Der verzögerte Aufstand: Auswirkungen des „Antifa-Sommers“ in Berlin-Lichtenberg
Die Antifa Hohenschönhausen wurde im Sommer 1999 von Schüler*innen und jungen Erwachsenen, die zum Teil bereits in anderen Antifa-Gruppen organisiert waren, im Ost-Berliner Bezirk Hohenschönhausen gegründet. Zunächst vorwiegend in Hohenschönhausen aktiv, erweiterte sich der lokale Aktionsraum im Laufe der Zeit auf den Großbezirk Lichtenberg, so dass die Antifa Hohenschönhausen die erste kontinuierlich arbeitende Antifa-Gruppe in Berlin-Lichtenberg wurde. Die Gruppe war dabei sowohl in zivilgesellschaftlichen Vernetzungen im Bezirk als auch in berlinweiten bzw. überregionalen, antifaschistischen Bündnissen aktiv. Neben klassischer Anti-Nazi-Arbeit erstreckte sich das Betätigungsfeld auch auf die erinnerungspolitische Arbeit und andere linke Politikfelder. Der „Aufstand der Anständigen“ 2000 fiel in die Gründungsphase der Antifa Hohenschönhausen.
2000 bis 2006 - Friedliche Koexistenz
Die Antifa-Bewegung war auch in der Zeit um 2000 überwiegend eine subkulturelle Jugendbewegung. Selten schafften Gruppen oder Strukturen eine Einbindung der Aktivist*innen über den individuellen Berufseinstieg hinaus. Diese Aktivist*innen bildeten den Pool von Expert*innen, der in den 2000er Jahren den kompetenten personellen Grundstock der zivilgesellschaftlichen Projekte stellte. Antifaschistisches know-how floss ab 2001 in zahlreiche Projekte des Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie“ mit dessen Teilprogrammen „Xenos“, „Entimon“ und „CIVITAS“ ein. Insbesondere die Mobilen Beratungsteams, die Opferberatungsstellen und die kommunalen Netzwerkstellen profitierten vom Engagement antifaschistischer Menschen. Bundesweit verlor dadurch die Antifa-Bewegung zahlreiche eigene Netzwerker*innen und Expert*innen. Durch diesen Braindrain ging der Antifa in vielen Gegenden ein wichtiges und zentrales Alleinstellungsmerkmal verloren: Das Wissen über konkrete extrem rechte Akteur*innen, deren Symbole und Strategie sowie neue Trends. Viele Jahre hatte die Antifa einen expliziten Wissensvorsprung durch gezielte Recherche in den verschiedensten Formen - auch gegenüber staatlichen (Sicherheits-)Behörden. Auch auf lokaler Ebene waren Antifa-Gruppen nicht mehr unentbehrlich, wenn sich z.B. in Kleinstädten Aktivitäten gegen Neonazis entwickelten. Ihr Wissensvorsprung konnte zum Teil durch die Expert*innen in den professionellen Strukturen aus den Bundesprogrammen überbrückt werden.
In Lichtenberg fand ein ähnlicher Wissenstransfer erst einige Jahre nach dem „Aufstand der Anständigen“ statt. Aufgrund der damals noch jungen Geschichte der Gruppe und dem Alter der Mitglieder – die meisten waren noch Schüler*innen oder kurz vor der Ausbildung – war an eine Abwanderung von Wissen in Form einer Tätigkeit in den neu entstandenen hauptamtlichen Strukturen nicht zu denken. Die Netzwerkstelle LICHT-BLICKE, die in Lichtenberg im Rahmen von „CIVITAS“ 2002 gegründet wurde, bauten Mitarbeiter*innen auf, die ihren professionellen Schwerpunkt vorher nicht im Bezirk hatten und sich infolgedessen in die lokalen, extrem rechten Strukturen einarbeiten mussten. Gleiches galt für die Berliner "Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus", die mit einem Team in Lichtenberg tätig war. Folglich konnte die Antifa Hohenschönhausen viele Jahre ihren Wissensvorsprung behaupten. Wollten die durch die Bundesprogramme geschaffenen neuen Strukturen Aktivitäten gegen Neonazis starten, kamen sie oft nicht an der Expertise der Antifa Hohenschönhausen vorbei.
