies für die ganze Welt zu tun.“ Seehofer stellte sich vor Söder und forderte: „Wir müssen uns umgehend wieder Klarheit verschaffen, wer in unser Land kommt, wer durch unser Land fährt und wer sich hier aufhält.“8

Horst Seehofer forderte in der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kategorisch eine Kurskorrektur: „Wie man es dreht und wendet, an einer Begrenzung, einer Obergrenze führt kein Weg vorbei“.1 Horst Seehofers Hauptforderungen in der Flüchtlingsdiskussion waren eine Obergrenze für Asylsuchende, Transitzonen an den Grenzen Bayerns, eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge sowie schnellere Vertreibung abgelehnter Asylsuchender. Nach jüngsten Meinungsumfragen sinkt die Beliebtheit der Kanzlerin in Bayern, während Seehofers Werte auf ein Rekordhoch gestiegen sind. Daraus schloss Seehofer: „Wir sind von dem Sinkflug (der Union) nicht erfasst. Die Basis denkt wie wir.“3

Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionsvorsitzende bemerkte im Bayerischen Landtag zu der rassistischen Agitation der CSU: „Wir brauchen einen politischen Diskurs, in dem auf geistige Brandstiftung verzichtet wird, da dies reale Feuerteufel nach sich zieht.”9

Die Zornedinger CSU-Ortschefin Sylvia Boher schrieb Mitte November im Partei-Mitteilungsblatt „Zorneding-Report“, Bayern werde derzeit von Flüchtlingen „überrannt“: „Das, was wir heute erleben, ist eine Invasion“. Migrant_innen aus Eritrea bezeichnete sie als Militärdienstflüchtlinge. Als der Pfarrgemeinderat diese Äußerungen missbilligte, bezeichnete der CSU-Ortsverbandsvize Johann Haindl den aus dem Kongo stammenden katholischen Pfarrer als „Neger“. Die oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) schloss auf öffentlichen Druck Parteiausschlussverfahren gegen die Zornedinger Parteispitze nicht aus. „Wir prüfen Ordnungsmaßnahmen — von der Rüge bis zur Amtsenthebung“, sagte sie.10

Im Jahre 2014 wurden offiziell 77 Übergriffe auf Flüchtlinge und 35 Brandanschläge auf deren Unterkünfte gezählt, diese Zahl wird vermutlich 2015 nochmal rasant ansteigen. Nach einem Brandanschlag in Franken stellte Heribert Prantl zu Recht fest: „Wer heute hetzerische Reden verharmlost, leistet Beihilfe zur Herstellung von Agitationscocktails. Und wer, wie 1992, von Wogen, Wellen und Massen von Flüchtlingen spricht, soll seine Hände nicht in Unschuld waschen.“11

Die Taktik der CSU besteht darin, mit rassistischen Aussagen den rechten Rand zu bedienen, um diese immer größer werdende Gruppe für die Koalition einzunehmen und der AfD, die bei Meinungsumfragen bei 8 Prozent liegt, das Wasser abzugraben. Flüchtlinge werden dabei als Gefahr dargestellt, anstatt die Fluchtursachen zu bekämpfen. Konkrete Fluchtursachen (Kriege, Gewalt, regionale Bürgerkriege aufgrund der westlichen Interventionen in den vergangenen Jahrzehnten, deutsche Waffenlieferungen) werden bewusst in der Debatte unterschlagen. Dass die eigentliche Gefahr der teilweise rassistische Umgang mit der Situation der Flüchtlinge und die dramatisch zunehmenden Anschläge auf Unterkünfte sowie die rechten Gewalttaten sind, ist nur ein Nebenschauplatz. Die Situation der Flüchtlinge wird gezielt von der CSU für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert.

In der tageszeitung (taz) stellte Tobias Schulze mit Recht fest: „Was schizophren wirkt, ist nichts anderes als die alte CSU-Strategie des Sowohl-als-auch: Einerseits erledigt sie ohne großes Aufheben ihren Job als Regierungspartei und sorgt dafür, dass Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben. Dazu passt auch, dass Bayern als einziges Bundesland die Unterbringungskosten der Kommunen übernimmt. Andererseits fischt die Staatsregierung mit Verbalrassismus am rechten Rand um Wählerstimmen und lässt so fleißig abschieben wie niemand sonst.12

Als nach dem 2. Weltkrieg Millionen Flüchtlinge aus dem Osten des ehemaligen Deutschen Reiches in die Bundesrepublik kamen, hetzte die CSU nicht gegen diese Gruppe. Dies lag vor allem an der Tatsache, dass diese  „Volksdeutsche“ waren und nicht „Ausländer“ wie 2015. 

Zum Autor:

Michael Lausberg, Dr. phil (Politikwissenschaften), studierte Pädagogik, Philosophie, Politikwissenschaften und Neuere Geschichte sowie den Aufbaustudiengang Interkulturelle Pädagogik an den Universitäten Aachen, Köln und Amsterdam. Seit 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und zudem als freier Publizist tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Theorie, extreme Rechte, Rassismus, Antiziganismus sowie Migration. Regelmäßige Veröffentlichungen im Migazin, in hagalil, Netz gegen Nazis, im DISS-Journal, bei Kritisch Lesen und in der Tabula Rasa.