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„Division Wien“ - junge Neonazis in alten Netzwerken

Österreich Rechtsaussen
Division Wien Nazis
(Fotos: Screenshots Instagram via Standard)

Anhänger der „Division Wien“ inszenieren sich in den sozialen Medien in szenetypischer Pose. Das zentrale Foto dürfte im Zusammenhang mit einem Übergriff im Rahmen der Causa „Pedo Hunting“ entstanden sein – entweder unmittelbar davor oder danach.

Seit 2024 ist – wie bereits in Deutschland vielfach dokumentiert – auch in Österreich die Entstehung einer extrem rechten Jugendkultur zu beobachten, die sich an der Ästhetik der Neonazi-Skinheads der 1990er-Jahre orientiert. Diese jugendkulturellen Formationen inszenieren sich nicht nur stilistisch durch den Rückgriff auf frühere Codes der extremen Rechten, sondern reproduzieren auch deren gewaltzentrierte Männlichkeitsbilder. Gemeinschaft stiftet sich hier weniger über ideologische Geschlossenheit als über geteilte Affekte, symbolische Abgrenzung und das kollektive Erleben von Gewaltausübung. In diesem Zusammenhang kam es zur Herausbildung kleiner, teils lose organisierter Gruppen, die unter Namen wie „Defend Austria“, „Division Wien“, „Rechte Faust Oberösterreich“ oder „Rechte Österreichische Jugend“ auftreten und sich inzwischen nicht mehr nur über soziale Medien martialisch inszenieren, sondern zunehmend auch im öffentlichen Raum in Erscheinung treten – etwa bei Demonstrationen der „Identitären Bewegung“, bei Wahlkampfveranstaltungen der FPÖ, am Rande linker und queerer Veranstaltungen oder bei – im Szenejargon zynisch als „Spaziergänge“ bezeichneten – informellen Treffen an belebten Orten, bei denen gezielt nach mutmaßlichen politischen Gegner*innen gesucht wird, um diese einzuschüchtern oder körperlich anzugreifen.

In diesem Zusammenhang hat sich insbesondere die seit Dezember 2024 in Erscheinung getretene Neonazi-Gruppierung „Division Wien“ hervorgetan, die – im Unterschied zu anderen Gruppierungen – über enge Verbindungen zu langjährig etablierten Neonazi-Strukturen verfügt und von diesen teils explizit als Nachwuchsorganisation gehandhabt wird. Zuletzt geriet die Gruppe in den medialen Fokus, da ein Führungskader sowie weitere extrem rechte Aktivisten aus dem Umfeld der Gruppe in die im Frühjahr 2025 bekannt gewordene ‚Pedo-Hunting-Causa‘ involviert waren: Unter dem Vorwand des ‚Kinderschutzes‘ wurden mithilfe gefälschter Profile auf Dating-Apps überwiegend homosexuelle Männer kontaktiert, gezielt an abgelegene Orte gelockt und dort vor laufender Kamera erniedrigt, ausgeraubt und schwerstens misshandelt. Auch wenn das geplante Vorgehen und das Ausmaß der Gewalt eine neue Eskalationsstufe markierten, reiht sich der Vorfall in eine Serie extrem rechter Gewalttaten ein, die in den vergangenen Monaten maßgeblich von Aktivisten der ‚Division Wien‘ ausgingen.

Subkulturelle Ursprünge und erste Formierungsprozesse der "Division Wien"

Bei der „Division Wien“ handelt es sich um eine Gruppierung überwiegend junger Männer, die bislang nicht in einschlägigen Neonazi-Strukturen in Erscheinung getreten sind. Die Zusammensetzung und Dynamik der Gruppe weist typische Merkmale eines erlebnis- und gewaltorientierten Milieus auf: ideologisch zunächst diffus, jedoch affektiv anschlussfähig an autoritäre bis faschistische Orientierungen. Zentrale identitätsstiftende Elemente sind weniger ein kohärentes Weltbild als geteilte Erfahrungen in männlich konnotierten Sozialräumen wie organisierten Fußballfanszenen, Online-Subkulturen und informellen Peer-Gruppen. In diesen Kontexten werden Zugehörigkeit, Abgrenzung und physische Konfrontation performativ inszeniert und kollektiv aufgeladen. 