Diese wurde insbesondere im Rahmen der Recherche-Reihe „Motiv.Rechts“ sichtbar. In den letzten 18 Jahren wurden eine kleine und zwei große Ausstellungen sowie vier Broschüren veröffentlicht. Die Ausstellungen wurden in Dutzenden Einrichtungen – darunter auch öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken, dem Jugendamt oder dem Rathaus – gezeigt. Grundsätzlich entstanden zwischen den Arbeitsfeldern der Netzwerkstelle und der Antifa bis 2007 kaum Überschneidungen. Während die Netzwerkstelle zentral freie Träger vernetzte und für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus sensibilisierte, bewegte sich die Antifa Hohenschönhausen eher in linken Bündnissen. Auch thematisch fand die Arbeit der Netzwerkstelle in anderen Feldern statt, die sich von der traditionellen Arbeit von Antifa-Gruppen zu stark unterschieden, als dass sie eine Konkurrenzsituation entstehen lassen konnte. So organisierte die Netzwerkstelle eine Selbsthilfeinitiative für Eltern und Angehörige mit extrem rechten Kindern oder es wurden Argumentationstrainings zur Prävention extrem rechten Gedankenguts für Lehrer*innen und Sozialpädagog*innen angeboten.
Einzig bei der erinnerungspolitischen Arbeit gab es in den ersten Jahren nach dem „Aufstand der Anständigen“ größere Schnittmengen, da die Netzwerkstelle die Verlegung der Stolpersteine in Lichtenberg koordinierte und die Antifa Hohenschönhausen starke Impulse in Bezug auf die Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder die Dokumentation des jüdischen Lebens im Bezirk vor und während des Nationalsozialismus setzte. Auch im Bereich der Organisation von Protesten gegen Neonaziaufmärsche war und blieb die Antifa im Bezirk zentrale Akteurin. Daran änderten die professionellen Strukturen, die im Rahmen der Bundesprogramme entstanden, nichts.
Grundsätzlich kann in den ersten Jahren nach dem „Aufstand der Anständigen“ bis etwa 2006 für Lichtenberg festgestellt werden, dass eine Abwanderung von Expert*innen oder Projekten aus Antifa-Stukturen nicht stattfand. Ganz im Gegenteil kam es im Bereich antifaschistischer Arbeit zu einem größeren Schub unabhängig der Förderprogramme. Neue antifaschistische Netzwerke und Bündnisse entstanden, die Qualität der Anti-Nazi-Mobilisierungen nahm zu und die Zahl der Angebote und Freiräume für linke Menschen stieg. Grundlegender waren die Veränderungen innerhalb der Berliner Antifa-Szene. Einige Gruppen lösten sich auf – darunter auch große Gruppen wie die "Antifaschistische Aktion Berlin" (2003). Neue Gruppen entstanden. Es kam – wie bundesweit – zu grundlegenden Organisations- und Strategiedebatten. Diese nahm die Antifa Hohenschönhausen zwar wahr, jedoch war die Dominanz der Neonazi-Szene zu dieser Zeit in Lichtenberg stark und eine antifaschistische Gegenwehr notwendig. So hatten diese Debatten keine weitreichenden Effekte auf die Gruppe. Zudem entstand 2001 mit der Kameradschaft Tor und deren konzeptionellen Ansatz der autonomen Nationalisten ein neuer Typus von extrem rechten Akteur*innen in Lichtenberg. Auch dort bedurfte es antifaschistischer Intervention.
