»Bund freier Bürger« - das deutsche »Modell Haider« als neuer Versuch von rechts
Schickt sich nun ein ultra-rechter Österreicher an, auch in Deutschland Politik zu betreiben und ein Deutscher Freund bereitet schon mal alles vor? Die Rede ist von Jörg Haider, Chef der »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ) und dem Ex-EG-Kommissar und Ex-FDP-Exponent gegen die Maastrichter Verträge, Manfred Brunner, der am 23. Januar 1994 mit neuer Gefolgschaft die Partei »Bund freier Bürger« (BfB) gründete.
Die Ausgangsllage
Schon im Dezember analysierte Axel Springers »Welt« die Lage der Konservativen im Artikel »Haider klopft an, wer öffnet ihm die Tür?«: »Denn es sieht so aus, als vollzögen sich derzeit im rechten Spektrum der deutschen Politik Entwicklungen, die sich auf der anderen Seite Ende der siebziger Jahre abgespielt haben. Damals bildeten sich innerhalb und außerhalb der SPD eine heimatlose Linke, die sich schließlich zur Partei der Grünen verfestigte. Heute gibt es in Deutschland offensichtlich eine vagabundierende Rechte auf der Suche nach Reputierlichkeit, die sich weder von etabliertem Konservativismus noch Republikanern, DVU oder anderen Extremisten und Radikalen vertreten fühlt. Zwischen Stoiber und Schönhuber wird eine Lücke vermutet, groß genug, daß ein umstrittener Mann wie Haider sich bemüht hineinzustoßen.«
Treffend formuliert. Es gärt bereits lange im Bereich zwischen Neofaschismus und Nationalkonservativismus der BRD. Die „Republikaner“ (REPs), auf die etliche vor Jahren ihre Hoffnung setzten, sind mittlerweilen für viele verbraucht. Die ultra-rechte bis neofaschistische intellektuelle Elite ist hier herausgedrängt, eine organisatorisch breite Basis bis heute noch nicht erreicht. Die Partei steht und fällt mit Franz Xaver Schönhuber (der mittlerweile zum Podium geführt werden muß) und kann sich nicht vom Geruch des „Rechtsextremismus“ erholen. Auch die DVU des Immobilienspekulanten und Devotionalienhändlers Gerhard Michael Frey, stellt trotz Wahlerfolge durch flächenmäßige Werbung keine Alternative für dieses Klientel.
So sammelt sich momentan das »heimatlose« ultrakonservative bis neofaschistische Lager z.B. in Lesekreisen der »Jungen Freiheit«, in Konservativen Clubs wie der »Düsseldorfer Herrenrunde«, in »Christlich-Konservativen Deutschland-Foren«, Kleinstparteien wie »Aufbruch 94« des Ex-REP Emil Schlee und populistischen Versuchen wie der »Statt-Partei«. Es herrscht Gründerstimmung.
Die CDU hängt derzeit bei Meinungsumfragen in einem Tief, die Bayerische CSU demontiert sich mit ihren Amigo-Affären selbständig und die FDP kämpft mit der 5 Prozent-Hürde. Das Vertrauen in die etablierten Parteien schwindet. So fordern Autoren der »Welt« deshalb die Unionsparteien auf, die Bekämpfung von allem was sich rechts von ihnen regt, zu beenden. Ein koalitionsfähiger Rechtsausleger wird gebraucht. Auch das neofaschistische Lager kam schon vor zwei Jahren in Debatten der Zeitschriften »Nation und Europa« und »Europa vorn« zum Schluß, daß ein deutsches »Modell Haider« die beste Lösung für die Lage wäre.
Haider meldet sich zu Wort...
Haider ist ein gnadenloser extrem rechter Populist. Er sorgte auch in Deutschland mit seinen Provokationen für Tabubrüche und Argumentationsmunition. Einer seiner letzten war das Lob auf die »ordentliche Beschäftigungspolitik« im Dritten Reich. Die »Mißgeburt der österreichischen Nation« sowie die Forderung nach neuem Anschluß an Deutschland ist Standard in der Argumentation der »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ). In einem Interview der Zeitschrift »Conturen« konkretisiert Haider, laut Nachrichtenagentur APA: »Wir können uns vorstellen, daß wir in absehbarer Zeit in Deutschland mit einer eigenen Partei kandidieren, so wie wir schon in Südtirol angetreten sind.« Die Partei könne sich schon an den nächsten Wahlen in Deutschland beteiligen, »und zwar bundesweit«.
