Vorsicht "Anti-Antifa"
Aus einem Flugblatt von Frankfurter AntifaschistInnenIn den letzten Wochen versuchte eine Aktivistin der FAP bei antirassistischen/antifaschistischen Zusammenhängen in Frankfurt/Main und Aschaffenburg Anschluß zu finden. Für den "Der Spiegel" war die Geschichte ein Vierseiter wert: „Links- und Rechtsradikale bespitzeln sich mit Geheimdienstmethoden. Sie schleusen Späher beim Gegner ein und sammeln Informationen für elektronische Feind-Karteien (…) In Aschaffenburg und Frankfurt am Main versuchte die FAP-Anhängerin Inger Preßmar, 22, Kontakt zu Antifa-Gruppen zu finden. Doch sie verwickelte sich rasch in Widersprüche. In Nürnberg bemühte sich Silke Wunderlich, Ex-Aktivistin des verbotenen Nationalen Blockes, um Anschluß an Antifa-Kader“.1 .
- 1DER SPIEGEL 49/1993
Neonazis biedern sich erfolglos antifaschistischen Zusammenhängen an
In den letzten Wochen versuchten Neonazis ihre Anhänger in antirassistischen, antifaschistischen Zusammenhängen in Frankfurt/Main und Aschaffenburg einzuschleusen. Eine von ihnen war Inger Preßmar aus Langen. Seit 1987 politisch aktiv, gehörte sie in den folgenden Jahren zum engeren Kreis der „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) in Frankfurt/Langen und der „Deutschen Frauen Front“ (DFF). Bereits 1987 gehörte sie zum politischen Zirkel um die GdNF den Frankfurter „Freundeskreis Germania“. 1987 verlobte sie sich mit dem bekannten Neonazifunktionär Wolfgang Hess und bewohnte mit dem „Neonaziführer“ Michael Kühnen das Haus Lupinenweg 37 (»Höllenhaus«) in Frankfurt. Nach eigenen Angaben wurde Preßmar im Oktober 1992 aus der Kameradschaft Frankfurt ausgeschlossen und unterhielt fortan Kontakte zur Führung der neonazistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) in Hessen und Bayern.
Mitte Januar bot sich Inger Preßmar verschiedenen Antifa-Info-Telefonen als „Informantin“ über ein angebliches Treffen des im Raum Aschaffenburg aktiven, neonazistischen „Deutschen Freundeskreis“ am 23. Januar 1993 an. Zu diesem Zweck brachte sie mit ihrem vermutlichen Auftraggeber Falko Schüßler zusammen einen »Antifa-Rundbrief« in Umlauf, der mit »Autonome Antifaschistinnen Aschaffenburg« unterzeichnet war. In diesem Schreiben wurde dazu aufgerufen, an besagtem Tag die Wohnung von Falko Schüßler zu blockieren.
Falko Schüßler aus Großostheim bei Aschaffenburg ist FAP-Landesvorsitzender in Bayern. Die Aschaffenburger FAP, die von ihm aufgebaut wurde und geführt wird, zählt zu den aktivsten Kameradschaften. Bekannt ist sie vor allem durch ihre Gewalttätigkeit. Schüßler selbst ist einer der Angeklagten im Stuttgarter »ANS/NA-Prozeß«, in dem Neonazi-Führungspersonen wegen Weiterführung der verbotenen ANS/NA vor Gericht stehen.
Schüßler verfaßte vermutlich eine fingierte Einladung der FAP zu diesem angeblichen Treffen, welche von Preßmar wiederum antifaschistischen Zusammenhängen »zugespielt« wurde. Dieses Treffen fand nicht statt, es war auch nie geplant gewesen. Da die Sache bis zum Himmel stank, waren keine AntifaschistInnen vor Ort. Die einzige Person, die da war, war Preßmar. Ob es sich bei dieser Täuschung »nur« um ein Ablenkungsmanöver von dem FAP- Landesparteitag am 30. Januar 1993 in Aschaffenburg oder um eine tatsächliche Falle handelte, wissen regionale Antifa-Strukturen nicht genau. Bei einer Kontaktaufnahme mit AntifaschistInnen in Frankfurt/Main gab sich Preßmar als ausstiegwilliges Mitglied der FAP aus und bot sich generell als „Informantin“ an.
Am 30. Januar tauchte sie - ausgestattet mit einem Tonbandgerät - auf der antifaschistischen Demonstration gegen den FAP-Landesparteitag auf. Ihr wurde nahegelegt, die Demo zu verlassen. Daraufhin nahm sie am Landesparteitag teil. Anhand ihrer Vorgehensweise, ihrer Lügen und der zahlreichen, eklatanten Widersprüche in ihrem Verhalten und ihren Worten besteht kein Zweifel an der Rolle von Preßmar.
So dreist, so plump und leicht durchschaubar der Plan auf den ersten Blick erscheinen mag, so überlegt war die Herangehensweise in manchen Punkten. Es gibt kaum einen Zweifel daran, daß sich die Neonazis in letzter Zeit verstärkt mit antifaschistischen Diskussionen und Strukturen beschäftigen, um daraufhin ihr Vorgehen abzustimmen. Erhöhte Vorsicht ist also weiterhin geboten, es besteht jedoch kein Anlaß zur Beunruhigung und für Spekulationen, da diesem Fall keine verwertbaren Informationen über Antifa-Zusammenhänge und Personen erlangt werden konnten.
Lokale Antifas halten es nicht für ausgeschlossen, daß Preßmar weiterhin versuchen könnte, an AntifaschistInnen ranzukommen oder an Demonstrationen teilzunehmen. Sie halten es auch für durchaus denkbar, daß sie weiterhin dreist auf ihrer Rolle als »Aussteigerin« besteht und sich als »völlig mißverstanden« hinstellt. Sie haben – trotz der eindeutigen Fakten - Inger Preßmar noch mehr als eine Gelegenheit gegeben, sich glaubwürdig zu machen. Sie hat diese nicht genutzt.