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NPD-ein verbotsresistentes Label ?

Einleitung

Am 18. März 2003 teilte das Bundesverfassungsgericht (BVG) mit, dass das Parteiverbotsverfahren gegen die NPD eingestellt wurde. Ein Blick in die Stellungnahme des BVG  macht deutlich, dass ausschließlich die Problematik der V-Leute ausschlaggebend für die Einstellung des Verfahrens war. Von daher hat die NPD nicht gewonnen, sondern vielmehr die Antragssteller verloren.

Der gewalttätige NPD-Funktionär Maik Spiegelmacher (mit Mikrophon) aus Greifswald.

Verfahrenshindernis V-Leute

Drei der sieben mitwirkenden RichterInnen äußerten massive rechtsstaatliche Bedenken an der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden und stellten »ein nicht behebbares Verfahrenshindernis« fest. Ihrer Meinung nach würde die »staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei. Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar [machen]«. Außerdem bemängelten sie, dass nach dem Einreichen der Verbotsanträge Anfang 2001 weiterhin geschnüffelt wurde.

Welche Motivation die Verfassungsschutzämter in dem ganzen Verbotsverfahren hatten bleibt unklar. Es macht den Eindruck, dass die politischen Forderungen nach einem Verbot der NPD im Sommer 2000 einige Schlapphüte vom bequemen Bürostuhl kippen ließ. Schließlich hatte man sich mit der NPD gut eingerichtet. Zwei V-Leute waren jeweils mehr als 20 Jahre dabei und überhaupt hatte man in jedem NPD-Vorstand ein bis zwei, manchmal auch drei V-Leute platziert. Nicht zuletzt finanzierten die Herren aus den Ämtern auch über Jahrzehnte den Aufbau von neonazistischen Strukturen mit und sicherten so auch in Zukunft ihren Arbeitsplatz.

Das wirft die Frage auf, inwiefern die Verfassungsschutzämter das Verbotsverfahren absichtlich torpediert haben. Die drei RichterInnen kritisierten auch, dass die Namen weiterer V-Leute nicht genannt wurden, so dass der Senat nicht beurteilen könne, »welche Teile (...) des vorgelegten Materials von (...) V-Leuten stammen und welche nicht«.

1:0 für wen?

Die NPD wiederum übte sich vor Gericht in Selbstverleugnung. Sie teilte beispielsweise im März 2002 dem BVG mit, dass die Verfassungsschutzämter »in vielen Fällen Einfluss auf ihr Verhalten und das ihrer Anhänger genommen [hätten]«. Das ist sicherlich richtig, aber eben auch falsch. Schließlich distanzierte man sich – als die V-Mann-Tätigkeit noch nicht bzw. kaum bekannt war – nicht von den Aktivitäten dieser Mitglieder. Entweder war die Toleranz bei diesen Leuten zufällig besonders groß, oder die NPD als Partei stimmte eben doch mit den Inhalten und Aktivitäten ihrer unerkannten V-Leute überein.

Politisch, aber auch juristisch ist die Einstellung des Verfahrens richtig. Politisch, weil die NPD nur ein Teil des Problems ist. Die extreme Rechte gedeiht in der Mitte der Gesellschaft. Beispielsweise schafft die staatlich legitimierte Einteilung von AusländerInnen in gut (»Green-Card«) und schlecht (»Asylanten«) erst ein derartiges Klima in der vielbeschworenen Zivilgesellschaft. Da helfen schlussendlich auch staatlich finanzierte Homepages gegen rechts nichts. Juristisch ist die Einstellung ein Dämpfer für die Arbeit der Verfassungsschutzämter, da es die offensichtliche Unsinnigkeit ihrer Arbeitsweise deutlich machte. Und natürlich ist es nach dem Verfahren notwendiger denn je zu fragen, welchen Sinn die Arbeit des Schnüffler überhaupt hat. Denn selbst gerichtlich verwertbar – das zeigt nicht nur dieser Prozess – ist kaum etwas.