...und Brunner versucht es
Manfred Brunner (46), profilierte sich im rechten Lager durch seine Klage gegen den Vertrag von Maastricht. 1992 war er deshalb von Bundeskanzler Helmut Kohl als Kabinettchef des EG-Kommissars Martin Andreas Bangemann (FDP) entlassen worden. Nach der Niederlage seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht trat Brunner bei den Liberalen aus. Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), versuchte sogleich Brunner einzubinden und führte Verhandlungen mit ihm, daß dieser mit seiner neuen Partei nicht in Bayern kandidiere (die bundesweit notwendigen 5 Prozent können so für die CSU zumindest bei der Europawahl abgehakt werden). Stoiber versucht nun populistisch in Sachen Europapolitik mitzuhalten.
Doch Brunner geht, unterstützt durch die Freundschaft mit dem »wichtigen österreichischen Reformer« Haider, den er noch von den Zeiten als FDP-Mitglied kennt, seine eigenen Wege. Er tingelte vortragend durch die BRD und warb bei den konservativen und rechten Eliten für sein Konzept. Unter anderen sprach er bei der 2. Hochschulwoche des »Studienzentrum Weikersheim«, der Arbeitstagung der "Deutschen Burschenschaft" in Jena, der "Düsseldorfer Herrerunde" oder dem Berliner Herrenclub »Das Dienstags-Gespräch« vor. Letzteres ist von Hans-Ulrich Pieper initiiert und besteht aus Repräsentanten der Wirtschaft, Medien und Politik, an der auch die rechten Historiker Rainer Zittelmann und Ernst Nolte teilnehmen. Laut »Europa Vorn spezial« fanden Verhandlungen mit Carl Zimmerer statt, dem Unternehmer, der die »Düsseldorfer Herrenrunde« führt und der bereits die REPs mitfinanzierte.
Die Gründung der Partei erfolgte schließlich am 23. Januar 1994 in Wiesbaden, nachdem es mit dem symbolbeladenen Weimar, nach einer Bombendrohung und der Ankündigung des thüringischen Innenminister Franz Schuster (CDU), den Gründungsparteitag beobachten zu lassen, nun mal Essig war. Doch die neue Elite war da und zog den Parteitag gut vorbereitet als Formalie durch, denn Programm (Zehn-Punkte-Papier), Name und Bundesvorstand waren bereits beschlossene Sache des 38köpfigen Gründungsausschusses, wie es schien. Hervorzuheben unter den honorigen Doktoren und Professoren, die Brunner alles als »Entscheidungsmenschen« bezeichnet, sind vor allem:
- Karl Albrecht Schachtschneider, der Brunnner zusammen mit Hans Heinrich Rupp mit seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vertrat, der Jungen Freiheit dafür ein ganzseitiges Interview gab und an der WISO in Nürnberg lehrt. Ende Februar trat er zusammen mit Jörg Haider zusammen bei Wahlveranstaltunen in Österreich auf.
- Joachim Starbatty als Prof. für Volkswirtschaftslehre trat bei der Gründung für marktwirtschaftliche Elemente auch in der Sozialpolitik (sprich Eigenverantwortlichkeit) ein.
- Roland Vaubel als Mannheimer Wirtschaftsprofessor (Gründungsausschuß)
- Günther Steckhan als Polizeipräsident von Hagen (Gründungsausschuß)
- Erwin Wickelt als ehemaliger Botschafter in China, stellte die »drei Grundsätze« des BfB vor: »Ordnung, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit in Deutschland«
- Bruno Bandulet, Ex-Quick-Chefredakteur. Adenauer-Anhänger, zu dem er eine Biographie veröffentlichte und Autor in »Criticon«
- Wolf von Zworowski war 21 Jahre CDU-Abgeordneter (u.a. Landtagsvizepräsident der CDU Hessen), gründete 1993 die »Deutsche Partei« wieder und stand in Verhandlungen mit der DSU wegen der Ausdehnung zu einer bundesweiten Partei.
- Hans Peter Thietz der bereits für die FDP im Europaparlament sitzt
- Gunnar Sohn der ehemalige JU-Vorsitzende und ständiger Autor in den Zeitschriften »Mut« und »Criticon«
- Regina ("Freifrau") von Schrenck-Notzing ist als Ehefrau von Caspar von Schrenck-Notzing, dem Herausgeber von »Criticon«, ständige Mitarbeiterin der Zeitung (Anzeigen)
Auffällig ist, daß viele Vorstandsmitglieder Autoren von »Criticon« sind, der Zeitschrift der »Neuen Rechten«, die schon immer dabei war, wenn sich eine Möglichkeit zur Gründung der sog. 5. Partei bot. In der Zeitschrift läuft auch seit längerem eine Debatte über die Gestaltung Europas und der Rolle Deutschlands.