Nach bisherigem Kenntnisstand stammen einige Mitglieder aus organisierten Fanszenen der beiden großen Wiener Fußballvereine (FK Austria Wien und SK Rapid). Andere lernten sich mutmaßlich über soziale Medien kennen, stammen aus demselben Freundes- und Bekanntenkreis oder knüpften über die – mittlerweile aufgelöste – Gruppe „Defend Austria“ Kontakte, in deren Umfeld sich manche von ihnen für kurze Zeit aufhielten.

Seit ihrem ersten öffentlichen Auftreten unter dem aktuellen Namen im Dezember 2024 hat sich die "Division Wien" mit bemerkenswerter Dynamik entwickelt. Seither ist sie bei nahezu allen relevanten (extrem) rechten Veranstaltungen präsent, verbreitet in hoher Frequenz neonazistische Sticker und Graffiti im öffentlichen Raum, organisiert interne Kampfsporttrainings und fällt durch gewalttätige Übergriffe auf. Als eigenständig mobilisierende Kraft – etwa durch eigene Kundgebungen oder Demonstrationen – ist die Gruppe bislang jedoch nicht in Erscheinung getreten. 

Im Vordergrund steht derzeit offenkundig das Bemühen, durch Provokation, Einschüchterung und physische Gewalt ein Klima der Angst im öffentlichen Raum zu erzeugen. Dabei inszeniert sich die Division Wien unter Rückgriff auf kriegerische Männlichkeitsbilder als vermeintliche „Nachbarschaftswache“, die vorgibt, Wiens Straßen von „Genderwahn“ und linker Raumnahme zu befreien. In diesem Kontext ziehen regelmäßig Kleingruppen durch verschiedene Stadtteile, um gezielt Personen zu attackieren, die sie als Feindbilder markieren. Zahlreiche dokumentierte Übergriffe belegen die hohe Gewaltbereitschaft der Gruppierung – wobei davon auszugehen ist, dass nur ein Teil der tatsächlichen Vorfälle öffentlich bekannt geworden ist. Beispielhaft dafür stehen mehrere Vorfälle aus den vergangenen Monaten: Nach einer Pro-FPÖ-Kundgebung am 30. November 2024 kam es in der Wiener Leopoldstadt zu einem Übergriff durch Aktivisten der „Division Wien“ und der „Tanzbrigade Wien“ auf einen chassidischen Juden, dem unter anderem der Schtreimel entrissen und in eine Mülltonne geworfen wurde. Ende November 2024 stürmten Anhänger der Gruppe das queerfeministische "Villa Vida-Café" in der "Türkis Rosa Lila Villa", bedrohten anwesende Personen und hinterließen Sticker mit der Aufschrift „Rechte Jugend Voran“. Am 28. Dezember 2024 verprügelten rund zehn Mitglieder in der Josefstadt eine Person, die sie als „links“ identifizierten. Den Angriff filmten sie, verfremdeten das Material und veröffentlichten es anschließend über eigene Instagram-Kanäle. Am 21. Februar 2025 attackierten Aktivisten der „Division Wien“ schließlich wahllos Passantinnen am Nestroyplatz, schlugen mehrere Personen zu Boden und traten auf sie ein – mutmaßlich, weil sie diese für Antifa-Aktivist*innen hielten. Diese exemplarischen Fälle verweisen auf ein hohes Maß an gezielter Gewaltbereitschaft – zugleich stellen sie nur einen kleinen Ausschnitt jener Übergriffe dar, die der Gruppierung aktuell zugerechnet werden müssen.

Queerfeindliche Gewalt im Gewand des Kinderschutzes

Propagandistische wie aktivistische Anleihen dürften sich die Gründer der „Division Wien“ auch in Deutschland gesucht haben: Zumindest online bestehen Verbindungen zu Akteuren der „Deutschen Jugend Voran“ (DJV) und des „Störtrupp“. Gegenseitig bestärkt man sich in der vermeintlichen Radikalität des politischen Ausdrucks und inszeniert sich als militanter Vortrupp im Kampf um das „Vaterland”. Ein zentraler Anknüpfungspunkt dürfte die offen queerfeindliche Agitation deutscher Gruppen gegen CSD-Veranstaltungen gewesen sein – ein Themenfeld, das eng mit verschwörungsideologischer Rhetorik verknüpft ist, insbesondere mit der Erzählung einer angeblich pädophilen Agenda queerer und homosexueller Personen. 