2006 bis 2010 - Die professionalisierte Zivilgesellschaft formiert sich
Im Nachgang des „Aufstand der Anständigen“ wurde der Rahmen für eine bürgerliche Zivilgesellschaft neu gesteckt. Neben den sich überall neu konstituierenden „Bündnissen gegen rechts“, mancherorts, wie auch in Lichtenberg, mit Antifa-Beteiligung, entstanden Bundesprogramme mit Finanzierungsmöglichkeiten, um Aktivitäten vor Ort zu unterstützen. Da „CIVITAS“ und die anderen Bundesprogramme dieser Zeit noch von Bundesebene gesteuert wurden und eine kommunale Verortung der Projekte – abgesehen von den Netzwerkstellen – nicht zwingend vorgeschrieben war, war eine lokale Verwurzelung zum Teil sehr schwierig. Oft wussten weder die politischen Entscheidungsträger noch zivilgesellschaftliche Strukturen von diesen Projekten, die dann mit Bewilligung der Bundesebene in den Bezirk „einflogen“.
Mit dem Bundesprogramm „Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ von 2007 bis 2010 und dem dazugehörigen Förderinstrument der „Lokalen Aktionspläne“ (2007-2010) sowie den Folgeprogrammen änderte sich dies. Kommunen konnten sich bewerben und die Gelder verwalten und ausgeben. Dies geschah auch in Lichtenberg und Hohenschönhausen. Es entwickelte sich in den Fördergremien und zwischen den Vereinen und Einrichtungen, die gemeinsam Strategien gegen Rechts erarbeiteten und regelmäßig Gelder für Projekte abriefen, eine kontinuierliche Vernetzung. Sie stärkte die Zivilgesellschaft und veränderte das Klima im Bezirk stärker als je zuvor. Themen, die bisher nur von Antifa-Strukturen bearbeitet wurden, wie Neonazi-Aufmärsche, rechte Treffpunkte oder rassistische Übergriffe wurden nun breit diskutiert und gingen mit einer Positionierung des Bezirksamts einher. An den Protesten gegen den Neonazi-Aufmarsch für ein „nationales Jugendzentrum“ im Dezember 2008 im Bezirk wurde sichtbar, dass sich neben den Berliner Antifa-Strukturen eine gut organisierte, bezirkliche Zivilgesellschaft mit Protesten die Straße nahm.
Seit Anfang der 2000er entwickelten verschiedene Berliner Antifa-Gruppen – darunter auch die Antifa Hohenschönhausen – Chroniken, die neonazistische oder rassistische Aktivitäten sammelten. Ab 2005 übernahmen mehrere Netzwerkstellen das Konzept. So entstand das „Lichtenberger Register“, das parallel zur Chronik der Antifa Hohenschönhausen, extrem rechte Vorfälle im Bezirk sammelte. Hier wurde das Recherche-know-how von Antifaschist*innen genutzt, um diese Informationen für bezirkliche Gremien verwendbar zu machen. Anders als in Antifa-Chroniken wurden jedoch z.B. Namen von Neonazis ausgespart. Im Ergebnis ergab sich ein Zielkonflikt: Einerseits konnten gezielt Informationen mit einer größeren Reichweite gestreut werden. Andererseits wurden Teilbereiche antifaschistischer Arbeit überflüssig. Eine eigene Chronik weiterzuführen, erschien der Antifa Hohenschönhausen nicht mehr sinnvoll, da mit dem Lichtenberger Register eine klassische Doppelstruktur entstanden war.
Am schmerzlichsten traf die Antifa Hohenschönhausen der Prozess der Professionalisierung nach dem Einzug der NPD in die Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Jahr 2006. Dem Beispiel sächsischer Antifaschist*innen folgend, die bereits im Jahr 2004 eine Struktur zur Beobachtung von „Nazis in den Parlamenten“ (NiP) aufgebaut hatten, wurde in Berlin zusammen mit anderen Antifa-Strukturen das Bündnis „NiP Berlin“ gegründet. Zentrale Aufgabe dieser Strukturen war die Beobachtung und Analyse der NPD und der „Republikaner“ in den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen. Antifaschist*innen besuchten in Lichtenberg, Neukölln, Treptow-Köpenick und Pankow die monatlichen BVV-Sitzungen und werteten auf einer gemeinsamen Webseite die parlamentarischen Aktivitäten und Strategien der Neonazis aus. Die Arbeit wurde nach dem ersten Jahr in einer Broschüre zusammengefasst. Ab 2007 finanzierte der Berliner Senat das Projekt „Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins – Dokumentation und Analyse“ vom Träger „Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V.“ (VDK). Es folgte die absurde Situation, dass Antifaschist*innen ehrenamtlich neben bezahlten Personen saßen, die dasselbe Ziel der Beobachtung hatten. Diese hatten zudem zusätzliche Arbeitszeit, um noch stärker die Strategien der Neonazis in den Parlamenten zu analysieren und Mitglieder demokratischer Parteien zu beraten. Die Einsicht, dass die eigene knappe und vor allem neben Schule/Studium/Beruf ehrenamtlich eingesetzte Zeit für andere politische Projekte – aufgrund der entstandenen Doppelstruktur – sinnvoller genutzt wäre, führte 2009 zur Einstellung von NiP Berlin.
