Illegalisierung und Arbeit. Von der Entrechtung zum Recht auf Legalisierung
Miltiadis Oulios (kanak attak) (Gastbeitrag)Etwa eine halbe bis eine Million Menschen leben in Deutschland ohne legale Aufenthaltspapiere. Je nach politischer Intention wird diese Zahl gerne nach unten oder oben übertrieben. Auch Linke machen sich oft den staatlichen Blick zu eigen. Dieser versucht einerseits, eine Menge fassbar zu machen, die er nicht vollends kontrollieren kann – eben jenes Gros an »Dunkelziffer«, die jenseits der ohne Aufenthaltspapiere aufgegriffenen Personen nicht in die offizielle Statistik eingeht. Gleichzeitig setzt dieser Blick eine Trennlinie, die so genannte »Menschen ohne Papiere« erzeugt und eine Gruppe konstituiert, die dann per definitionem unsichtbar sein muss und als politisches Subjekt gelöscht werden soll.
Statt dessen gilt es zu erkennen, dass selbst Leute ohne einen legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland Rechte besitzen und sich Rechte nehmen. Illegalisierung ist eben nicht gleichzusetzen mit »Papierlosigkeit«, ist nicht als Zustand, sondern als Prozess zu begreifen, als stufenweise Entrechtung. Aber auch Entrechtete nehmen sich Rechte: Menschen, die trotz Anwerbestopp in den siebziger Jahren, trotz Rückführungsprämie in den achtziger Jahren oder trotz Ablehnung ihres Asylantrags in den neunziger Jahren im Land geblieben sind und bleiben. Oder die auch ohne Arbeitserlaubnis ihre Arbeitskraft zu einem besseren Preis als anderswo verkaufen wollen und in Deutschland arbeiten.
Der offene und verdeckte, alltägliche und explizite Widerstand der KanakInnen ist ein geeigneterer Anknüpfungspunkt als die übliche Skandalisierung der schlechten Verhältnisse allein. Mit den Roma in NRW und den libanesischen Flüchtlingen in Bremen etwa haben im vergangenen Jahr zwei Gruppen durch ihren kontinuierlichen Widerstand erreicht, dass die meisten von ihnen bislang nicht abgeschoben wurden. Obwohl sie schon seit über einem Jahrzehnt in Deutschland leben, besitzen sie immer noch kein Aufenthaltsrecht – gleichwohl haben sie sich durch ihr Hierbleiben das Recht auf Einwanderung kollektiv genommen.
In einer Legalisierungsoffensive geht es um mehr als nur um nacktes Bleiberecht. Ein Job ist Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis. Die Ausländerbehörden vergeben diese an ehemalige Flüchtlinge - gerne aber nur befristet für drei Monate, oder zwei oder nur eine Woche – reine Schikane. Damit lässt sich wiederum beim Arbeitsamt keine Arbeitserlaubnis ergattern und wenn, dann wieder nur befristet, womit sich kein richtiger Job finden lässt. »Es ist unser Recht hier zu bleiben«, lautet die Antwort auf diese Entrechtungsmaschine.
Menschen, die ohne Aufenthaltspapiere in Deutschland arbeiten, sind nicht rechtlos, nur weil sie »papierlos« sind. Eine illegal beschäftigte Haushaltshilfe in Niedersachsen hat erfolgreich ihren Lohn eingeklagt. Bei der Lohndurchsetzung illegalisierter ArbeitnehmerInnen ist auch der Polnische Sozialrat in Berlin engagiert. Er informiert in mehrsprachigen Infoblättern, wie Leute, die um ihren Lohn geprellt wurden und keine Aufenthaltspapiere besitzen, dennoch ihren Lohn einklagen können.
Illegalisierung ist nicht vom Rest der Migrationspolitik zu trennen. Sie ist Teil eines Gesamtregimes, das Rechte zurückhält und damit ungleiche Lebenschancen produziert. In Deutschland leben etwa acht Millionen so genannte AusländerInnen, etwa die Hälfte besitzt nur befristete Aufenthaltspapiere. Statt sich auf den staatlichen Diskurs um Zuwanderungsquoten einzulassen, sollte es darum gehen, dass die Menschen nicht mehr wegen ihres Aufenthaltes zur Ausländerbehörde müssen und dass ebenso jene, die hier ohne Papiere leben, sich legalisieren können und Aufenthaltsrechte erhalten.
Die Perspektive einer Bewegung für das Recht auf Legalisierung ist eine für soziale und politische Rechte - dort, wo man lebt -, die sowohl den Opferdiskurs als auch die staatliche Teilung in Flüchtlinge und MigrantInnen überwindet.