Neonazi Keller-Konferenz in Wien
"Stoppt die Rechten" (Wien) (Gastbeitrag)Auf Einladung vom deutschen „Der III. Weg“ und von österreichischen Neonazis fand im Oktober 2023 ein „Gerd-Honsik-Europa-Kongress“ in Wien als ein Treffen von europäischen Holocaustleugnern statt.
Drei Tage lang kamen hier Neonazis u.a. aus Frankreich, Schweiz, Italien (Casa Pound), Ungarn und Schweden (Nordic Resistance Movement) zusammen. Auf dem „Kongress“ sprachen unter anderem Davide Brancaglion, Fredrik Vejdeland und Pierre Krebs.
Ursprünglich sollte der Kongress in Sopron (Ungarn) stattfinden, wo der Holocaustleugner Gerd Honsik im Jahr 2018 gestorben war. Ungarn gilt in der europäischen Neonazi-Szene nicht ganz zu Unrecht als „safe-space“ für Holocaustleugner und andere Hardcore-Neonazis. Gerd Honsik folgte 2016 dem Trend der extremen Rechten und verlegte sein Neonaziheft „HALT“ an die österreichisch-ungarische Grenze nach Sopron, wo die extrem rechte „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP) im Jahr 2015 ihre jährliche „Politische Akademie“ abgehalten hatte. Dieser Ort sei „ganz bewußt“ gewählt worden, „Zusammenkünfte volkstreuer Menschen“ seien dort nicht Angriffen einer kritischen Presse ausgesetzt.1
Austragungsort des Honsik-Kongresses war dann allerdings ein Kellergewölbe des Bierlokals „Centimeter“ in Wien. Auf Nachfrage von „Zeit-Online“ will der Betreiber der Lokalkette, Heinz Pollischansky, an besagtem Wochenende „nichts Auffälliges“ beobachtet haben.2
Gerd Honsik war über Jahrzehnte eine zentrale Figur der extremen Rechten in Österreich - er beteiligte sich an terroristischen Anschlägen, war Herausgeber der NS-Zeitschrift „HALT“, in diversen Parteien und Organisationen aktiv und ein bekannter Holocaustleugner. In seinem Buch „Freispruch für Hitler? 37 ungehörte Zeugen wider die Gaskammer“ druckte er ein Interview mit dem in Syrien untergetauchten NS-Kriegsverbrecher Alois Brunner ab. In der Neonazi-Szene gilt Honsik als eine Art Säulenheiliger, die Bewunderung ist offenbar so groß, dass österreichische Neonazis sie gemeinsam mit italienischen Neofaschisten durchführen und das strittige Thema „Südtirol” ausklammerten. Eine (un)politische Glanzleistung, denn im sogenannten Südtiroler Freiheitskampf der 1960er-Jahre war Honsik eine Größe, die unter anderem Brandbomben gegen die italienische Botschaft in Wien warf. Was als anti-italienischer „Befreiungskrieg“ mit Anschlägen gegen Strommasten begann, endete mit über 30 Toten.
"Alte Kameraden"
Über Monate trommelten diverse Neonazi-Gruppierungen aus Österreich und Deutschland für das Treffen in Ungarn, Dort regte sich allerdings antifaschistischer Widerstand. Das Nachrichtenportal „Mérce“ konfrontierte den Fidesz-Bürgermeister und auch die lokale Polizei mit dem Neonazi-Kongress. Der Bürgermeister antworte zwar „Mérce“ nicht, distanzierte sich jedoch in einer öffentlichen Erklärung.
Die Polizei schrieb in ihrem Statement: „Die Polizei wird, wenn nötig, entschlossen und unumstritten gegen extremistische Äußerungen vorgehen, wobei die Schwere der Straftat zu berücksichtigen ist“.3
Die Partei „Momentum“ in Sopron kündigte an, eine Gegendemonstration vor dem Hotel, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte. Wiener Antifaschist_innen bilanzierten: „Sopron ist eine Stunde von Wien entfernt (...) Allein die große Anzahl an Neonazis, welche den Protest in Sopron im Visier hatten und permanent versuchten zu provozieren oder (erfolglose) Angriffe starteten, zeigt, dass es ihnen ein Dorn im Auge war, dass wir in der Stadt waren. (...) Neben der antifaschistischen Demonstration, organisiert von der European Left und der ungarischen Arbeiter*innenpartei, gab es auch eine bürgerliche Protestkundgebung am Shoa-Mahnmal (...) Unser besonderer Dank gilt allen mutigen Antifaschist*innen aus Sopron und Ungarn, mit denen wir am 7. Oktober auf der Straße waren“.4
Angekündigt wurde der Neonazi-Kongress bereits Anfang 2023 über die neonazistische Partei „Der III. Weg“. Auch der Kartenverkauf – 25 Euro pro Teilnehmer – lief über die Partei. Die Bekanntgabe des Veranstaltungsorts sowie das genaue Line-up würden via Mail vom neonazistischen Blog „SFN” nach der Anmeldung bekanntgegeben, hieß es im Ankündigungstext. Geboten würden Vorträge von Vertretern „der Partei ‚Der III. Weg‘ (BRD), der ‚Nordischen Widerstandsbewegung‘ (Skandinavien), „Casa Pound” (Italien) sowie ein wesentlicher Vordenker der Nouvelle droite/Neuen Kultur“.