Eine ähnliche Professionalisierung fand bei Projekten wie der Mobilisierungsplattform „Berlin gegen Nazis“ statt, die seit 2014 existiert. Während sich die öffentliche Sichtbarkeit für Anti-Nazi-Proteste erweiterte, wurden gleichzeitig linksradikale Positionen unsichtbarer.
Die professionellen Akteur*innen hatten den Vorteil, dass die Finanzierung eine kontinuierliche Existenz von Projekten sicherstellte, während die Antifa Hohenschönhausen mit den Herausforderungen einer lokalen, ehrenamtlichen Struktur mit Fluktuation und zeitlicher Überlastung zu kämpfen hatte. Die Übernahme von Antifa-Projekten wie der Chronik, „Nazis in den Parlamenten“ oder zentralen Mobilisierungen gegen Neonazi-Aktivitäten, führte zwar zu dem positiven Effekt einer erhöhten Reichweite antifaschistischer Themen, jedoch auch zu einer Verdrängung von radikaler Gesellschaftskritik aus dem öffentlichen Diskurs, teilweise zu Konkurrenzsituationen und Frust von Antifa-Aktivist*innen.
2010 bis heute – Hausgemachte Probleme?
Auch wenn die Auswirkungen des „Aufstand der Anständigen“ des Jahres 2000 immer noch wahrzunehmen sind, haben die heutigen Defizite der linksradikalen Antifa-Bewegung aus Sicht der Antifa Hohenschönhausen zu vielen Teilen wenig damit zu tun. Bestehende Konflikte und Strategieprobleme spitzten sich nach dem „Aufstand der Anständigen“ zu. Es kam zu Spaltungen auch unabhängig von diesen gesellschaftlichen Entwicklungen.
Zudem veränderte sich die politische Landschaft der extremen Rechten in Berlin. Neonazis wie z.B. die NPD scheinen heute isolierter und handlungsunfähiger denn je. Zentraler sind „neue“ Akteur*innen der extremen Rechten wie die AfD, die in den Parlamenten sitzt, darüber finanzielle und personelle Ressourcen erhält, politische Diskurse beeinflusst sowie einen höheren gesellschaftlichen Rückhalt als z.B. die NPD hat. Der klassischen Antifa-Bewegung fehlen heute mehr denn je die Antworten auf den Rechtsruck und Populismus in Deutschland und Europa. Tradierte Handlungskonzepte und Aktionsformen funktionieren nicht mehr.
Weiterhin veränderte sich die individuelle Betroffenheit der Aktivist*innen in den letzten Jahrzehnten. Gewalterfahrungen mit Neonazis gehörten in der Zeit, in der der „Aufstand der Anständigen“ von staatlicher Seite ausgerufen wurde, zu den Gründungsgeschichten vieler Antifa-Gruppen. Antifa war für viele Menschen auch ein zentrales Politikfeld, weil eine direkte und persönliche Notwendigkeit der Gegenwehr bestand. Die Notwendigkeit aus dieser Motivation heraus klassische Antifa-Gruppen zu gründen, schwand in den letzten Jahren zunehmend. Viele Aktivist*innen engagieren sich heute in anderen linken Politikfeldern: Mieter*innenproteste, Klimastreiks, Geflüchtetensupport und Feminismus. Diese linken (Teil-)Bewegungen scheinen heute wirkmächtiger und mobilisierungsfähiger als die Antifa-Bewegung.
