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Lübeck: Wahlkampf vom "Bündnis Rechts"

Einleitung

Mit 3,6 Prozent der gültigen Stimmen erreichte das im wesentlichen von der NPD und der Hamburger Neonazi-Szene getragene "Bündnis Rechts für Lübeck" (BRL) bei der schleswig-holsteinischen Kommunalwahl am 22.02.1998 mehr als ein Achtungsergebnis. Vorausgegangen war ein Wahlkampf, der von einer massiven Stimmungsmache gegen AntifaschistInnen geprägt war. An dieser Hetze beteiligten sich auch die Lübecker Tageszeitung »Lübecker Nachrichten« sowie die örtliche CDU. Zweimal versuchten die Neonazis, Wahlkampfaufmärsche durchzuführen. Am 31. Januar 1998 scheiterte der erste Versuch am breiten antifaschistischen Widerstand. Dank der massiven Unterstützung durch weit über 1.000 Polizisten konnte das BRL allerdings am 14. März 1998 - geschützt von Wasserwerfern und Räumpanzern - durch den Stadtteil St.Lorenz-Nord marschieren. Über 400 festgenommene Antifaschistinnen und ein kompletter Ausnahmezustand in einigen Stadtteilen Lübecks waren der Landesregierung kein zu hoher Preis, um den Neonaziaufmarsch durchzuprügeln. Wenn den Neonazis schließlich doch noch 1,4 Prozent zum Einzug in das Lübecker Stadtparlament fehlten, ist dies sicherlich zu einem nicht unerheblichen Teil den Aktivitäten der Lübecker AntifaschistInnen zu verdanken.

Das "Bündnis Rechts"

Ein „Bündnis Rechts für Deutschland“ entstand bereits 1996 auf eine gemeinsame Initiative der schleswig-holsteinischen Landesverbände der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) und der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH). Auf einem Treffen in der Gaststätte „Zum Trichter“ in Klein Gladebrügge (Kreis Segeberg) wurde im Oktober 1997 offiziell die Wählergemeinschaft „Bündnis Rechts“ gegründet.

An der Veranstaltung nehmen, laut Neonazi-Kader Thomas Wulff (Hamburg) in einer Presseerklärung, ca. 70 Personen aus den verschiedensten Gruppierungen wie NPD, DVU, REP, DLVH teil. Zum Vorsitzenden wurde der Mitarbeiter des Lübecker Umweltamtes, Dieter Kern, von der DLVH gewählt. Im Dezember 1997 wurden Dieter Kern und der ehemalige DVU- und NPD-Vorsitzende von Lübeck Wolfgang Schimmel (Bad Oldesloe) von Antifas daran gehindert mit einer Veranstaltung einen „Bericht zur Teilnahme an der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein“ abzugeben.

Als BRL-Kandidaten wurden Dieter Kern (Lübeck), Reinhard Kessow (Lübeck) von der NPD und Andreas Rothmann (Lübeck) vom „Bund für Gesamtdeutschland“ (BGD) ausgewählt. Als wichtige Aktivisten des BRL vor Ort benannten Lübecker AntifaschistInnen Ulrich Schwetasch (ehem. JN-Funktionär), Jürgen G. (JN-Funktionär), Jörn Lemke (JN) und Harald V.

Das BRL ist somit ein Produkt der seit über zwei Jahren funktionierenden Annäherung verschiedener Neonazigruppierungen in Schleswig-Holstein und Hamburg unter dem Namen "Bündnis Rechts". Der Annäherungsprozeß lockte anfangs insbesondere unzufriedene Mitglieder der REPs, der DVU sowie der DLVH. Für diese Entwicklung stehen Kader wie Ingo Stawitz, der nach seiner Wahl in den Kieler Landtag als DVU-Abgeordneter zunächst zur DLVH überwechselte, um später der NPD beizutreten. Oder der Lübecker Ulrich Schwetasch, in den Achtziger Jahren ein Aktivist des Hamburger NPD-"Ordnerdienstes", zwischenzeitlich bei der DVU aktiv und inzwischen scheinbar mit dem schleswig-holsteinischen Ablegers des „Freiheitliche Volksblock“ (FVB) um Sven L. verbunden. Am 18. Oktober 1997 soll sich Schwetasch in der Gaststätte „Marquez“ in Lübeck zu einer Besprechung mit ca. 20 FVB-Leuten getroffen haben.

