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Brandenburger Zustände - die Neonazi Szene 1994

Einleitung

Recherchen und Berichte zur Situation in Guben, Schwedt, Senftenberg und Angermünde.

Nationale jugend Schwedt

Guben mit Vorbild Schwedt

Die »Berlin-Brandenburger Zeitung« der Nationalen e.V. titelt im November/Dezember 1993: »Jugendtreffs statt Asyl-Heime - Jung-Nationale fordern Jugendclub in Guben«. Demnach haben sich die „Nationalen“ und die »Nationale Jugend« Guben mit Bürgermeister Bernd Balzarek (CDU) getroffen, um »ähnlich wie in Schwedt, öffentliche Mittel für einen geplanten nationalen Jugendtreff als Anlaufpunkt für interessierte Jugendliche« zu ergattern. Am Gespräch nahmen offensichtlich der Kreisvorsitzende der Nationalen Dieter Gramke und sein Stellvertreter Helmut Wandke teil. Balzarek soll grundsätzlich einverstanden sein, könne aber kein Geld geben. Dafür schlug er dem Jugendbeauftragten Saupe potentielle Unterstützer vor. Vorbild für die Initiative ist erklärtermaßen die »Nationale Jugend« Schwedt, eine Art NF-Vorfeldorganisation, die ebenfalls mit dem Bürgermeister über Räume und Finanzmittel verhandelt.

Schwedt - Die Stadt bleibt sich treu

Der Prozeß gegen den Schwedter Neonazi-Schläger Mirko H. ist abgebrochen worden. Ihm wird u.a. vorgeworfen, im Februar 1993 mit einem Dutzend anderer Neonazis eine Gruppe von fünf AntifaschistInnen überfallen zu haben. Er selbst hatte dabei einen Punk fast zu Tode geprügelt. H. meint, in Notwehr gehandelt zu haben, da der Punk ihn bedroht haben soll. Der Prozeß wurde unterbrochen und wird später noch einmal neu aufgezogen. Die Verfahren der Mittäter sind abgetrennt worden, und werden in absehbarer Zeit nicht verhandelt. 

Unterdessen bleibt Schwedt wie es war: Braun. So wurde z.B. Ende Januar eine „Rapper-Party“ von Neonazis unter der Führung von Sven H. (SrA) überfallen. Die Neonazis treffen sich fast jedes Wochenende im Cafe »Haltestelle« des Stadtjugendringes und im "Freizeittreff HIT". Ein Hausverbot für Neonazi-Gewalttäter gibt es nicht, sie sind gewissermaßen Bestandteil der städtischen Familie. Briefe an die Neonazis adressierte das Jugendamt an die „Nationalistische Jugend Schwedt-Freizeittreff HIT“. 

Als die lokale Antifa versucht ein Anti-Nazi-Konzert zu organisieren, verweigern Jugendvereine, wie der "Karthausclub e.V." und der "Rock e.V." jedoch jede Unterstützung, wie die Bereitstellung von Technik und Räumlichkeiten. Trotz dieses Boykotts jeglicher antifaschistischer Ansätze wurde der "Karthausclub" am 18. Februar 1994, von circa 20 Schwedter Neonazis angegriffen, dabei gab es zwei Schwerverletzte. Unter den Angreifern wurden auch Szenegrößen wie Mirko H., René M. und B. beobachtet.1

DVU in Angermünde

Am Freitag, den 11. Februar 1994 sollte in Mürow (bei Angermünde) die Gründungsveranstaltung eines Ortsverbandes Angermünde der „Deutschen Volksunion“ (DVU) stattfinden. Ein gewisser W. (circa 40 Jahre alt) hatte dazu »Schmidt's Imbiß am Autohaus« in Mürow gemietet. Noch vor Veranstaltungsbeginn zogen circa 50 AntifaschistInnen auf, gefolgt von einem entsprechenden Polizeiaufgebot. So wagten sich die DVUler nicht in die Kneipe, die Gründungsveranstaltung wurde abgeblasen. Die AntifaschistInnen stellten W. zur Rede.2 Dieser gab an schon mehrfach in der Kneipe, deren Besitzer selbst in der DVU sei, Material verteilt zu haben. Er würde auch weiter versuchen, die DVU in Angermünde zu etablieren.

Milder Prozess gegen "Wehrsportgruppen" Mörder

Im Januar 1994 fand im Cottbuser Landgericht der Mordprozeß gegen vier Mitglieder der Wehrsportgruppe »Werwolf Jagdeinheit Senftenberg« statt, es gab Freiheitsstrafen zwischen drei und 15 Jahren. 

Bei einer Razzia im Oktober 1992 wurden zwölf Mitglieder der »Wehrsportgruppe Senftenberg« festgenommen. Bei dieser Razzia wurden hunderte Handgranaten, Maschinenpistolen und Kampfausrüstungen sichergestellt. Von acht beantragten Haftbefehlen wurde aber nur einer vollstreckt, der gegen Jens Klocke. Im Dezember 1991 versuchten Jens Klocke und weiter Neonazis u.a. durch den Verkauf von Waffen an Geld zu kommen. Von dieser Gruppe wurden vier Mitglieder wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt, da der Anführer der Gruppe (Klocke) gestand, zusammen mit drei anderen Gruppenmitgliedern, am Mord an Timo K. beteiligt gewesen zu sein. Um sich Geld für weitere Waffenkäufe zu beschaffen, beschlossen sie zunächst einen Raubüberfall. Das Fluchtauto sollte über eine fingierte Autopanne organisiert werden. Der 27-jährige Timo K. aus Senftenberg hielt an, um seine Hilfe anzubieten und wurde ermordet, als er sich weigerte, sein Auto zu verlassen. Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, wurden eingestellt, der Tatbestand sei nicht erfüllt. Die beiden Mitangeklagten, Maik H. und Silvio K., kamen glimpflich davon. 

15 Jahre Haft gab es für den Angeklagten Jens-Werner Klocke wegen gemeinschaftlichen Mordes, räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer, bewaffneten Raubes u. a. Straftaten.

Neun Jahre Jugendstrafe gab es für den Haupttäter Daniel Langner. Das liegt weit unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafen von Lebenslänglich für Klocke und zehn Jahre Jugendstrafe für Langner. Im Sinne der vorherige Beurteilung des Bundesgerichtshof die Beschuldigten hätten lediglich ein „geradezu jugendtümliches Interesse am Hantieren mit selbstgebastelten Sprengkörpern“ gehabt, wurde im Juni 1994 der weitere Anklagevorwurf des illegalen Waffenbesitzes und -handels gegen Jens-Werner Klocke und Uwe Bierhold bestätigt.

  • 1

    Vgl. militaergefaengnisschwedt.de/intern/presse/files/11_spiegel_pdf, youtube.com/watch?v=59iYMZfVpeY und we.riseup.net/assets/206475/hdk1994.pdf

  • 2

    Nachtrag: Ein namensgleicher DVU-Funktionär (Geburtsjahr 1947) kommt aus Westdeutschland und war mehrmaliger Wahlkandidat (EU-Parlament 1989 und 2009).