Der Bundesvorstand des „Bundes freier Bürger“ mit beruflichen Eigenangaben:
Präsidium:
Bundesvorsitzender: Manfred Brunner (München), Rechtsanwalt
Stellvertretende Bundesvorsitzende:
Prof. Dr . Karl Albrecht Schachtschneider (Nürnberg),Ordinarius für Öffentliches Recht
Prof. Dr. Joachim Starbatty (Tübingen), Ordinarius für Volkswirtschaftslehre
Dr. Ralph Gutmann (München), Zahnarzt
Rolf-Dieter Gmeiner (Wiesbaden), Rechtsanwalt
Hans-Peter Thietz (Schöneiche), Patentassessor, MdEP
Beisitzer im Präsidium:
Dr. Bruno Bandulet (Bad Kissingen),Verleger
Prof. Dr . Michael Kobler (Passau), Ordinarius für Bürgerliches Recht
Prof. Dr . Bernd Thomas Ramb (Linden), Unternehmer
Prof. Dr . Hans-Heinrich Rupp (Mainz), Ordinarius em. für Staatsrecht
Barbara Voigt (Donauwörth), Industriefachwirtin
Bundesschatzmeister:
Dr. Wolfgang Hacker (Königsstein/Taunus), Rechtsanwalt und Notar
Beisitzer im Bundesvorstand:
Ernst Udo Abzieher (Schwäbisch Gmünd), Versicherungskaufmann
Günter Cerweny (Nürnberg), Koch
Prof. Dr . Achim Fahs (Rostock), Sprachwissenschaftler
Uwe Garten (Wilnsdorf), Journalist
Meike Gorski (Mainz), Studentin
Prof. Dr. Kottowski-Dümenil (Düsseldorf), Ingenieurswissenschaftler
Klaus-Helmut Lang (Wiesbaden), Rechtsanwalt
Wolfgang Madai (Dresden), Journalist, MdL, Landesvorsitz Europa-Union Sachsen
Peter Pfeiffes (Furth), Maschienenbaumeister
Dr. Helmut Riemenschneider (Würtzburg), Pathologe
Karin Rhode (Rostock), Polygrafie-Technikerin
Dr. Rudolf Rosmus (Weil am Rhein), Pharm. Chemiker
Dr. Hans Schauer (Meckenheim), Botschafter a.D.
Karl P. Schlor (Tamm), Industriekaufmann
Regina Freifrau von Schrenck-Notzing (Ammerland), Hausfrau
Hans Jörg Schülke (St.Ingbert), Unternehmensberater
Dr. Hans Helmut Schneider (Düsseldorf), Ltd. Ministerialrat
Gunnar Sohn (Bonn), Volkswirt
Gerhard Waitschies (Sercetz/Ostsee), Kaufmann
Dr. Erwin Wickert (Remagen), Botschafter a.D.
Prof. Dr . Franz-Ulrich Willeke (Heidelberg), Ordinarius em. für Volkswirtschaftslehre
Walter H. Zarbock (Heidelberg), Rechtsanwalt
Wolf von Zworowski (Kassel), Landtagsvizepräsident a.D.
Europa: Hier treffen sich Populismus und Wirtschaftsinteressen
Schon 1989 erschienen in »Criticon« Artikel wie »Nationalstaat contra Europa«, die die Argumentation, die Brunner in seiner Klage verwendet, entwickeln. Sensibel für seismographische Entwicklungen in der Gesellschaft, nahm die Rechte die Widerstände in der Gesellschaft gegen ein wirtschaftlich sich vereinigendes Europa wahr. »Ja zu Europa- nein zu dieser EG« war die populistische Parole, die sich bei Schönhuber und Frey wiederfand.
Brunners 10-Punkte Programm für eine moderne Europapolitik spiegelt nun eine Fortentwicklung wieder, die über die reine »Rettet die DM«-Haltung hinausgeht. In Angst vor einem Stabilitätsverlust der starken „Deutschen Mark“ (DM) gegenüber der vorgesehenen einheitlichen europäischen Währung (»ECU«) nennt sich der »Bund freier Bürger« auch »DM- und Bundesbank-Partei«. So sprechen sie populistisch von der EG als einem Europa der Kaufleute, einer bloßen wirtschaftlichen Interessensgemeinschaft.
