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Sozialdumping am Bau

Einleitung

Auf den Baustellen werden Stammbelegschaften und Wanderarbeiter systematisch gegeneinander ausgespielt. Lohn- und Sozialdumping sind an der Tagesordnung. Der ausgehandelte Mindestlohn wird ebenso unterlaufen wie Bestimmungen zum Arbeitsschutz. Davon profitieren nicht nur zwielichtige Arbeitsvermittler, sondern auch vermeintlich seriöse Baubetriebe. Wenn wir uns also mit Versuchen von rechts beschäftigen, die soziale Frage zu besetzen, so ist eine Betrachtung des rassistischen Alltags auf dem Bau unerläßlich.

Symbolbild von Oliver; CC BY-NC 2.0, flickr.com

Rassismau auf dem Bau

In den letzten Jahren wurden auch ausländische Bauarbeiter zunehmend Opfer rassistischer Vorurteile. Ein Beispiel dafür ist die Demonstration von Bauarbeitern im Juni 1998. 15 ostdeutsche Verbände der mittelständischen Bauwirtschaft hatten dazu aufgerufen, gegen »Wettbewerbsverzerrungen durch ausländische Billiganbieter und Lohnanbieter« zu demonstrieren. Dabei wurde u.a. ein Transparent mit der Aufschrift »Vorrang für einheimische Beschäftigte in der Krise« getragen. Ein Rechtsruck ist auch bei deutschen Maurern oder Betonbauern zu verzeichnen. Zur letzten Landtagswahl in Baden-Württemberg machten doppelt so viele von ihnen ihr Kreuz bei den rechten "Die Republikaner" (REP) wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Hintergrund ist eine zunehmende Ethnisierung der sozialen Konflikte am Bau, die vor allem durch politische Unterlassungen bedingt ist.

Ausbeutung auf dem Bau

Seit 1993 in Europa die Freizügigkeit und damit auch die ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit eingeführt wurde, können ArbeitnehmerInnen in jedem Mitgliedsland eine abhängige Beschäftigung aufnehmen, und Firmen können ihre Arbeitnehmerinnen in ein anderes EU-Land entsenden. Dieser Regelung steht jedoch bis heute keine Angleichung der sozialen Standards gegenüber. Die Beschäftigung portugiesischer, italienischer oder britischer Bauarbeiter, die in der Bundesrepublik nicht sozialversicherungspflichtig sind und teilweise in ihren Heimatländern einen weitaus geringerem Lohn erhalten, ist für die deutschen Bauunternehmen natürlich billiger und verdrängt Arbeitskräfte, die in der Bundesrepublik wohnen und leben müssen. Nicht nur eine überproportional hohe Arbeitslosigkeit in der Baubranche, sondern dann auch Lohn- und Sozialdumping oder die Auflösung und Umgehung von Tarifverträgen sind die Folge.

Der Forderung der Gewerkschaft nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort wurde mit dem seit 1997 geltenden Arbeitnehmerentsendegesetz zwar nicht entsprochen, doch immerhin ein Mindestlohn von 17,- DM (West) und 15,65 DM (Ost) eingeführt. Dieser wird jedoch systematisch unterlaufen. So hat z.B. der Baukonzern Z., der auf mehreren Berliner Baustellen arbeiten läßt, über sein 100%iges portugiesisches Tochterunternehmen Z. portugiesische Arbeitnehmer zu Löhnen von 4,08 DM bis 4,61 DM angeworben. Die portugiesischen KollegInnen hätten den Mindestlohn zwar einklagen können, jedoch nur beim Arbeitsgericht in Lissabon. Doch schon aus Angst vor Entlassung oder Repressalien nutzt niemand diese Option. Ein Verbandsklagerecht, das z.B. einer Gewerkschaft den Rechts weg eröffnen würde, gibt es nicht. Andere Firmen zahlen zwar offiziell den Mindestlohn, ziehen ihren Beschäftigten dann jedoch Wucherpreise für Unterbringung, Nahrungs- oder Arbeitsmittel wieder ab, so daß die Betroffenen letztlich wieder kaum mehr Lohn erhalten. Nicht selten werden die Arbeitnehmer auch von Sub-oder Subsubunternehmen im Ausland angeworben, die nur als Briefkastenfirmen oder Scheinfirmen fungieren und gar keine Löhne zahlen. Diese Firmen sind in der Regel überhaupt nicht rechtlich zu belangen. Sie wickeln ihre Geschäfte mit dem Generalunternehmen der Baustelle ab und wechseln dann Adresse oder Firma.