Darüber hinaus hatte und hat die klassische Antifa-Bewegung kaum Antworten auf veränderte Lebensrealitäten ihrer Aktivitist*innen. Bereits der Übergang von Ausbildung bzw. Studium ins Berufsleben stellt für die meisten Genoss*innen eine hohe Hürde für die weitere politische Arbeit dar und führt oft zu einem Rückzug aus der Strukturen oder ins Private. Noch gravierender sind die Unwägbarkeiten für Genoss*innen mit Kindern. Die Antifa verharrt damit im Stadium einer Jugendbewegung, solange keine organisatorischen Angebote für verschiedene Lebensabschnitte angeboten oder gemeinsam entwickelt werden.
Ebenso prägt aus Sicht der Antifa Hohenschönhausen der Trend zur Individualisierung als ein dominierender gesellschaftlicher Trend des jungen 21. Jahrhundert die Antifa-Bewegung. Die Fähigkeit, sich kontinuierlich längerfristig zu organisieren, scheint seit der Jahrtausendwende in der Antifa-Bewegung abzunehmen. Viele Gruppen zerfallen nach wenigen Jahren, wenn sie überhaupt so lange existent sind. Mitglieder verlassen Gruppenzusammenhänge schneller. Lose Netzwerke oder Organisationsansätze werden zunehmend dominant. Ein Wissenstransfer über erfolgreiche Aktionsformen findet selten statt.
Fazit
Die gesellschaftlichen Entwicklungen aus dem Jahr 2000, die unter dem Namen „Aufstand der Anständigen“ in die bundesdeutsche Geschichte eingegangen sind, prägen noch immer die Auseinandersetzung mit der extremen Rechten in Berlin. In vielen Bezirken arbeiten auch weiterhin die Bundesprogramme. Mit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, der Opferberatung „ReachOut“ und den Netzwerkstellen in den Bezirken existieren auch weiterhin Strukturen, die damals geschaffen wurden. Ebenso gibt es auch in den Bezirken und im Land Berlin eine aktive Zivilgesellschaft.
Die linke Zeitung „analyse & kritik“ fasste 2001 die Wechselwirkung zwischen dem „Aufstand der Anständigen“ und der bundesdeutschen Antifa-Bewegung zusammen: „[…] [D]azu zeigt sich auch die autonome antifaschistische Bewegung in einem desolaten Zustand. […] Ihre momentane politische Schwäche wurde ausgerechnet im ‚Antifa-Sommer‘ 2000 offenkundig, als die bürgerliche Öffentlichkeit endlich der Gefahr von rechts genügend Aufmerksamkeit widmete und die linksradikalen, antifaschistischen Kräfte sich als unfähig erwiesen, das unverhoffte Medieninteresse für eigene politische Akzente zu nutzen.“1 Diese Einschätzung mag vielleicht für die Bundesrepublik stimmen, allerdings kann dieses Bild nicht für Berlin gezeichnet werden. Auch wenn Großgruppen wie die AAB in dieser Zeit strauchelten, entstand aufgrund der notwendigen Gegenwehr gegen extrem rechte Strukturen in dieser Zeit eine Vielzahl von bezirklichen Antifa-Gruppen. Diese setzten noch mindestens zehn Jahre danach starke Impulse in Bezug auf Aktivitäten und Netzwerke. Daran hinderlich war auch nicht der Übergang von einzelnen Aktivist*innen oder Projekten in professionelle hauptamtliche Strukturen. Der heutige desolate Zustand der Antifa ist letztlich bewegungsimmanent und nicht das Ergebnis des „Aufstand der Anständigen“.
(Autor*innen: Die Antifa Hohenschönhausen macht seit mehr als 20 Jahren linke Politik in Berlin. Eine ausführliche Auswertungs-Broschüre der letzten 20 Jahre erscheint im Sommer dieses Jahres. Diese sowie alle vergangenen Publikationen lassen sich auf ah.antifa.de nachlesen.)
- 1ak – analyse & kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 449 / 12.4.2001; Artikel: „Antifa heißt Kontakt aufnehmen!“