Ein Blick auf die Social-Media-Profile der „Division Wien“ zeigt, dass zahlreiche Akteure sich explizit als sogenannte „Pedo Hunter“ inszenieren. Diese Selbststilisierung folgt einem klar codierten Narrativ: Man positioniert sich als moralisch überlegene Schutzinstanz, die vorgibt, Kinder vor sexueller Gewalt zu bewahren – und verknüpft dieses Narrativ systematisch mit queerfeindlicher Hetze. Visuell bedient sich die Szene dabei international etablierter Codes: Besonders auffällig ist eine Handgeste, bei der eine geballte Faust mit abgewinkeltem Daumen nach unten gezeigt wird.

Die homophobe und queerfeindliche Ausrichtung der „Division Wien“ dürfte in Österreich rasch ein eigenständiges und besonders gewaltförmiges Ausmaß angenommen haben. Wie bereits eingangs erwähnt, waren Mitglieder der Gruppe klandestin in sogenannten „Pedo-Hunting“-Strukturen aktiv, die sich primär über Telegram organisierten und Plattformen wie Instagram und insbesondere TikTok als Rekrutierungsumfeld nutzten. In lose und weitgehend dezentral agierenden Gruppen wurde unter dem Vorwand des „Kinderschutzes“ gezielt Jagd auf vermeintliche Sexualstraftäter in ganz Österreich gemacht – tatsächlich richteten sich die Übergriffe jedoch in der Mehrzahl der Fälle gegen homosexuelle Männer. Diese wurden über Dating-Apps an abgelegene Orte gelockt, dort erniedrigt, zum Teil schwer misshandelt und mitunter auch ausgeraubt. 

Nach derzeitigem Wissensstand scheinen vier männliche Personen, die der „Division Wien“ zuzurechnen sind – darunter der als Kopf der Gruppe agierende N. – sowohl in den einschlägigen Telegram-Gruppen als auch an konkreten Gewaltverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Während weiterhin unklar ist, an wie vielen Tathergängen Mitglieder der "Division Wien" tatsächlich partizipierten, lässt sich ein Bekenntnisvideo der Tätergruppe eindeutig zuordnen: Auch dieses dokumentiert menschenverachtende Szenen sowie schwerste psychische und physische Gewalt. Alle vier Personen befinden sich aktuell in Untersuchungshaft, was möglicherweise auf die Schwere der zur Last gelegten Taten zurückzuführen ist.

Dass die „Pedo-Hunting“-Ideologie keineswegs eine randständige Position innerhalb der ideologischen Matrix der "Division Wien" darstellt, zeigen die fortlaufenden Online-Aktivitäten weiterer Aktivisten – und dies trotz laufender Ermittlungen und drohender Repression. Nach wie vor wird sich affirmativ auf das „Pedo-Hunting“-Phänomen bezogen und öffentlich Solidarität mit den inhaftierten Tätern bekundet.

Immer wieder kursieren auf einschlägigen Kanälen Bildmontagen oder Screenshots, die wahllos Männer zeigen, bei denen es sich angeblich um Pädophile handle – mit dem impliziten Aufruf, diese auszuforschen und ihnen eine „gerechte Strafe“ zukommen zu lassen. Den Erzählungen zufolge handle es sich bei den aktuell inhaftierten Tätern nicht um Kriminelle, sondern um „Patrioten“, die Österreich vor pädophilen „Kinderschändern“ hätten schützen wollen. Die Strafverfolgung wird in dieser Logik als staatliche Komplizenschaft mit dem vermeintlichen Tätermilieu gedeutet – ein Narrativ, das verschwörungsideologische Grundmuster bedient und zur weiteren Radikalisierung beiträgt.

Vernetzung in bestehende Neonazi-Strukturen

Ein zentraler Aspekt in der Entwicklung der „Division Wien“ betrifft ihre frühzeitige Anbindung an das bereits etablierte neonazistische Milieu in Österreich. Von besonderer Bedeutung ist dabei die zeitliche Einordnung dieser Vernetzungen: Bereits vor der öffentlichen Formierung der Gruppe lassen sich Kontakte zwischen späteren Akteuren der „Division Wien“ und langjährig aktiven Neonazis in Wien nachweisen.

Im Sommer 2024 traten zentrale Exponenten der späteren „Division Wien“ gemeinsam mit einschlägig bekannten Neonazi-Akteur*innen auf, von denen einige seit Jahrzehnten in der österreichischen Szene verankert sind. In der Folge kam es zu einer schrittweisen Intensivierung der Beziehungen: Gemeinsame Besuche von Fußballspielen, Rechtsrockkonzerten und neonazistischen Szeneveranstaltungen markieren seither eine neue Form der Kollaboration zwischen etablierten Kadern und jüngeren, erlebnisorientierten Neonazis. Diese zunehmende Verzahnung manifestiert sich nicht nur in gemeinsamen Auftritten, sondern auch in einer Erweiterung des Aktionsrepertoires der Gruppen insgesamt.

