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Schlag gegen internationalen Neonazi-Versand in Spanien

Einleitung

Spanien galt in rechtsextremen Kreisen bisher als Rückzuggebiet. Der Vertrieb von (neo)faschistischer Propaganda oder Nazi-Utensilien in andere Staaten war dort lange völlig legal, doch seit Mai 1996 hat die Regierung dem einen Gesetzesriegel vorgeschoben. Mitte Dezember letzten Jahres führten spanische Behörden dann erstmals einen Schlag gegen einen extrem rechten Versandhandel durch, der von Barcelona aus Neonazis in vielen Ländern mit Propagandamaterial versorgte.

Pedro Varela
(Bild: Screenshot youtube @PoesíaPatriota; wikimedia.org)

Der spanische Neofaschist Pedro Varela.

In den Morgenstunden des 12. Dezember 1996 wurde in Barcelona die Buchhandlung »Librería Europa« im Stadtteil Grácia Ziel einer Durchsuchungsaktion der katalanischen Polizei »Mossos d'Esquadra«. Zivilbeamte hatten den von dem spanischen Neonazi-Aktivisten Pedro Vare­la (Pedro Varela Geiss) betriebenen Laden bereits drei Monate zuvor heimgesucht und eine Anzahl von Büchern mitgenommen, um sie auf nazi-verherrlichende oder Holocaust-leugnende Inhalte zu durchforsten. Anhand dieser Stichprobe ordnete die katalanische Justiz den polizeilichen Schlag gegen die »Librería Europa« an, in dessen Verlauf rund 7.000 Bücher in spanischer, deutscher und englischer Sprache, 400 Plakate, 80 Videokassetten und 36 Tonbänder, Kataloge, Aufnäher und Krawattennadelnsowie Fahnen mit Haken-, Keltenkreuzen oder Symbolen des franquistischen Spaniens mitnahm. Ebenfalls durchsucht wurde die Privatwohnung Varelas, wo die »Mossos d'Esquadra« umfangreiches Adressenmaterial »sicherstellte«, darunter viele Versandkunden aus Deutschland und Österreich.

Varela, am 12. Dezember zunächst festgenommen, tags darauf aber gegen eine Kaution von 200.000 Pesetas (umgerechnet knapp 2400 Mark) entlassen, wird sich nun voraussichtlich wegen des neuen Artikels 607 im spanischen Strafgesetzbuch vor Gericht verantworten müssen. Danach ist »die Verbreitung von Ideen oder Ideologien, die Völkermord rechtfertigen oder leugnen, oder die Verteidigung von Regimen oder Institutionen, die derartiges praktizierten« verboten und wird mit Gefängnisstrafen von ein bis zwei Jahren geahndet.

Das Buchgeschäft Varelas ist derzeit jedoch weiterhin geöffnet. Unklar ist, ob dem 39jährigen nur der Handel oder auch die Herstellung des Nazimaterials nachgewiesen werden kann. Er soll in Barcelona eine Druckerei namens "Nothung" betreiben. Kataloniens Justiz vermutet die Verleger und Hersteller jedoch in Südamerika und sieht Barcelona nur als Zwischenhandelspunkt - gerade in Richtung Bundesrepublik und Österreich. Demgegenüber bezeichnet Varela in verschicktem Werbematerial sein Unternehmen mit Bankverbindung in München selbst als »Verlagbuchhandlung« . Einem »lieben Kameraden« schrieb er 1996 nach Deutschland, er werde diesem zukünftig immer »ein Ex. meiner Veröffentlichungen und Kataloge« schicken. Allein dies deutet eher darauf, daß der ultra-rechte Spanier nicht nur - wie er selbst zugibt - »viele Bücher, Tonbänder, Videos« (neo)faschistischer Weltanschauung »in der ganzen Welt« vertreibt, sondern sie teilweise auch verlegt. Zumindestens in einem Fall hat er die verschickte Propaganda gar selbst verfaßt. »El Mito de Anne Frank« - der Mythos Anne Frank - heißt ein Buch von ihm, in dem er die Authentizität des bekannten Tagebuchs der jungen Jüdin anzweifelt. 

Auch sonst ist Varela kein Mitläufer im rechtsextremen Milieu, sondern Führungskader. So war er Vorsitzender der spanischen Faschistenorganisation CEDADE. 1978 übernahm Pedro Varela Geiss den Vorsitz des CEDADE von Jorge Mota. Dieser "Spanische Freundeskreis Europas" (Círculo Español de Amigos de Europa) besteht seit 1966 und hat sich insbesondere um die Entstehung einer europäischen Neonazi-Bewegung bemüht. Laut dem Buch "Drahtzieher im braunen Netz" ist sie gar »Schlüsselorganisation im europäischen Netz«. Als Vorsitzender der laut Varela mittlerweile aufgelösten CEDADE hielt er sich mehrmals in der Bundesrepublik oder Österreich auf. In Österreich musste er 1992 vier Monate im Gefängnis zubringen, weil er Adolf Hitler als »Helden« bezeichnet hatte.

Die bisherige Gesetzeslage erlaubte deutschen Nazis nicht nur, von Spanien aus Propagandamaterial legal zu beziehen - Varela weist seine Kundschaft in mehreren Prospekten pro forma darauf hin, dass einige der vertriebenen Werke indiziert bzw. »nur für Sammler- und Forschungszwecke geeignet« seien - sondern ist auch ein begehrtes Zufluchtsland.

Hatte sich in den 50er Jahren bereits der 1991 gestorbene frühere Bundesführer der "Wiking Jugend" (WJ) Walter Matthaei in Richtung des von Francisco Franco regierte Land abgesetzt und dort einen WJ-Ableger namens "Juventudes Vikingas" aufgebaut, befinden sich mittlerweile diverse (Neo)Nazi-Funktionäre wie Otto Skorzeny (Madrid), Leon Degrell (Malaga), Otto Ernst Remer (Marbella), Gerd Honsik und Walter Ochsenberger auf der Flucht im sonnigen Süden. Der Wiener Honsik war Mitte 1992 nach Spanien geflüchtet, um einer Haftstrafe wegen »NS-Wiederbetätigung« zu entgehen. Der heute 84 jährige Remer folgte Anfang 1994, nachdem der Bundesgerichtshof Remers Revision gegen seine Verurteilung wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß abgelehnt hatte.

Die spanischen Gesetze wurden nach und nach verschärft. Zunächst wurden Verbrechen gegen das Völker- und Menschenrecht unter Strafe gestellt, was insbesondere Hetze oder Angriffe gegen »nationale, rassische, ethnische und religiöse Gruppen« umfasst. Seit 1995 sind auch Angriffe gegen soziale Gruppen - insbesondere Homosexuelle - strafbar. Und seit Mai 1996 gibt es bezüglich Holocaust-Leugnung oder Nazi-Verherrlichung den erwähnten Artikel 607.