Partisanen im Toten Gebirge
Florian Osuch (Gastbeitrag)Im Salzkammergut in Österreich agierten etwa ab 1940 mehrere teils unabhängige Widerstandsgruppen. Die größte und bekannteste ist die Gruppe „Willy-Fred“ um den Kommunisten Sepp Plieseis aus Bad Ischl.
Österreich: Antifaschistischer Widerstand im Salzkammergut
Das Salzkammergut befindet sich im Grenzgebiet der Bundesländer Oberösterreich, Salzburg und Steiermark. Zunächst waren es einzelne Wehrmachtssoldaten, die genug vom Töten und Morden hatten und nach einem Urlaub von der Front nicht mehr zurück in den Krieg, sondern in die Berge gingen. Viele versteckten sich im Toten Gebirge.
Das beeindruckende Karsthochplateau war wegen seiner rauen und weithin unzugänglichen Landschaft bestens dafür geeignet. Das Untertauchen im Toten Gebirge in verborgenen Höhlen oder in schwer zu erreichbaren Almhütten war an sich gar nicht so kompliziert. Problematischer war die Versorgung der Untergetauchten mit Lebensmitteln und Kleidung sowie die Geduld, die sie in ihren spärlichen Behausungen aufbringen mussten. Der vielleicht wichtigste Aspekt war jedoch das Verwischen der Spuren.
Auf der Rückfahrt zur Truppe durften weder mitreisende Zivilist:innen und vor allem nicht Gestapo, der Sicherheitsdienst der SS (SD) oder die „Abwehr“ – der Nachrichtendienst der Wehrmacht – dahinter kommen, dass sich die Deserteure noch in ihrer Heimat aufhielten. Deshalb bestiegen die Männer ganz offiziell den Zug in Bad Aussee, um ihn wenig später unerkannt wieder zu verlassen – so war nicht aufzuklären, wann und wo sich die Soldaten abgesetzt hatten.
Spanienkämpfer Sepp Plieseis
Eine neue Qualität erreichte der Widerstand ab 1943 durch die Rückkehr des Spanienkämpfers Sepp Plieseis (1913 – 1966). Er war in Bad Ischl geboren und hatte sich zunächst der Sozialdemokratie, dann der Kommunistischen Partei Österreich angeschlossen. Nachdem die KPÖ verboten worden war und politischer Widerstand gegen den „Austrofaschismus“ zunehmend schwieriger wurde, schloss sich Plieseis 1937 den Internationalen Brigaden in Spanien an. Nach dem Sieg der Franco-Faschisten wurde er zunächst in Frankreich interniert und dann ins KZ Dachau verbracht. Aus einem Außenlager gelang ihm die Flucht in seine alte Heimat. Dort nahm er sogleich Kontakt zu alten Genoss:innen auf und zog sich ebenfalls in die Berge zurück.
Da sich immer mehr politisch Verfolgte versteckten, errichteten sie im Frühjahr 1944 eine eigene Hütte, die sie „Igel“ nannten. Sie befand sich am westlichen Rand des Toten Gebirges nördlich des Dorfes Altaussee. Das Leben im „Igel“ war mühsam, vor allem im Winter: Unzureichende Ernährung, ständige Furcht vor Entdeckung und das enge Zusammenleben von bis zu 30 Untergetauchten führte zu Spannungen, auch weil Einzelne unter Inkaufnahme hoher Risiken Angehörige im Tal besuchten. Die SS sowie Gestapo und der SD hatten in fast allen Gemeinden der Region Stützpunkte errichtet.
Um die Untergetauchten im „Igel“ reihten sich mehrere Kreise legaler Widerstandskämpfer. Bis 1945 umfasste das Netzwerk „Willy-Fred“ rund 500–600 Personen, die meisten waren Kommunist:innen, andere kamen aus der SPD oder der katholischen Kirche. Politische Differenzen wurden zurückgestellt, sie verband die Gegnerschaft zum Naziregime. Der Name „Willy-Fred“ bezieht sich auf Decknamen, die die Gruppe nutzte.
Innerhalb des Netzwerkes nahmen Frauen eine besondere Rolle ein, da sie weitgehend unverdächtig ihre widerständigen Tätigkeiten in ihren Alltag integrierten. Einige organisierten und transportierten Lebensmittel und Kleidung oder trugen Informationen zusammen, über den Kriegsverlauf oder über Stärke von SS und Gestapo. Andere beschafften Nachtlager auf Dachböden und Scheunen. Es gab stille Unterstützer_innen, deren unbewohnte Hütten und Almen genutzt wurden. So zog sich ein unsichtbares Band der Solidarität quer durch das Salzkammergut.
Die Antifaschist:innen begannen auch sich zu bewaffnen, allerdings kamen die Waffen nie zum Einsatz. Deshalb ist die Bewegung auch nicht mit Partisanengruppen vergleichbar, wie sie in Jugoslawien, Italien, Polen, Frankreich oder insbesondere auf dem Gebiet der Sowjetunion kämpften.