Eine zentrale Rolle in der Vernetzung zwischen jüngeren und etablierten Neonazi-Akteuren spielt die bereits erwähnte Gruppierung „Tanzbrigade Wien“ – insbesondere deren Akteur Bernhard B., der als einer der aktivsten transnationalen Netzwerker der österreichischen Neonazi-Szene gilt. Unter dem Label „Wien on Tour“ besuchen Kader der „Division Wien“ und der „Tanzbrigade Wien“ regelmäßig ultra-rechte Fußball-Fangruppen in Zentral- und Osteuropa und knüpfen vor Ort Kontakte zu lokalen Strukturen des extrem rechten Spektrums. Besonders auffällig ist dabei die enge Verbindung zur organisierten Fanszene von "AC Sparta Praha": In deren Kurve wird „Wien on Tour“ mittlerweile als eigenständige Fangruppierung wahrgenommen, deren Banner regelmäßig bei Heim- und Auswärtsspielen neben etablierter Fangruppierungen hängt. 

Bernhard B. dürfte gemeinsam mit einem weiteren, als extrem gewaltbereit bekannten Aktivist der „Tanzbrigade Wien“ – Matej K. – Kontakte ins sogenannte Acker-Milieu von Sparta Prag aufgebaut haben. Dort war nach aktuellem Kenntnisstand auch der inzwischen im Kontext der „Pedo-Hunting“-Taten inhaftierte Aktivist N. aktiv: Er soll mehrfach an sogenannten „Ackerkämpfen“ für Sparta teilgenommen haben.

Doch die Vernetzung der „Division Wien“ beschränkt sich nicht auf gewalt- und erlebnisorientierte Fanszenen. Anfang 2025 reisten Bernhard B. und mehrere Aktivisten der Gruppe nach Dortmund, wo sie den Gewalttäter, Antisemiten und mehrfach polizeibekannten Kleinkriminellen Serkan B. besuchten. Gemeinsam verbrachte man einen Tag, posierte für martialisch inszenierte Fotos und verbreitete diese über soziale Medien. Serkan B. gilt als extrem gewaltbereit und war zeitweise gemeinsam mit Dortmunder Neonazis an zahlreichen gewalttätigen Überfällen im Umfeld des Unionsviertels beteiligt. Zu den dokumentierten Taten zählt unter anderem der Überfall auf ein linkes Hausprojekt, bei dem Bewohner*innen körperlich attackiert und eine Person mit einer Schusswaffe bedroht wurde. 

Wir sehen hier exemplarisch, wie etablierte Kader jüngere Akteure der "Division Wien" nicht nur in ihre Netzwerke einbinden, sondern ihnen über gemeinsame Aktivitäten eine rechte Erlebniskultur anbieten, die ideologische Orientierung mit gewaltförmiger Praxis und gruppenbezogener Aufwertung verbindet. Über die transnationalen Vernetzungsversuche der „Tanzbrigade Wien“ hinaus zeigen auch weitere etablierte Neonazi-Akteure ein gesteigertes Interesse an der „Division Wien“. Bei einer Demonstration der „Identitären Bewegung“ in Wien – wenige Tage nach einen Terror-Anschlag in Villach im Frühjahr 2025 – trat die Gruppe gemeinsam mit dem ehemaligen VAPO-Kader Richard F. auf, einem langjährigen Vertrauten Gottfried Küssels, der bereits in den 1990er-Jahren mutmaßlich in die illegale Verschiebung von Militärmaterial involviert gewesen sein soll. Kurz darauf wurde ein weiterer Szeneveteran im Umfeld der „Division Wien“ aktiv: Harald E., der bereits in den 1980er-Jahren in der von Gerd Honsik initiierten „Ausländer-Halt-Bewegung“ organisiert war und später im Zuge der Ermittlungen zum rechtsterroristischen Südtirol-Komplex angeklagt wurde. Gemeinsam
nahmen die genannten Akteure an der von der tschechischen Neonazi-Vereinigung „Nacionalisté“ organisierten Kampfsportveranstaltung „Virtus et Honor IV“ teil – einem Event, bei dem auch Braunauer Neonazis mit guten Kontakten zu Alexander Deptolla sowie mehrere einschlägig bekannte Akteure der früheren „alpen-donau.info“-Plattform anwesend waren.