Neben diesen Kadern, die inzwischen die Reste der schleswig-holsteinischen NPD um sich scharen, bildet die verbotene Hamburger "Nationalen Liste" (NL) und ihr direktes Umfeld als "Freie Kameradschaften" aus Hamburg das Rückgrat sowohl des "Bündnis Rechts" als auch des BRL.

Während in den vergangenen zwei Jahren die »etablierten« Politiker aus dem NPD-Umfeld vor allem für die »politischen« Beiträge - also Veranstaltungen, Redebeiträge etc. - zuständig waren, stellt der Kreis um Wulff und Worch ("Freie Kameraden") und die ihr bundesweit verbundenen Organisationen die Teilnehmer und die Infrastruktur für Aktionen.

Soweit dies von Außen beurteilt werden kann, dürfte die Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppierungen, die später zum "Bündnis Rechts" führte, innerhalb der Fraktion der DLVH im Kieler Landtag begonnen haben. Diese stellte nämlich Philip Steinbeck aus der Neonazi-Szene an. Unterstützt wurde er vom "Fachreferent" Thorsten Bossel, der ebenfalls aus der Hamburger Neonazi-Szene stammt.In der Fraktion war Ingo Stawitz die treibende Kraft. Stawitz suchte Kontakt zu organisierten  Neonazis. Steinbeck verfügte hierfür wohl über die notwendigen Kontakte.

Die ersten Veranstaltungen des "Bündnis Rechts" im Jahr 1996 wurden weitgehend von dem Spektrum um Stawitz und den Überresten der NPD-Schleswig-Holstein getragen. Militante Neonazis nahmen daran zwar teil, waren aber noch nicht direkte Mitveranstalter. Die weitergehende Zusammenarbeit als "Bündnis Rechts" bzw. als BRL lag für beide Seiten aus unterschiedlichen Gründen nahe. Stawitz, die Rest-NPD und ihr Umfeld brauchten ein Bündnis, um in ihrem Sinne - also auch parlamentarisch - antreten zu können. Denn nur mit einem breiten Bündnis, das die militanten Nationalsozialisten einschließt, können diese Kräfte überhaupt Wahlkämpfe und Veranstaltungen durchführen. Denn die NPD ist in Schleswig-Holstein inzwischen so schwach, daß sie beispielsweise in ihrer ehemaligen Hochburg Lauenburg nicht einmal die notwendigen Unterschriften für die Teilnahme an der Kommunalwahl zusammenbrachte. Und die DLVH hatte nie eine tragfähige Basis. Die Republikaner sowie die DVU stellen für diese offen neonazistisch auftretenden Kräfte keine Alternative dar. Stawitz Eintritt in die NPD war daher vor allem ein strategisch-taktischer Schritt.

Für die Struktur um die ehemalige Hamburger "Nationalen Liste" stellte sich die Situation anders dar. Ihre Funktionäre bilden eine klandestine Leitungsebene, die aus dem Hintergrund und ohne Rücksicht auf die jeweilige Organisationsmitgliedschaft ihre Politik entwickelt. Um öffentlich auftreten zu können, brauchen sie legale Organisationen, möglichst mit Parteienstatus, weil dieser größtmöglichen Schutz verspricht. Diese Vorfeldorganisationen sind austauschbar. Um ihren Bestand wird nicht gekämpft, eine ersetzt die nächste. Nach den Verboten Anfang der Neunziger hatte dieses Spektrum Schwierigkeiten, seine öffentliche Arbeit fortzusetzen. Die Konsequenz aus dieser Erfahrung ist die Rückkehr zu den alten Prinzipien und die Suche nach legalen Strukturen, unter deren Fahne Aufmärsche und Veranstaltungen durchgeführt werden können. Dies erklärt auch die in der letzten Zeit verstärkte organisatorische und personelle Verstrickung und Zusammenarbeit mit der JN und der NPD.