Auf der Strecke bleiben die ArbeitnehmerInnen, denn im Arbeitnehmerentsendegesetz ist keine Durchgriffshaftung vorgesehen, nach der die Generalunternehmer für Rechtsverstöße ihrer Subunternehmen haftbar gemacht werden könnten. Die ArbeiterInnen werden nicht selten illegal, das heißt auch ohne Krankenversicherung, beschäftigt. Im Falle von Krankheit - das geht auch aus Berichten mehrerer Botschaften der betroffenen Länder hervor - erhalten sie keine ärztliche Versorgung oder werden einfach entlassen und sich selbst überlassen. Nicht selten fehlt ihnen am Ende sogar das Geld für eine Rückfahrkarte. Illegal Beschäftigte sind besonders gut erpressbar und müssen bei Baustellenrazzien obendrein als Sündenböcke herhalten. Werden sie abgeschoben, sparen die Unternehmen häufig noch den bislang nicht ausgezahlten Lohn. Sowohl die Behörden als auch einige GewerkschaftsvertreterInnen reagieren auf diese Zustände mit Repression gegen die Wanderarbeiter, anstatt sie vor der skrupellosen Ausbeutung der Unternehmen zu schützen. So kritisierte der polnische Sozialrat insbesondere das restriktive Arbeitserlaubnisrecht, das osteuropäische Werkvertragsarbeiter in eine Abhängigkeit vom Arbeitgeber bringt, der ihnen die Erlaubnis beschafft. Weil ArbeitnehmerInnen bei der Aufdeckung irregulärer Bedingungen im Arbeitsverhältnis sowohl Arbeitserlaubnis wie Einkommen verlieren, entsteht ein absurdes gemeinsames Interesse, diese Beschäftigungsverhältnisse nicht aufzudecken. Wie die aufenthaltsrechtliche Situation die Aufklärung von Rechtsverstößen erschwert, erfuhren zwei polnische Werkvertragsarbeitnehmer, die zusammen mit dem polnischen Sozialrat schon 1995 öffentlich gegen die Arbeits-und Lohnbedingungen der Firma R. aus Wroclaw - mit Zweigniederlassung in Berlin - vorgehen wollten. Ein Arbeitnehmer wurde fristlos gekündigt und von der Ausländerbehörde noch am selben Tag zur Ausreise aufgefordert. Der polnische Sozialrat fordert darum statt Repression eine Vergrößerung des Spielraums für zugewanderte ArbeitnehmerInnen, in dem Konflikte ausgetragen werden können.

Auch in der IG Bau gibt es Versuche, durch Kooperation mit anderen europäischen Gewerkschaften wenigstens zur Information und Beratung der Wanderarbeiter beizutragen. Repressiv auf die Betroffenen wirken sich auch die Baustellenrazzien aus, die nicht selten in Kooperation von Behörden und Gewerkschaftsvertretern durchgeführt werden. Sie richten sich nicht gegen die skrupellos handelnden Unternehmen, sondern wiederum gegen Menschen, die aufgrund einer Notsituation gezwungen sind, hier unter den schlechtesten Bedingungen zu arbeiten.

Perspektiven

So sehr gerade das Verhalten der IG Bau in diesem Punkt zu kritisieren ist, kann andererseits aber auch nicht zugelassen werden, daß die Baustellen zum Experimentierfeld für die Zerstörung des Sozial- und Tarifgefüges werden. Die Arbeitgeber nutzen die Notsituation von Menschen nämlich systematisch aus, um die Bauarbeiter aus verschiedenen Ländern aufeinanderzuhetzen und letztlich die Lohn- und Arbeitsbedingungen für alle zu verschlechtern. Ursache dieses Dilemmas ist auch die europäische Vereinigung nach Vorgaben und Interessen der Arbeitgeber und der Wirtschaftsunternehmen. Während einerseits der freie Fluß von Waren und Dienstleistungen gewährleistet wird, werden andererseits die Angleichungen der Sozial- und Lebensstandards systematisch versäumt. Während die Erwerbslosen verschiedener Länder im Rahmen eines europäischen Arbeitsmarktes gegeneinander ausgespielt werden, gibt es kaum politische Initiativen einer gemeinsamen europäischen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder gar zu einer Überwindung des Rassismus bzw. der Ethnisierung des Konfliktes auf dem Arbeitsmarkt. Hier müßten sich die ArbeitnehmerInnen der verschiedenen Länder zusammentun. Das wäre zwar keine Lösung des Dilemmas, würde aber wenigstens zur Schaffung eines gemeinsamen Bewußtseins beitragen. Vielleicht könnten solche Initiativen einige Verbesserungen auf den Weg bringen und mehr Rechte für Einzelpersonen beanspruchen, weil sie als Vertretung von diesen auftreten würden.