"Nationalrevolutionäre" an der Universität Oldenburg
Gegen StudentInnen der Universität Oldenburg wurde am 22. November 1988 - auf Weisung des niedersächsischen Kultusministeriums - Anklage wegen Verstoß gegen das niedersächsische Pressegesetz erhoben. Ihnen wird vorgeworfen ihre Zeitung "Lanzarote" „nicht von strafbaren Inhalten freigehalten zu haben“.
Prozess gegen antifaschistische StudentInnen
In der Hochschulzeitung war im Februar 1987 ein Artikel über das politische Wirken eines Professors der Universität abgedruckt. Der Prozeß sorgt an der Universität für einigen Wirbel und wird laut Berichten der Betroffenen nunmehr von der Staatsanwaltschaft "verschleppt". Der Artikel um den es hierbei geht, beschäftigt sich mit Gerd Vonderach, Professor und Leiter der Arbeitsgruppe sozialer Wandel des Fachbereichs Soziologie an der Oldenburger Universität. Vonderach versucht seit 1985, mit Hilfe der an der Universität herausgegebenen Zeitung "Gezeiten" ("Archiv regionaler Lebenswelten") als Regionalismus-Experte seine auch nationalrevolutionären Inhalte und Positionen zu verbreiten. Nebenbei ist er nach eigenen Angaben Vorsitzender eines "Instituts für regionale Forschung e.V."
In der Nummer 6 vom Dezember 1985 erschien Vonderachs Artikel mit dem Titel "Regionalismus und Nationale Identität". Der gleiche Artikel wurde im Mai 1986 von der "nationalrevolutionären" Zeitschrift "Wir Selbst"1 abgedruckt. Diesem Artikel wurde laut Prozess-BeobachterInnen sogar von dem Richter, der der Verhandlung gegen die StudentInnen vorsitzt, sein extrem rechter Inhalt bescheinigt. Was den Staatsanwalt jedoch anscheinend wenig beeindruckte. In einem taz-Artikel war sogar berichtet worden das ein Richter „neofaschistisches Gedankengut“ im Artikel "offenkundig" fand.2
In "Gezeiten" schreiben noch weitere wichtige Personen aus der "nationalrevolutionären" Szene. Der Chefideologe der "Nationalrevolutionären" Henning Eichberg (Thema "Balkanisierung für Jedermann"), der Mainzer Historiker Peter Bahn3 , der stellvertretender Bundesvorsitzender der rechtsökologischen Ökologisch-Demokratische Partei“ (ÖDP) Konrad Buchwald und einige andere mehr.
Der stellvertretende Vorsitzende des ultra-rechten Vereins "Gesamtdeutscher Studentenverband" (GDS), Peter Boßdorf, konnte in den „Gezeiten" ein Interview veröffentlichen. Peter Bahn und Vordach sollen laut Berichten von JournalistInnen und PolitikerInnen als Referenten beim GDS aufgetreten sein.4
Peter Bahn zählte zu den Kreisen des völkischen "Bund Deutscher Unitarier" (BDU) und schreibt zahlreiche Artikel für die Sprachrohre der "Neuen Rechten". In einem Artikel für „Junges Forum Regionalismus und nationale Befreiungsbewegungen in Europa“ 1986 spricht er sich für die Neuregelung auch der deutschen Grenzen anhand ethnischer Kriterien aus, wozu er auch die Revision der deutsch-belgischen Grenze zählt.
Die Staatsanwaltschaft ist nach Einschätzung linker StudentInnen angesichts dieser Tatsachen derzeit darauf bedacht den Prozeß gegen die StudentInnen zu "verschleppen", bis sich die Aufregung wieder gelegt hat. Die Aufdeckung der rechten Aktivitäten Vonderachs hatte an der Universität einen Skandal ausgelöst. Die meisten Professoren haben sich allerdings hinter ihn gestellt und stützen damit seine "nationalrevolutionäre" Publizistik. Sie verteidigen Vonderach im Namen der Wissenschaftsfreiheit. Dies zeigt, wie wenig an einer angeblich so fortschrittlichen Hochschule eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seiner Vorgeschichte und seinen Strömungen geübt wird. Das Vonderachs Mitglied des Gründungsausschusses der Universität Oldenburg war und dort seit 1974 als Professor lehrt, dürfte ihm eine gute Ausgangsposition in dem Konflikt verschaffen.
Wissen und Bewußtsein über die "nationalrevolutionären" Strömungen und die von ihnen vetretenen rechten Inhalte sind kaum vorhanden und antifaschistische Positionen dort noch immer nicht selbstverständlich. Der Prozeß gegen die antifaschistischen StudentInnen geht weiter.
- 1"Wir Selbst" 2/1986 (Mai Ausgabe)
- 2Die tageszeitung: "Ehrenrettung verpfuscht" vom 23.11.1988
- 3Die Verlags- und Buchvertriebsgesellschaft Helios wurde als ein nationalrevolutionärer Kleinverlag von Peter Bahn und Karl Heinz Pröhuber gegründet. Im Heliosverlag erscheint militärische, völkische bis esoterischen Literatur.
- 4Vgl. Drucksache 11/1659 Kleine Anfrage Jürgen Trittin, Landtag Niedersachsen