Doch aus verschiedenen Gründen - zum einen ist auch ein Verbot der JN nicht ausgeschlossen, und andererseits gibt es Streitigkeiten über die politische Linie - wird diese Taktik nicht auf die JN/NPD beschränkt. So trat im Rahmen des "Bündnis Rechts" z.B. der „Bund für Gesamtdeutschland“ auf. In den Kreisen des BGD sind in Schleswig-Holstein auch die bekannten Neonazis Andreas Rothmann und Andre Schwelling (Henstedt-Ulzburg) zu verorten.

Über die Neonazi-Zeitung "Hamburger Sturm" (Thorsten Bärthel) und in dem neuen Neonazi-Magazin "Zentralorgan" (Thomas Wulff und Tobias Thiessen), die beide aus dem engen Ex-NL-Umfeld produziert werden, forciert die frühere GdNF ihre Kritik an JN und NPD. Gleichzeitig ist dieses Netzwerk damit gezwungen, ihrerseits erfolgreiche Aktionen durchzuführen. Mit dem Wahlkampf in Lübeck eröffnete sich für Worch, Wulff und Co. die Möglichkeit, endlich in größerem Umfang die eigene »Linie« zu präsentieren und zu zeigen, daß die ständig beanspruchte Führungsrolle tatsächlich verdient ist. So erklärt sich auch die überdurchschnittliche Beteiligung von Neonazifunktionären des früheren GdNF-Spektrums aus dem gesamten Bundesgebiet an den beiden Demonstrationen in Lübeck. Die Motivation für die Teilnahme am Wahlkampf des BRL war also für die daran beteiligten Neonazigruppierungen und -kader sehr unterschiedlich.

Die offiziellen Kandidaten des BRL dienten im Wahlkampf in erster Linie als "Strohmänner". Öffentlich präsentierten sie sich als spießbürgerliche Rechte. Sie waren in der Vergangenheit lediglich regional in Erscheinung getreten und somit öffentlich nur schwer als militante Neonazi-Kader anzugreifen. Ihre Aufgabe bestand unter anderem darin, Wahlzulassungsunterschriften zu sammeln. Dabei wurden sie von Ingo Stawitz tatkräftig unterstützt. Stawitz trat vermutlich nur aus taktischen Gründen bzw. NPD-Loyalität nicht selber zur Wahl an. Kern, der aufgrund seiner Neonaziaktivitäten auf Druck des Bürgermeisters als städtischer Angestellter entlassen worden war, wurde als Opfer einer linken Verschwörung aufgebaut.

Wahlkampf mit Kampf

Einen anderen Part übernahmen die beiden JN-Aktivisten Jürgen G. und Jörn Lemke. Sie sollten den gewaltbereiten Nachwuchs einbinden und mediengerecht in Szene setzen. So störten die beiden beispielsweise am 20. Februar eine Veranstaltung des Stadtschülerparlamentes und des unabhängigen Lübecker Jugendrates. Mit Gruppen von bis zu 30 Personen versuchten sie auch, andere Wahlveranstaltungen zu stören oder zu »übernehmen«, was ihnen vereinzelt auch gelang.

Neben einer Vielzahl solcher Störungsversuche kam es auch zu gezielten Übergriffen. So wurde eine Frau auf dem Nachhauseweg von einem linken Treffpunkt mit Autos zum Anhalten gezwungen, aus ihrem Fahrzeug gezogen und verprügelt. Als AntifaschistInnen bekannte Menschen wurden am hellichten Tag an einer Tankstelle von sieben Neonazis, darunter BRL-Aktivist Jürgen G., überfallen und leicht verletzt.