Den Anträgen zufolge sollte das Verbot ursprünglich erfolgen, weil die NPD »nationalsozialistisch, antisemitisch, rassistisch sowie antidemokratisch geprägt« sei. Dies sei mit einer »aggressiv-kämpferischen Weise« verbunden. Belegen lässt sich dies – ein Blick in die Publikationen der Partei reicht dafür aus – bis in die Gegenwart hinein. Und selbst die »aggressiv-kämpferische Weise« einzelner Mitglieder wurde in Vergangenheit und Gegenwart (siehe nachfolgende Seiten) hinreichend dokumentiert. Von daher ist der NPD-Slogan nach dem Urteil – »1:0 für Deutschland« – platteste Selbstüberschätzung und politischer Blödsinn. Doch über die Inhalte wurde ja nicht mehr gesprochen. Wer sich in den Reihen der NPD-Funktionäre umschaut, braucht keinen Verfassungsschutz, um ein »aggressiv-kämpferisches Potenzial« nachzuweisen. Viele von ihnen fallen seit Jahrzehnten durch gewalttätige Überfälle auf. Beispielhaft seien hier die NPD-Funtionäre Patrick Curths (Brandenburg) und Maik Spiegelmacher (Mecklenburg Vorpommern) genannt.

Plaudernder Messerstecher: Patrick Curths

Über die an sich recht unspektakuläre Gründung eines NPD-Ortbereichs Nauen (Brandenburg) berichtet die NPD Berlin-Brandenburg in ihrer Postille »Zündstoff« Anfang diesen Jahres. Spannender ist da schon der Hinweis, dass jene Ortsbereichsgründung »in Anwesenheit des stellvertretenden Vorsitzenden der Brandenburger NPD, Patrick Cuhrts«1 , vonstatten ging. Der ehemalige Aktivist der verbotenen NF und der Brandenburger Sektion der rassistischen Hammerskins2 , war an verschiedenen Überfällen beteiligt. Nachdem im November 1992 der Brandenburger Nazijugendclub von AntifaschistInnen beschädigt wurde, fuhr Patrick Curths mit zwei weiteren Neonazis durch die Stadt, um vermeintliche Linke zu attackieren. Sie fanden ein Opfer »dem Curths ein Messer in den Rücken stach, während u.a. Alexander M. die Begleiterin des Mannes bedrohten3  

Nachdem Curths (Ketzin) gerade einmal vier Tage mit dem Vorwurf des »versuchten Totschlags« in Untersuchungshaft in der JVA Luckau eingesessen hatte, wandte er sich am 24. Dezember 1992 mit einem Brief an die Strafverfolgungsbehörden, in dem er anbot, ihnen Informationen über Wehrsportgruppen (WSG) im Umland von Brandenburg zu geben. Auch könne er »inoffziel Treffs und nächtliche Randale rechtzeitig der Polizei melden«.4 Im postscriptum schreibt Cuhrts: »Angebot an Polizei und Verfassungsschutz bitte vertraulich behandeln«. Am 16. Februar 1993 traf er sich dann mit einem Staatsanwalt sowie Beamten des Potsdamer Staatsschutzes und des BKA, um die Namen jener »Kameraden« zu nennen, die zur Bildung von Wehrsportgruppen an ihn herangetreten waren – darunter seinen Mittäter Alexander M.. Von großem Interesse waren auch Curths Angaben zur »Kameradschaft Kremmen« und »Kamerad« Jens Og5 , gegen den wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung« ermittelt wurde.

Nachdem sich Curths im März 1993 an einer Gefangenen-Meuterei in der JVA Luckau beteiligte, kündigte dessen Vater Fritz Curths der Anstaltsleitung an, eine »Interessengemeinschaft« betroffener Eltern zu gründen. Womit wohl eher die Neonazi-Gefangenen-«Hilfsorganisation« HNG gemeint war, bei der Fritz Cuhrts von 1993 bis 1996 im Vorstand saß.6 Während Vater Cuhrts erklärte,  man müsse »auch einmal die menschliche Seite der Angelegenheit sehen«, gaben sich die Beteiligten weit kämpferischer: »Wir, etwa 30 an der Revolte beteiligten Skinheads (...) wollten Euch Kameraden draußen und allen überhaupt nur mal zeigen, daß wir (...) das kämpfen nicht verlernt haben.«7 Am 21. September 1993 wurde Patrick Curths für seine Messer-Attacke zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Übrigens seine damals zweite sehr milde Bewährungsstrafe, nachdem er im April 1991 er einen vietnamesischen Vertragsarbeiter zusammengeschlagen hatte und hierfür eine zweijährige Bewährungsstrafe  erhielt.8