Kurz darauf reiste Richard F. Mitte April 2025 gemeinsam mit Vertretern der „Tanzbrigade Wien“ und der „Division Wien“ ins ungarische Győr, um an einem von der „Légió Hungária“ organisierten Trauermarsch teilzunehmen. Anlass der Veranstaltung war das Gedenken an die Opfer des sogenannten „Bombenterrors“ der Alliierten im Jahr 1944. Neben der „Légió Hungária“ waren auch Akteure der „Betyársereg“ und der Partei „Mi Hazánk Mozgalom“ an der Organisation beteiligt. Bereits Anfang Februar war Bernhard B. zusammen mit mehreren Aktivisten der „Division Wien“ nach Budapest gereist,um am sogenannten „Tag der Ehre“ teilzunehmen – einem zentralen Vernetzungsevent der internationalen Neonaziszene, das regelmäßig von Konzerten, Kampfsportveranstaltungen und Aufmärschen begleitet wird. 

Diese Aktivitäten verweisen auf eine gezielte Strategie: Offenbar ist man bemüht, den jüngeren Kadern ein eng getaktetes Erlebnisprogramm bereitzustellen, das politische Sozialisation, gemeinschaftsstiftende Praxis und emotionale Bindung an die etablierte Neonazi-Szene Wiens miteinander verknüpft.

Intergenerationeller Schulterschluss in der Neonazi-Szene

Die jüngsten Entwicklungen innerhalb der extrem rechten Szene Österreichs lassen sich so als intergenerationeller Schulterschluss deuten: Erfahrene Kader knüpfen gezielt Verbindungen zu jungen militanten Neonazis, binden sie in bestehende Netzwerke ein und tragen aktiv zu deren ideologischer Festigung bei. Während die Älteren dadurch wieder an Relevanz gewinnen, erweitern die Jüngeren das Handlungsspektrum der Szene durch ihre hohe Gewalt- und Risikobereitschaft. 

Zu beobachten ist im Rahmen dieses intergenerationellen Zusammenschlusses auch die Schaffung eines Zugangs zu transnationalen Neonazi-Netzwerken für junge Nachwuchskader der extrem rechten Szene: Denn gerade die ehemaligen VAPO- und „alpen-donau.info“-Aktivisten verfügen über gute Kontakte in die militantesten Neonazi-Netzwerke Europas, die mit dem „Nation Europa”-Bündnis einen neuen politischen Ausdruck gefunden haben.

Gleichzeitig zeigt der Fall der sogenannten „Sächsischen Separatisten“, wie aktiv zentrale Figuren der österreichischen Szene weiterhin eingebunden sind: Niemand Geringerer als Gottfried Küssel soll ein Treffen mit den sächsischen Neonazis in Wien abgehalten haben, um sein Wissen und seine langjährige Erfahrung weiterzugeben. Küssel ist auch jene Figur, zu der junge Aktivisten der „Division Wien“ pilgern – mutmaßlich, um von ihm ideologisch geschult und für ihre politische Praxis vorbereitet zu werden.

Wie gefährlich diese Form der Weitergabe von Szenewissen werden kann, lässt sich erahnen, wenn man die Vielzahl an Waffenfunden bei rechten Akteur*innen in Österreich berücksichtigt – einige davon mit direktem Bezug zu ehemaligen Strukturen der VAPO. So etwa ein größerer Waffenfund beim ehemaligen Kameradschaftsführer der Organisation in Pöggstall (Niederösterreich), der Rückschlüsse auf ein fortbestehendes Gewaltpotenzial im Umfeld ermöglicht.

Zugleich bleibt offen, wie stabil die Struktur der „Division Wien“ tatsächlich ist. Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass vergleichbare Gruppierungen häufig nur kurzfristig Bestand haben und selten über organisatorische Konsolidierung verfügen – insbesondere dann, wenn staatliche Repression konsequent greift, was sich auch in Österreich andeutet. Bis dahin jedoch stellt die „Division Wien“ eine reale und akute Gefahr für all jene dar, die nicht in ihr Weltbild passen: Jüdische Personen, People of Color, queere Menschen, politische Gegner*innen sowie all jene, die sich öffentlich gegen Neonazis positionieren.