Antifaschistischer Widerstand

Trotz massiver Angriffe und dem Vorwurf, Werbung für die Neonazis zu machen, setzten die Lübecker AntifaschistInnen ihre offensive Kampagne gegen das BRL fort. In dieser Situation zeigte sich auch, daß die Zusammenarbeit mit Personen aus dem gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Spektrum inzwischen relativ fest gewachsen ist. Jedenfalls gab es von der Basis keine Distanzierungen.

1. Demonstration mit Hindernissen

Den Wahlkampfauftakt bildete der Versuch eines Aufmarsches am 31. Januar 1998 im Lübecker Stadtteil Moisling. In Moisling hatte sich bei vergangenen Wahlen ein rechtes Wahlpotential von 15 Prozent gezeigt, und die Neonazis hofften, hier groß aufmarschieren zu können. In der Woche vor dem Aufmarsch hatten sie mit massiver Plakatwerbung im Stadtteil begonnen. Dagegen machten Lübecker AntifaschistInnen mobil. Neben dem Lübecker "Bündnis gegen Rassismus" beteiligten sich soziale und kirchliche Gruppen sowie mehrere SPD-Ortsvereine an den Gegenaktivitäten. Gegen den Druck der Lübecker Tageszeitung, der Kreis-SPD, der Polizeiführung und Teile der Landesregierung, die ein Verbot der Antifaaktivitäten in Moisling planten, wurde gemeinsam eine Kundgebung und ein Blockadeversuch organisiert. Unterstützt wurden die AntifaschistInnen vom Lübecker Bürgermeister Bouteiller, der trotz großen Drucks ein Verbot der Neonazidemo aussprach, das allerdings kurzfristig vom Verwaltungsgericht aufgehoben wurde.

Durch Straßenblockaden wurde die Anreise der Neonazis verzögert. Die Polizei nahm etwa 80 BlockiererInnen fest und schleuste die ungefähr 150 Neonazis nach Moisling. Nachdem allerding auf der geplanten Demonstrationroute die ersten Barrikaden aufgebaut wurden und Bürgermeister Bouteiller erneut öffentlichen Druck auf die Polizeiführung ausgeübt hatte, entschied diese sich dazu, die Neonazis unverrichteter Dinge nach Hause zu schicken. Bei diesem Aufmarschsversuch zeigte sich die eigentliche Struktur des BRL. Die Angereisten kamen fast ausschließlich aus dem militanten Spektrum. Bei den Verhandlungen mit der Polizei waren zwar die führenden Kandidaten des BRL anwesend, verhandelt wurde jedoch nur von Christian Worch und Thomas Wulff.

Nach diesem, für die Neonazis frustrierenden Tag, schäumte die Lübecker Presse. Angegriffen wurde neben dem "Bündnis gegen Rassismus" besonders Bürgermeister Bouteiller, der sich mit »linken Gewalttätern ... verbündet« hätte, während die Rechten ja friedlich gewesen wären. Die Tageszeitung "Lübecker Nachrichten" führt diesen Kleinkrieg gegen linke Gruppen und besonders Bouteiller seit längerem. Sie bereicherte ihr politisches Repertoire während des Wahlkampfes dadurch, das sie das BRL regelmäßig zu Wahlkampfthemen Stellung beziehen ließ.

2. Demonstration unter Polizeischutz

Nachdem die Pläne, am 14. März 1998 einen weiteren Wahlkampfaufmarsch durchzuführen, bekannt wurden, fand sich erneut ein relativ breites antifaschistisches Bündnis zusammen. Die Neonazis hatten zunächst beabsichtigt, im Lübecker Stadtzentrum zu marschieren, verlegten ihre Planung aber - vermutlich nach Gesprächen mit der Polizei - in den Stadtteil St.Lorenz Nord. Der Stadtteil liegt direkt an der Autobahn Lübeck-Oldenburg (Holstein) und war für eventuelle Polizeimaßnahmen bestens geeignet. Im Vorfeld wurden alle antifaschistischen Aktivitäten am 14.03.98 im Stadtteil verboten. Das Lübecker "Bündnis gegen Rassismus" organisierte eine Demonstration und eine gemeinsame Kundgebung mit GewerkschafterInnen und der SPD. Parallel dazu sickerten mehr oder weniger organisierte Kleingruppen von Antifas in den Stadtteil ein. Die Polizei schleuste die Neonazis direkt von der Autobahn auf einen Parkplatz.

