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Rechtsruck gegen den »Linkstrend«

Einleitung

Thomas Schneider ist sauer. Am 14. November 2011 ist er frühmorgens eigens nach Leipzig gefahren, um mit einigen Freunden von der »Aktion Linkstrend stoppen« auf dem CDU-Parteitag seinen Unmut zu äußern. Kaum hat er mit zwei Kollegen die Tagungsräume betreten, da ist schon der Security-Chef zur Stelle – und fordert ihn auf, das Gebäude unverzüglich zu verlassen. Nur persönlich angemeldete CDU-Mitglieder dürften am Parteitag teilnehmen. »Rausschmiss«, resümiert Schneider wütend: Mit solch harschem Umgang mit innerparteilicher Kritik mache sich die CDU »ganz sicher keine Freunde«, schimpft er. Er gehört dem christlich-konservativen Parteiflügel an – einem Flügel, in dem es seit geraumer Zeit erheblich rumort.

Bild: Faksimile aus der Kongress Werbung

Für so manchen am rechten Rand der CDU hat die »Berliner Erklärung«, die vom Bundesvorstand der Partei am 15. Januar 2010 veröffentlicht worden ist, das Fass zum Überlaufen gebracht. In ihr werden die zentralen politischen Perspektiven für die Jahre 2010 bis 2013 skizziert – und die sind der christlichen Rechten in der Union politisch zu liberal und ökonomisch zu sozial. Unter Angela Merkel betreibe die CDU »Multi-Kulti-Integrationspolitik«, habe außerdem vor der »Islamisierung« kapituliert und »linke Schulpolitik« übernommen: So steht es im »Manifest gegen den Linkstrend«, mit dem knapp einen Monat nach der »Berliner Erklärung« eine neue Initiative an die Öffentlichkeit getreten ist. Auch fördere die CDU-Spitze »linke Gesellschaftspolitik« (»Geschlechterumerziehung« und »Homo-Ehe«) und schweige in Sachen Schwangerschaftsabbruch. Dies alles müsse sie ebenso stoppen wie den »Marsch in den Schuldenstaat«, der durch knallharte Austeritätspolitik zu beenden sei.

Die »Aktion Linkstrend stoppen«, die am 14. Februar 2010 mit dem erwähnten Manifest ihren ersten politischen Auftritt hatte, ist von dem pensionierten Rechtsanwalt Friedrich-Wilhelm Siebeke aus Mettmann bei Düsseldorf initiiert worden. Siebeke, 1922 geboren, ist seit Jahrzehnten in der CDU aktiv; von 1968 bis 2004 gehörte er gar ihrem Bundesparteigericht an. In der »Aktion Linkstrend stoppen« hat er alle Kräfte versammelt, deren Mitwirkung er für nötig hält, um die Partei nach rechts zu rücken. Dazu zählen selbstverständlich prominente Figuren des rechtskonservativen Establishments wie Menno Aden (CDU), Vorsitzender der »Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft«, der emeritierte Politikwissenschaftler und »Junge Freiheit«-Kolumnist Klaus Hornung (CDU), der Burschenschafter Hans Merkel (CSU) oder der stellvertretende »Pax Europa«-Bundesvorsitzende René Stadtkewitz (früher CDU, heute »Die Freiheit«). Sie alle sind Erstunterzeichner des »Manifests gegen den Linkstrend«.

Vor allem aber hat Siebeke seine Kontakte im Rechtskatholizismus genutzt, um der Initiative eine möglichst breite Basis zu verschaffen. Für die »Aktion Linkstrend stoppen« setzt sich etwa Hubert Gindert ein, der Vorsitzende des Forums Deutscher Katholiken, das im September 2000 als rechtes Gegenstück zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken gegründet worden ist. Auf dem »Ersten Großen Konservativen Kongress«, den die Aktion am 6./7. Mai 2011 in Berlin durchführte, gehörte eine Rede des Journalisten Martin Lohmann zu den Höhepunkten. Lohmann (CDU), der im Umfeld des Kölner Rechtsaußen-Kardinals Joachim Meisner tätig ist, hatte am 15. November 2009 den »Arbeitskreis Engagierter Katholiken in CDU und CSU« (AEK) gegründet, der ebenfalls die Partei nach rechts rücken soll. Die »Aktion Linkstrend stoppen« wird denn auch in rechtskatholischen Kreisen aufmerksam rezipiert.