Anstelle der exakten Festlegung der Bestimmungen des Europäischen Binnenmarktes im Text der Maastrichter Verträge, fordern sie dessen Vollendung lediglich aufgrund des »Prinzips der gegenseitigen Anerkennung«. Eine »totale Harmonisierung« wird kategorisch abgelehnt und ihr Zentralismus und Aufblähung der Bürokratie vorgeworfen. Das zieht beim Wähler.
Doch werden hier auch leichte Akzentverschiebungen der Wirtschaft im europäischen Einigungsprozeß wahrgenommen. Am kommenden Binnenmarkt geht kein Weg für sie vorbei. Es geht um dessen Gestaltung: die Machtverteilung, die schnellere Öffnung nach Osten, die Erweiterung um die EFTA-Staaten... . Es geht um mehr Spielraum für die stärkste Wirtschaftsmacht innerhalb eines Wirtschaftsraumes für 340 Millionen Menschen, um mehr »Autonomie« der einzelnen Staaten und »Demokratisierung« durch Rückführung von Kompetenzen vom Europäischen Parlament zurück zu den einzelnen Nationen.
Brunners Partei könnte die Funktion bekommen, die Diskussion zur Gestaltung Europas von der Kapitalseite mitzugestalten und auf der anderen Seite populistische Widerstände dagegen zu kanalisieren. Ihr Programm gleicht dem der FPÖ und diese ist in ihrer Haltung zu Europa der beste Spiegel für die Veränderungen in den letzten Jahren. Seit 1983 tritt sie als erste österreichische Partei für einen Beitritt in die EG ein. Ihre Haltung entwickelte sich mittlerweile zu »EG ja, aber...«. Friedrich Dillersberger, Europa-Sprecher der FPÖ, faßt zusammen: »Diese EG nicht. Da sie in meinen Augen eine Gemeinschaft von Staaten ist, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsame Geschäfte zu machen. Hinter dem neuen Europa muß mehr stehen. Da muß der Wille stehen, wirklich demokratische Strukturen zu scharfen (...) Da muß ein Geist der Gemeinsamkeit stehen«. Und Andreas Mölzer, Grundsatzreferent der FPÖ: »Aus der Geschichte wissen wir, das große politische Gebilde nur überleben, wenn sie eine Art Legitimität oder so etwas wie eine sakrale Sinngebung haben.«
Die Vorstellungen, die sich anschließen gleichen denen des »Bund freier Bürger« (BfB) wie ein Ei dem anderen: Gefordert wird ein Staatenbund, eine Föderation Europäischer Staaten, die sich wiederum aus autonomen Regionen zusammensetzt. Ein Staatenbund und kein Bundesstaat (Stoiber griff diese Forderung vollständig auf). Es soll ein Europa der Völker, der Heimaten und der Regionen werden, wobei die »nationale und kulturelle Identität der Individuen« bewahrt werden soll. Doch das ganze braucht zum Zusammenhalt in seiner Vielfalt eine Klammer, die sich nicht über Wirtschaft oder Geographie alleine bilden läßt: »Europa muß vielmehr eine geistig-kulturelle Einheit stellen.« Und Mölzer liefert in der »neurechten« Zeitschrift Aula auch gleich das Modell eines zukünftigen Europa: Eine Neuauflage des Reichsgedankens, abgekupfert vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen.
Der erste Zulauf
Am 1. Februar trat nun Wilfried Hofmann, FDP-Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt, zum BfB über und verhalf ihnen so zu ihren ersten Mandat. Nun arbeitet er für sie als Landesbeauftragter. In Berlin setzte sich gar eine Art "konspirativer Kreis" von Abgeordneten der CDU, FDP und SPD in Fraktionsstärke zusammen um zu beraten. Ergebnis: Sieben Mitglieder des Abgeordnetenhaus gründeten den »Verband demokratischer Erneuerung« zur Pflege des nationalen Gedanken, um im richtigen Zeitpunkt dem BfB beizutreten. Mit dabei sind laut Presseberichten Ekkehard Wruck (mit Kontakten zu Manfred Brunner und Jörg Haider), Gabriele Rost, Peter Krause, Horst Reimann, Ekkehard Schmidt (alle CDU) sowie Erika Schmid-Petry und Burkhard Cornelius (beide FDP). In Bayern wird man Peter Gauweiler, Duzfreund von Brunner, im Auge behalten dürfen, nachdem der "Amigo" seinen Rücktritt einreichen mußte. Warten wir es ab.