Maßgeblich organisiert wurde der braune Auflauf von der alten VAPO5 - und „Alpen-Donau“6 -Garde: Die hatte nach Honsiks Tod im April 2018 das Anwesen in Sopron übernommen. Geerbt hatte Honsiks Besitz dessen Tochter, die an den Honsik-Adoranten-Klub rund um Gottfried Küssel verkauft hat, wie „Stoppt die Rechten” in Erfahrung bringen konnte.
2022 postete der neonazistische „Infokanal Deutschösterreich” das Foto eines Kranzes der „Ferialverbindung Imperia” (Wien), der Nachfolgeverbindung von Küssels „Reich”7 , auf dem Grab von Honsik in Niederösterreich. Sitz von „Reich“ war eine Immobilie, in der Küssel mehrere Wohnungen besitzt und sich ehemalige VAPO-Kameraden die Klinke in die Hand gaben. Nachdem die Ferialverbindung „Reich“ aufgelöst wurde, folgte die „Imperia“; auch die bei „Imperia“ tätigen Personen kommen aus dem Dunstkreis der früheren VAPO.8
Es ist davon auszugehen, dass der Honsik-Vernetzungskongress aus diesem Umkreis organisiert wurde.9
Der „Standard“ nennt als Organisator_innenkreis konkret eine Gruppe von Neonazis aus Wien und der Steiermark, die im Umfeld der mittlerweile eingestellten neonazistischen Webseite „Alpen-Donau-Info“ aktiv waren und nun unter Namen wie „Sozialismus jetzt“, „Unwiderstehlich“ oder „Infokanal Deutschösterreich“ agieren. Der harte Kern der Aktivisten und Aktivistinnen sei oft dort zu finden, wo auch der Neonazi Gottfried Küssel zu finden ist: bei Corona-Demonstrationen oder bei Gedenkveranstaltungen für den NS-Flieger Walter Nowotny.10
Im selben Kellerraum, in dem im Oktober der „Erinnerungskongress“ stattgefunden hat, gibt es auch eine monatliche Veranstaltungsreihe, die von einer „Akademie des Widerstandes“ organisiert wird. Beim Besuch des Lokalblatts „Unser Währing“ bei einer der Veranstaltungen war der Moderator und Gastgeber des Abends Gottfried Küssel. Die Veranstaltungsreihe soll laut internen Ankündigungen auch weiter im "Centimeter" stattfinden.11
- 1doew.at, „Olympia“, „Blood & Honour“ und die österreichisch-ungarische Achse. Neues von ganz rechts. April 2016
- 2zeit.de, Christof Mackinger, Rechtsextremisten: Nazitreff im Bierkeller. 25. Oktober 2023
- 3merce.hu, Csengel Karina, Tüntetést szerveznek a soproni neonáci konferencia ellen. 26. September 2023
- 4de.indymedia.org, Gruppe für organisierten Antifaschismus, Neonazitreffen mitten in Wien, antifaschistischer Protest in Ungarn. 30. Oktober 2023
- 5VAPO stand für "Volkstreue Außerparlamentarische Opposition"
- 6Der Kreis um die ehem. Neonazi-Homepage "alpen-donau.info"
- 7"Wiener Akademische Ferialverbindung Reich"
- 8Vereinsregisterauszug „Ferialverbindung Imperia“: Lucas Tuma als „Imperator” und Michael Tuma als „Konsul” (abgerufen am 28.11.2023) und Vereinsregisterauszug zu „Wiener Akademische Ferialverbindung Reich“: Vorsitzender Lucas Tuma (abgerufen 10.11.2010)
- 9stopptdierechten.at, Neonazi-Treffen im ungarischen Sopron. 30. September 2023
- 10derstandard.at, Markus Sulzbacher, „Gerd Honsik“-Kongress: Neonazis bauen internationale Kontakte aus, 5. Mai 2023
- 11unser-waehring.at, Rechtsextremen-Treffen in Währinger Centimeter, 21. November 2023