Kunstgüter gerettet
Die vielleicht bekannteste Aktion des Widerstands im Salzkammergut ereignete sich nahe Altaussee: Die Rettung von zehntausenden Kunstgütern vor der Zerstörung durch die Nazis. Ab 1943 war das dortige Bergwerk die größte geheime Einlagerungsstätte für Raubkunst. Die Anlagen wurden wegen ihres trockenen und konstanten Klimas ausgewählt, das ideal für die Lagerung empfindlicher Kunstwerke war. Als das Kriegsende näher rückte, sollten die Schätze vernichtet werden, damit sie nicht in die Hände der Alliierten fallen. Bergwerksarbeiter und Angehörige der Widerstandsbewegung verhinderten die Zerstörung, indem sie die Sprengung der Stollen sabotierten. Die Rettung der geraubten Kunstwerke ist im US-Blockbuster „Monuments Men“ mit George Clooney als Regisseur und Hauptdarsteller verfilmt. Das deutsch-österreichische Drama „Ein Dorf wehrt sich“ würdigt neben der Kunstrettung auch die daran beteiligten Widerstandskämpfer:innen.
Kaltenbrunner überlistet
Die wohl spektakulärste Aktion der Partisan_innen ist dagegen weitgehend in Vergessenheit geraten. Im Frühjahr 1945 hatte sich Ernst Kaltenbrunner, Chef des SD und Leiter des „Reichssicherheitshauptamts“, wie andere Nazigrößen nach Altaussee abgesetzt. Das Salzkammergut war zentrale Region der sogenannten „Alpenfestung“, aus der heraus die NS-Führung den Krieg fortsetzen wollte. Doch auch Kaltenbrunner erkannte, dass das Regime fallen werde. Ein mit den Partisan:innen sympathisierender Jäger konnte Kaltenbrunner und einige Getreue überzeugen, sie in eine abgelegene Hütte im Toten Gebirge zu bringen, um ihnen so die Flucht zu ermöglichen. Zwei Jäger führten am 7. Mai 1945 den mit falschen Pässen ausgestatteten Kaltenbrunner, seinen Adjutanten und zwei SS-Männer von Altaussee zur der noch im Schnee liegenden Wildenseealm. Die zurückgekehrten Jäger informierten sogleich die Widerstandskämpfer:innen und wenig später auch die eintreffenden Alliierten. Am 12. Mai stiegen vier Mitglieder der Partisanengruppe und eine Patrouille der US-Armee zum Versteck auf und nahmen Kaltenbrunner und seine Begleiter gefangen.
Zwangsarbeit im KZ-Ebensee
Etwas nördlich des Kerngebiets der Partisanengruppe liegt die Gemeinde Ebensee, dort befand sich eines der größten Außenlager des KZ Mauthausen. Eine Gedenkstätte erinnert an die etwa 27.000 Häftlinge, die das Lager durchliefen und die 8.500 von ihnen, die dort den Tod fanden. Das KZ Ebensee diente vor allem der Rüstungsproduktion und war eines der brutalsten Arbeitslager des NS-Regimes.
Die Häftlinge mussten zunächst tiefe Stollen in die Berge schlagen und dann in den unterirdischen Anlagen Zwangsarbeit leisten. Die Stollen sollten bombensichere Produktionsstätten für Raketenteile und andere kriegswichtige Materialien beherbergen. Die Arbeit war extrem hart und gefährlich: die Häftlinge arbeiteten oft mehr als zwölf Stunden am Tag, ohne angemessene Schutzkleidung oder Werkzeuge. Der Bergbau unter Tage war durch Staub, Feuchtigkeit und mangelnde Belüftung geprägt, was die gesundheitlichen Risiken erheblich erhöhte.
In Ebensee erinnert das Zeitgeschichtliche Museum an das KZ und würdigt umfangreich das Wirken der Gruppe „Willy-Fred“ und die anderen kleineren Widerstandsnetzwerke im Salzkammergut. Regelmäßig finden Wanderungen auf den Spuren der Partisanen statt, die auch zu den Schauplätzen, wie dem Versteck „Igel“, führen.
Literatur
• Christian Topf: Auf den Spuren der Partisanen. Zeitgeschichtliche Wanderungen im Salzkammergut, LitVerlag, Wien 2018.
• Raphael Besenbäck (Hg): Salzkammergut – Ausseer Land. Widerstand und Partisanenbewegung 1943 – 1945. Eine Materialsammlung von Peter Kammerstätter, Weitra 2024.
• Sepp Plieseis: Partisan der Berge. Lebenskampf eines österreichischen Arbeiters, Deutscher Militärverlag der DDR, 1974 (nur noch antiquarisch).
Film
• „Ich hab’ nur meine Pflicht getan!“ – Widerstand im Salzkammergut 1938–1945. Zeitzeug:innen erzählen, ein Film von Max Stelzhammer (1988), kostenlos unter: https://kurzlinks.de/Ebensee
• „Gefährliche Fahndung“, siebenteilige Serie des Fernsehens der DDR von Harald Hauser (1978), Neuauflage als DVD erhältlich.
• Monuments Men – Ungewöhnliche Helden (USA/D 2014)
• Ein Dorf wehrt sich. Das Geheimnis von Altaussee (D/A 2019)