Über seine Haftzeit verkündete Curths zwar wahrheitsgemäß »auch war ich nicht untätig in Haftzeit«9 , seine Anbiederung bei Polizei und Verfassungsschutz hing er aber anscheinend nicht an die große Glocke. So jubelte die HNG-Schriftleitung: »Kameraden Patrick hat der Systemterror allerdings nicht beeindrucken können« und überließ ihm die Gefangenenbetreuung in der JVA Brandenburg. Nach seiner Haftentlassung fiel Cuhrts u.a. am 30. Dezember 1994 auf, als er im Jugendclub Nauen ein Konzert mit den Neonazibands Independent (Nauen) und Thors Hammer (Brandenburg) organisierte.10 Am 13. Mai 1995 fuhren zwei von Neonazis besetzte PKW in eine Gruppe von BesucherInnen eines Hardcore Konzertes im Jugendclub Ketzin, sprangen aus den Autos, griffen die BesucherInnen an und verletzten einige von ihnen. Unter den bewaffneten Angreifern erkannten einige Betroffene Patrick Curths.10 Strafrechtliche Folgen? – Keine bekannt.

Spiegelmacher - Ein Jahrzehnt Gewalt

Als Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Greifswald hatte sich Maik Spiegelmacher in den letzten Jahren verstärkt und durchaus erfolgreich um ein bürgernahes, biedermännisches Image bemüht. Dabei ist der schon zu DDR-Zeiten aktive Neonazi vor allem als Schläger über die Grenzen Greifswalds hinaus bekannt. Derzeit sitzt Spiegelmacher denn auch wieder in Untersuchungshaft in der JVA Franzenshöhe in Stralsund. Er soll in der Nacht zum 20. März diesen Jahres in seiner Wohnung zusammen mit einem bislang unbekannten Mittäter einen »Kameraden« in seiner Wohnung verprügelt haben. Anschließend wurde der 18jährige im Auto auf eine Wiese verschleppt, wo er sich nackt ausziehen musste und erneut verprügelt wurde. Zur Abschreckung sollen Spiegelmacher und Co. ihr Opfer dann nach Greifswald zurückgebracht und an einen Laternenpfahl gebunden haben. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung.11

Derweil wird in Neonazikreisen gestritten, ob Maik Spiegelmacher tatsächlich, wie von den Sicherheitsbehörden gemeldet, aus der NPD ausgetreten ist. Zwar wählte der NPD-Kreisverband Greifswald am 17. April 2003 einen neuen Vorsitzenden, doch auf der Neonaziwebsite stoertebeker.net heißt es, aus NPD-Kreisen sei die Meldung relativiert worden; Spiegelmacher sei lediglich von seinen Parteiämtern zurückgetreten. Zudem habe Spiegelmacher selbst erklärt, er sei keineswegs von seinen Ämtern zurückgetreten.12 Maik Spiegelmacher kann auf eine lange Karriere als Schläger zurückblicken. Im April 1992 verurteilte das Amtsgericht den damaligen Chef der »Greifswalder Nationalen Sozialisten« (GNS) u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz zu eineinhalb Jahren Jugendstrafe.13 Spiegelmacher hatte zwei Mitangeklagten zur Herstellung von Brandsätzen und zu einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim angestiftet. Mittlerweile verfolgt er seine rassistische Linie mit einer "Bürgerinitiative gegen weitere Zuwanderung".