Während sich die Antifaschistinnen im Stadtteil verteilten, kam es zu ersten Auseinandersetzungen, als die Polizei einige verstreute Neonazis zum Treffpunkt eskortierte. Ab 12.30 Uhr gab die Polizeiführung per Funk durch, nunmehr alle Antifas im Stadtteil festzunehmen. Dies gelang allerdings nicht so schnell wie geplant. Als sich die Nazis gegen 13 Uhr formierten, begannen etwa 80 Antifas die Straße, zu blockieren und improvisierte Barrikaden zu errichten. Die Polizei griff schnell ein und nahm die ersten Antifas fest. Die antifaschistischen DemonstrantInnen begannen dann - soweit sie sich der Polizei entziehen konnten - im Stadtteil kleinere Verkehrshindernisse zu errichten. Daraufhin durchkämmten Polizeihundertschaften den Stadtteil und versuchten, möglichst viele Menschen festzunehmen. In der Zwischenzeit gelang es mehreren hundert Antifas von der Demonstration in der Innenstadt nach St-Lorenz zu gelangen. Auf dem Platz, wo die Neonazikundgebung stattfinden sollte, sammelten sich über 100 Menschen, die von Wasserwerfern und knüppelnden Polizisten eingekesselt, weggejagt, oder festgenommen wurden. Um 15.00 Uhr ließ die Polizei dann die Neonazis aufmarschieren. Angeführt von einem Räumpanzer und zwei Wasserwerfern sowie einer Polizeihundertschaft marschierten die Neonazis auf der geplanten Route. Sie kamen erst kurz vor dem Kundgebungsplatz zum Stocken, weil sich dort immer noch AntifaschistInnen befanden. Die Polizei räumte schließlich den Platz und ermöglichte somit die zweistündige Kundgebung des BRL.

Währenddessen die Neonazis schon auf der Abfahrt waren, war die Polizei immer noch damit beschäftigt, die über 400 festgenommenen Antifas »aufzunehmen«. Die Gefangenen wurden im Polizeipräsidium zum Teil in Parkdecks, Garagen, aber auch in Containern festgehalten. Die Festnahmen wurden teilweise willkürlich mit Landfriedensbruch oder dem Polizeigesetz begründet.

BRL von "Freien Kameradschaften" dominiert

Gegen Mittag hatten sich am Treffpunkt nicht mehr als 300 Neonazis versammelt. Ein Querschnitt aus der gesamten Funktionärsebene der "Freien Kameradschaften" war hier vertreten. Die Hamburger Neonazi-Kader und ihr Umfeld waren quasi komplett angetreten. Aus Süddeutschland war Christian Hehl (Ludwighafen) angereist, aus dem Ruhrpott Siegfried Borchardt (Dortmund) und Dieter Riefling (Hildesheim), dazu kamen Thorsten Heise (Northeim), der Neonazimusikvertreiber Jens Hessler aus Lingen, Bernd Stehmann und Meinhard Otto Elbing aus Bielefeld, Olivert Schweigert und Christian Wendt aus Berlin sowie Thekla Kosche ("Asgard BBS"/„Nordland-Netz“) aus Bad Segeberg. Aus dem JN-Spektrum war zumindest Achim Ezer (Köln) anwesend. Alle Kandidaten des BRL mitsamt Umfeld durften natürlich nicht fehlen. Thekla Kosche und andere Anti-Antifa AktivistInnen bewegten sich währenddessen beinahe ungestört im Stadtteil und fotografierten Antifaschistinnen. Die Betreiberin des Buchversand "Aldebaran" will sich im "Thule Netz" unter ihrem Pseudonym "Gothmag99" mit Anti-Antifa-Arbeit profilieren.