Das rechte Webportal kath.net, für das Lohmann regelmäßig schreibt, berichtet ebenso über Aktivitäten der Initiative wie kreuz.net, das der ultrarechten Priesterbruderschaft St. Pius X. nahesteht. Nebenbei: In politischen Fragen haben die Evangelikalen ganz ähnliche Positionen, und daher hat Siebeke dafür gesorgt, dass sie ebenfalls in die »Aktion Linkstrend stoppen« eingebunden sind. Thomas Schneider, stellvertretender Vorsitzender der »Christdemokraten für das Leben« in Sachsen und fast zehn Jahre für die evangelikale Nachrichtenagentur idea tätig, gehört ebenso dazu wie Klaus Motschmann, Politikwissenschaftler und »Junge Freiheit«-Kolumnist. Evangelikale Medien wie »ideaSpektrum« und das »Christliche Medienmagazin pro« halten ihr Publikum denn auch über die »Aktion Linkstrend stoppen« auf dem Laufenden.

Das ist für Siebeke & Co. recht wichtig, denn ein erheblicher Teil ihrer Aktivitäten besteht darin, Stellungnahmen zu aktuellen Themen abzugeben. Darüber hinaus reicht es nicht für viel. Zwar sollen inzwischen mehr als 7.500 Personen das »Manifest gegen den Linkstrend« unterzeichnet haben, doch ist die Zahl derjenigen, die an Veranstaltungen der Initiative teilnehmen, noch recht kläglich. Als »Aktion Linkstrend stoppen« im Mai 2011 zum »Offenen Konservativen Stammtisch« in Berlin einlud, kamen gerade einmal ein Dutzend Personen. Immerhin 15 sollen es gewesen sein, als sich wenig später die erste Regionalgruppe in Mainz traf. Ganze 20 Menschen konnte die Aktion im Juli 2011 bei ihrem ersten Stammtisch in Sachsen verzeichnen.

Immerhin öffnen sich inzwischen die ersten Landtags- und Bundestagsabgeordneten für die Anliegen der Initiative. »Mir ist es recht, dass es diese Aktion gibt«, erklärte im Juli 2011 der Vorsitzende der sächsischen CDU-Landtagsfraktion, Steffen Flath. Ende August hielt der für seinen Rechtsdrall bekannte hessische CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer eine Rede vor der Regionalgruppe der Aktion in Mainz. Anfang November folgte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch. Dass die CDU insgesamt die »Aktion Linkstrend stoppen« jedoch noch entschieden in die Schranken weist, ließ zuletzt der Hinauswurf von Thomas Schneider beim Parteitag in Leipzig erkennen.

Hat die Initiative eine Zukunft? Die rechtskatholischen und evangelikalen Milieus, die sie um sich scharen will, sind durchaus zahlenstark, lassen sich aber bislang nicht wirklich mobilisieren. Recht aktiv sind Rechtsaußen-Medien wie etwa die Junge Freiheit, PI-News oder die Blaue Narzisse, die über die Aktivitäten von »Aktion Linkstrend stoppen« immer wieder berichten. Auf dem »Ersten Großen Konservativen Kongreß« hieß es, man wolle eine rechte Protestbewegung werden; und als Vorbild wurde die Tea Party in den USA genannt. Nun – da fehlt denn doch noch ein wenig. Nur 150 Personen sollen an dem »Kongreß« teilgenommen haben, obwohl er mit einem besonderen Ereignis verbunden war: Martin Hohmann, 2004 wegen einer antisemitischen Rede aus der CDU ausgeschlossen, hatte auf der Veranstaltung sein politisches Comeback. Siebeke, der 2004 im Bundesparteigericht saß, hatte sich damals geweigert, Hohmanns Ausschluss zuzustimmen und ein Sondervotum dagegen hinterlegt. 2010 hat er das Buch »Der Fall Hohmann – Ein deutscher Dreyfus« publiziert. Hohmann gehört wie Siebeke dem Rechtskatholizismus an; bei der »Nationalwallfahrt« der Piusbruderschaft hat er am 3. September 2011 in Fulda eine Rede gehalten. Keine Frage: Der rechte Glaube verbindet. Größere Schlagkraft für die »Aktion Linkstrend stoppen« liefert er aber noch nicht.