Im April 1993 verurteilte das Landgericht Stralsund Spiegelmacher wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes und Anstiftung zu gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren, nachdem Spiegelmacher und »Kameraden« einen marokkanischen Studenten mit Baseballschlägern angegriffen und lebensgefährlich verletzt hatten.14 Ein Jahr später verurteilte ihn das Amtsgericht Neubrandenburg wegen gefährlicher Körperverletzung zu zehn Monaten Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung, weil er bei einem Angriff auf das Neubrandenburger »Haus der Jugend« dabei war, bei dem ein linker Jugendlicher zusammengeschlagen wurde.15

Im November 1996 folgte eine Verurteilung des Amtsgericht Greifswald wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, weil  Spiegelmacher 1995 den offenen Schwulen-Treff des »Rosa Greif« besucht und die Gäste mit NS-Sprüchen beleidigt hatte.16 Nachdem er 1997 wegen »guter Führung« vorzeitig aus der Strafhaft entlassen wurde, rettete ihn die Aussage seiner Mutter 1999 vor einer erneuten Verurteilung, obwohl mehrere Zeugen ausgesagt hatten, dass Spiegelmacher während des NPD-Wahlkampfs 1998 an einem Überfall auf Jugendliche in Greifswald beteiligt gewesen sei. Zum Zeitpunkt seiner jüngsten Festnahme hatte Spiegelmacher eine offene Bewährungsstrafe.17

NPD: Ein verbotsresistentes Label

Mit dem Ende des Verbotsverfahrens erlebt die NPD keinen dritten Frühling, sondern stagniert auf dem Niveau der letzten zwei Jahre – mit leicht rückläufigen Mitgliederzahlen auf derzeit knapp 5.500. Denn wenn es um Angebote einer neonazistischen »Erlebniswelt« geht, sind die aktionistischeren Freien Kameradschaften der NPD um einiges voraus. Da sie auch oberflächlich keine Solidarität mit der nun nicht mehr repressionsbedrohten NPD an den Tag legen müssen, sehen die Freien Kameradschaften vielerorts auch keine Notwendigkeit mehr, eine gemeinsame Basis mit der NPD zu suchen. In manchen Regionen, wie beispielsweise in Norddeutschland, eskaliert der Streit zwischen Kameradschaften und NPD weiter.

In Sachsen-Anhalt ist die NPD längst bedeutungslos geworden. In einigen Regionen Nordrhein-Westfalens jedoch, wo sich Kameradschaften aufgelöst haben, profitiert die dienstälteste deutsche Neonazipartei derzeit von deren Aufbauarbeit. Noch steht es im szeneinternen Machtkampf zwischen NPD und Freien Kameradschaften um die Führungsrolle in der »nationalen Bewegung« unentschieden. Am 1. Mai brachten beide Seiten jeweils über 1.000 Anhänger auf die Straßen. Und ihre Funktion, niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten in die Neonaziszene und ein verbotsresistentes Label zu bieten, erfüllt die NPD nach wie vor.

  • 1Zündstoff # 1, 2003, Brandenburger Rund­schau, Gründung des NPD-Ortbe­reichs Nauen
  • 2Drahtzieher im braunen Netz, 1996 – Rechte Subkultur, S. 112
  • 3Hinter den Kulissen – Faschistische Aktivitäten in Brandenburg – Der Schein der Verschlafenheit trügt.
  • 4Schreibfehler im Original
  • 5Laut VS Bericht Brandenburg von 1995 war Jens Og ein "führender Aktivist" der "Direkte Aktion Mitteldeutschland / JF"
  • 6Blick nach rechts # 13, 26. Juni 1996.
  • 7Angriff # 3, 1993, Gefängnisrevolte
  • 8Hinter den Kulissen, Brandenburg – Der Schein der Verschlafenheit trügt.
  • 9Nachrichten der HNG # 155, Oktober 1993, Briefe an die Redaktion
  • 10a10bHinter den Kulissen # 3, 1995, Bullenspitzel dürfen prügeln
  • 11Ostsee-Zeitung, 21.3.2003
  • 12http://www.stoertebeker.net, Likedeeler Aktuell, 25.4.2003
  • 13Urteil AG Greifswald, 7.4.1992
  • 14Urteil LG Stralsund, 3.3.1993
  • 15Urteil AG Neubran­denburg, 10.3.1995
  • 16Urteil AG Greifswald, 15.11.1996
  • 17Urteil, LG Stralsund, 19. Dezember 2002