Als Redner traten in Lübeck schließlich Thomas Wulff und Christian Worch für die Hamburger Neonazi-Szene auf. Für die regionale NPD-Führung sprachen Ingo Stawitz, Reinhard Kessow und Uwe Schäfer. Achim Ezer (JN) und Tanja Bayen (Algermissen/Hannover) sprachen als auswärtige UnterstützerInnen.Am Ende marschierten die Neonazis zu ihren Autos zurück und verließen Lübeck, wie sie gekommen waren. Ein vollbesetzter Doppeldeckerbus mit norddeutschen Nazis brachte diese anschließend nach Neumünster, wo man im »Club 88« den Abend "stilgemäß" beendete.

Fazit

Der Wahlausgang am 23. März 1998 kam nicht besonders überraschend. Bei Wahlen in den letzten zehn Jahren erhielten ultra-rechte bis neofaschistische Parteien zusammengerechnet bis zu 11 Prozent der Stimmen. Lübeck ist seit jeher eine rechte Hochburg. 3,6 Prozent bedeuten daher weder einen klaren Sieg, noch eine eindeutige Niederlege des BRL. Einerseits hatte sich die Gruppe ganz klar militant und offen neofaschistisch gegeben. Eine Haltung, die sicherlich einige seriöser gesinnte WählerInnen vergrault hat, die eventuell REPs oder DVU gewählt hätten. Außerdem hatte die antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit dazu geführt, daß das BRL sich nicht hinter der Maske des rechten Biedermannes verstecken konnte. Andererseits bedeuten 3,6 % für eine Gruppe mit einem solchen Auftreten doch ein enormes militantes, neofaschistisches Potential. Mit 5 % hätte der Kreis um Worch und Wulff mit Sicherheit einen enormen politischen Triumph (gegenüber der NPD) gefeiert.

Ausblick

AntifaschistInnen aus der Region erklären abschließend:

"So bleibt abschließend nur zu bemerken, daß zwar das Schlimmste abgewendet wurde und sich die antifaschistische Arbeit, insbesondere die Bündnisarbeit, bewährt hat. Andererseits muß auch gesehen werden, daß das "Lübecker Bündnis gegen Rassismus" mit diesen Aktivitäten an seine Grenzen gestoßen ist. Wollen wir unter ähnlichen Bedingungen gegen den erwiesenen Willen einer Landeregierung antifaschistischen Widerstand durchsetzen, so müssen wir unseren direkten Einfluß im gewerkschaftlichen und bürgerlichen Lager deutlich vergrößern. Die Landesregierung hat anhand der Demonstration vom 14.03.1998 deutlich gemacht, daß sie ihre Law-and-order-Politik öffentlichkeitswirksam umsetzt - sie verschaffte sich damit eine entsprechende Glaubwürdigkeit bei ihren rechten Wählern. Die Mobilisierungsfähigkeit der Lübecker SPD-Ortsgruppen und der antirassistischen GewerkschafterInnen war sehr begrenzt. Wenn wir in diesem politischen Spektrum mehr Unterstützung gewinnnen wollen, müssen wir daher unsere Arbeit innerhalb dieser Strukturen verstärken. Einmal mehr zeigen die Geschehnisse in Lübeck, daß wir weit außerhalb unseres politischen Umfeldes aktiv werden müssen, wenn wir tatsächlich breiteren gesellschaftlichen Einfluß gewinnnen wollen. Dabei werden wir nicht umhin kommen, unsere Arbeit auch inhaltlich stärker zu verbreitern: GewerkschafterInnen müssen wir beispielsweise verdeutlichen, daß der Auftrieb neofaschistischer Parteien einen direkten negativen Einfluß auf die Durchsetzung der ArbeitnehmerInnen-Interessen hat, da Rassismus zur Spaltung der Arbeiterschaft und damit zur Schwächung der Gewerkschaften führt. Gerade im Superwahljahr 1998 werden solche, eher allgemeinpolitischen Ansätze, eine große Rolle spielen. Für uns eine Chance, einerseits die reine »Anti-Nazi-Politik« zu überwinden und andererseits breitere gesellschaftliche Schichten anzusprechen."