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JN-Kongreß 1997: NS-Kurs bleibt

Einleitung

Am 10. Mai 1997 fand im bayrischen Roding der diesjährige Bundeskongreß der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) mit angeblich 80 stimmberechtigten TeilnehmerInnen statt.

Foto: Christian Ditsch

Der unerwünschte JN-Kader Andreas Storr als Megaphon-Halter und der JN-Chef Holger Apfel als Redner.

Diese wurden gleich zu Beginn des Kongresses mit einem Antrag des bayerischen JN-Vorsitzenden konfrontiert, der sich gegen den ehemaligen stellvertretenden JN-Bundesvorsitzenden Andreas Storr richtete. Dieser sei wegen seiner mehrfach angemahnten - aber trotzdem weitergeführten - »Verfehlungen« zu tadeln. Andreas Storr wird vorgeworfen, er habe sich von den ebenfalls aus der JN herausgedrängten Neonazi-Kadern Andre Goertz und Jan Zobel für deren »egoistischen Interessen« einspannen lassen, was wiederum die Arbeit der JN behindert hätte. So habe er beispielsweise Goertz' Zeitungen der JN als Sprachrohr für seine »eigenwilligen Machenschaften« zur Verfügung gestellt und außerdem mit »gezielten Falschinformationen und Lügen« Verwirrungen  innerhalb Norddeutschlands gestiftet.

Hintergrund dieses ganzen Konfliktes ist die sogenannte »Vergangenheitsfalle«, an der sich seit einigen Monaten die Neonazi-Szene spaltet. Die Fraktion um Andreas Storr und Jan Zobel wirft den »selbsternannten Möchtegern-Nazis, die mit ihren Phantasie-Uniformen und dogmatischer NS-Nostalgie der nationalen Sache nur schaden« vor, »sich zwischen Nostalgie und Kostümierung durch die Vergangenheit ins Abseits drängen zu lassen«. Deshalb fordern sie ihre Anhänger auf: »Überlassen wir denen, die sich nicht von der Vergangenheit trennen können und immer wieder in die Falle der Vergangenheitsbewältigung hineintappen das Ghetto. Wir machen Politik

Mit diesen Positionen wirbelten sie in der Neonazi- Szene eine ganze Menge Staub auf und bekamen die geballte Ladung Empörung der bekennenden Nationalsozialisten zu spüren. In einem Flugblatt gaben »Radikale Nationalisten/innen« bekannt: »Egal, welche mysteriösen Absichten dieser Goertz mit seinem 'progressiven (sprich fortschrittlichen) Nationalismus' verfolgt (Tükinnen heiraten=fortschrittlich ??), es wird höchste Zeit mit ihm aufzuräumen!!!«.

Andreas Sennlaub von der "Kameradschaft Treptow" schrieb in deren Blatt "Völkische Nachrichten": »In Anbetracht eines solchen verlogenen und heuchlerischen Verhaltens ist es für einen nationalen Sozialisten nicht nur eine Frage der Ehre, sich gegen die pausenlose Angriffe seitens dieser sogenannten 'Progressiven Nationalisten' zu verwahren, sondern auch eine Frage der Konsequenz.«

Als die Stimmen gegen die »progressiven Nationalisten« immer mehr zunahmen und die JN immer mehr unter Beschuß geriet, wurde auf einem außerordentlichen Treffen des JN-Bundesvorstandes am 18./19. Januar beschlossen, Andreas Storr, Jan Zobel und Phillipsen aus Schleswig-Holstein ihrer Ämter in der JN zu entheben und den JN-Landesverband Hamburg aufzulösen. Dieser Schritt wurde vom Großteil der Neonazi-Szene öffentlich begrüßt und unterstützt. Auch bei der Abstimmung auf dem JN-Bundeskongreß stellten sich nur 9 Prozent der anwesenden Delegierten hinter Andreas Storr, 85 Prozent stimmten gegen ihn und 6 Prozent enthielten sich. Der JN-Landesverband Berlin/Brandenburg, der noch immer zu seinem Gründer Andreas Storr und seinen Positionen hält, reagierte prompt und verkündete über das von ihm betriebene "Nationale Infotelefon Berlin/Brandenburg", daß der JN-Bundeskongreß politisch nichts zu bieten hatte, da persönliche Abrechnungen im Vordergrund gestanden hätten. Außerdem befänden sich in der JN-Bundesführung Aktivisten inzwischen verbotener Organisationen, welche ein politisches Bündnis von Nationalrevolutionären und bekennenden Nationalsozialisten anstrebten. Diesen »neuen« Kurs bezeichneten sie als bedenklich. Außerdem verrieten sie, daß auf dem Bundeskongreß zu der Gründung einer »Anti- Lemmer-Liga« aufgerufen worden sei. Diese solle dem ehemaligen Manager der RechtsRock-Band "Störkraft" und jetzigen Neonazi-Rock-Geschäftsmann Torsten Lemmer das Wasser abgraben, um in seine »geschäftspolitischen Fußstapfen« treten zu können.

Die Hauptschwerpunkte der JN-Arbeit sollen aber auch weiterhin bei Aktionen auf der Straße und der Kaderbildung liegen. Die Ergebnisse des Kongresses zeigen, daß die Strategie der JN und teilweise auch ihrer Mutterpartei NPD, sich als Sammlungs- und Mobilisierungsorganisation zu etablieren und dafür auch Bündnisse zu schließen, Erfolg zeigt. Mittlerweile haben die beiden Organisationen nicht nur zahlreiche Kader verbotener Organisationen an sich gebunden, die diese bundesweiten Strukturen für sich nutzen. Sie sind auch zentrale Punkte für größere Aktionen und besitzen wichtige Strukturelemente in ihren Gruppen und deren Umfeld. Dazu gehören Nationale Infotelefone, Versände, Mailboxen, Zeitungen und Internetserver. Nach dem Aufruf zur »Anti-Lemmer-Liga« zu urteilen, will man nun auch in großem Maße in das Geschäft mit der Subkultur einsteigen.

Derartige Machtambitionen sorgen natürlich für Mißgunst bei einigen »Kameraden« anderer Gruppierungen und der Kameradschaften. Davon zeugen nicht nur die oben beschriebenen, angeblich inhaltlichen Konflikte, sondern auch immer wiederkehrende Angriffe der Kameradschaften gegen die JN. Zuletzt bekannt wurde ein Brief von dem Neonazi-Kader Thomas »Steiner« Wulff nach den Neonazi-Aktionen am 1. Mai. Dort ist zu lesen, daß »Kameraden«, die »quasi vom Chefsessel aus mit dem Handy (...) unser Vaterland retten wollen«, bei ihnen nichts zu suchen hätten.

Der neue JN-Bundesvorstand:

Bundesvorsitzender: Holger Apfel (Eningen)

Seine Stellvertreter: Achim Ezer (Bergisch-Gladbach) und Jürgen Distler (Eningen)

Der Bundespressesprecher: Klaus Beier (Miltenberg)

Der Bundesgeschäftsführer: Frank Amberg (Burscheid).

Die Bundesmädelbeauftragte Katharina Handschuh (Dresden)

Sonstige Beisitzer: Irina Beikert (Laudenbach-Weinheim), Sascha Wagner (Herzogenrath), Steffen Hupka (Quedlinburg), Oliver Händel (Köln), Jens Pühse (Freisingen), Jörg Hähnel (Berlin/Frankfurt-Oder/Lebus) und Markus Privenau (Bremen).

Ausgeschieden: Andreas Storr (Berlin) und Andre Goertz (Hamburg)