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Polizeigewerkschaften mit rechten Tendenzen

Einleitung

Todesstrafe für Kindermörder? »Aus logischer Sicht«, befand der Polizist Heiko Timmer, müsse man der NPD-Forderung doch durchaus »beipflichten«. Zwar sei sie »dem modernen Deutschen« doch irgendwie etwas »wesensfremd« – aber was heißt das schon?

Rassistisches Motiv aus dem Kalender der Polizeigewerkschaft DPolG in Bayern.

Der Programmatik der NPD könne man, was etwa ihr Plädoyer für mehr Polizeipräsenz angehe, problemlos zustimmen, schrieb Timmer, wenngleich er anerkannte, dass der öffentliche Ruf der Partei nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinreiße: Der NPD schade das Image, das ihr »von allen Seiten angedichtet« werde, klagte der Autor und zitierte in seinem Artikel über die Positionen der großen Parteien in Thüringen in Sachen Innere Sicherheit lang und breit aus dem NPD-Parteiprogramm. Sein Text erschien im Herbst 2010 in der Thüringen-Ausgabe des Polizeispiegel, der offiziellen Zeitschrift der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Auf Empörung ist Ende Februar bundesweit ein Kalender gestoßen, den die DPolG in Bayern in einer Auflage von 3.000 Stück verteilt hatte. Der Kalender zeigte Karikaturen, deren rassistischer Charakter unübersehbar war; da wurde beispielsweise ein Mann mit dunkler Haut abgebildet, der von einem Polizisten festgenommen und mit dem Spruch lächerlich gemacht: »Was heiß' hie' Ve'dunkelungsgefah'...?!« Medien und Politik – jedenfalls außerhalb der extremen Rechten – verurteilten den Kalender einhellig, was aber offenkundig dazu führte, dass das Machwerk in den Reihen der Polizei auf gesteigertes Interesse stieß. Eigentlich habe man es schon »als Altpapier ... entsorgen« wollen, »weil wir ja mittlerweile März haben«, erklärte der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt: Nun aber sei nach der medialen Berichterstattung die Nachfrage nach dem Kalender noch deutlich in die Höhe geschnellt.

Rassismus in der deutschen Polizei ist immer wieder diagnostiziert und kritisiert worden. Im März 2001 äu­ßerte sich der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) besorgt wegen »wiederholter Berichte über rassistische Vorkommnisse in Polizeiwachen und die Misshandlung von Ausländern, ein­schließlich Asylbewerbern, und deutschen Staatsangehörigen ausländischer Herkunft durch Beamte der Strafverfolgungsbehörden«. Im Janu­ar 2004 legte Amnesty International einen umfangreichen Bericht vor, der äußerst detailliert rassistische Übergriffe deutscher Polizist_innen beleg­te. »Schwarze brennen nun mal länger«, äußerte ein Polizeioberrat knapp vier Wochen, nachdem im Januar 2005 Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt war (Vgl. AIB Nr. 86, AIB Nr. 76) – und von 25 Kollegen, die ihm zuhörten, widersprach nur ein einziger. Man könnte die Liste lange fortsetzen und sie noch um strukturelle rassistische Gewalt bei der Polizei erweitern, etwa um die Tötung des Sudanesen Aamir Ageeb, der – wegen seines entschlossenen Widerstandes gegen seine Abschiebung brutal gefesselt – am 28. Mai 1999, von Bundespolizisten gewaltsam niedergedrückt, starb.

Die Frage, die sich mit Blick auf den erwähnten rassistischen Polizeikalender stellt, ist jedoch eine andere: Bricht sich Rassismus, bricht sich extrem rechte Ideologie auch in denjenigen Verbänden Bahn, die als gewerkschaftliche Vertretungen der Polizistinnen und Polizisten dienen? Dabei muss zwischen den zwei großen Gewerkschaften unterschieden werden, die es im Bereich der Polizei gibt – zwischen der CDU-nahen DPolG und der SPD-nahen Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein genauer Blick zeigt: Rechtstendenzen sind in beiden Organisationen zu erkennen, wenngleich in durchaus unterschiedlicher Intensität.

Eine Untersuchung, die Aufschlüsse über das Innenleben der DPolG gibt, hat schon 1998 Martin Winter von der Universität Halle-Wittenberg vorgelegt. Winter nahm sich den Polizeispiegel vor, die Mitgliederzeitschrift der Organisation, die mit rund 80.000 Mitgliedern der kleinere der beiden Verbände ist. Er stellte fest, dass in dem Blatt 1992 kurz vor dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen »vehement ... Asylmißbrauch gescholten« worden sei: Da sei zum Beispiel von »Angst vor Überfremdung« die Rede gewesen, der Polizeispiegel habe »das Horror­szenario einer von Flüchtlingen überfluteten Republik an die Wand gemalt« und »Verständnis für Aktionen der fremdenfeindlichen Jugendlichen und der Anwohner von Ausländerheimen geäußert«. Erst als dies nach dem Pogrom nicht mehr opportun gewesen sei, habe die Zeitschrift umgeschwenkt – und »nach dem starken Staat, einer harten und konsequenten Bestrafung der rechten Gewalttäter gerufen«. Dass zu dieser Zeit der stellvertreten­de baden-württembergische REP-Landesvorsitzende Rolf Wilhelm von sich reden machte, weil er DPolG-Mitglied war, passt ins Bild.

Damals, zu Beginn der 1990er Jahre, war nicht nur die Einstellung zum Asylgesetz, sondern auch die Haltung gegenüber den REP eine zentrale Frage. Während Wilhelm nachwies, dass es möglich war, bei den REP und gleichzeitig in der DPolG aktiv zu sein, stellte die GdP eine solche Doppelmitgliedschaft ausdrücklich zur Debatte. Sie beschloss Ende Oktober 1990 schließ­lich die Unvereinbarkeit – nach allerdings kontrovers geführter Diskussion. Letzteres verdient Beachtung, da die GdP, mit 170.000 Mitgliedern deutlich größer als die DPolG, seit ihrer Gründung in den 1950er Jahren meist SPD-geführt war. Zudem gehört sie dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) an, während die DPolG im Deutschen Beamtenbund (dbb) organisiert ist. Strukturell sind die Unterschiede zwischen den beiden Verbänden also nicht zu übersehen.

Seiner durchaus weiter rechts stehenden Klientel trug der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt (CDU) im März 2012 Rechnung, als er erklärte, »die Behauptung, dass die NPD eine ernsthafte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung« darstelle, sei »schlicht falsch«. Auf seine Äußerung reagierte prompt die GdP, deren NRW-Landesvorsitzender Frank Richter bekräftigte: »Dass die NPD offen verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, ist unbestritten.« Trotz aller Differenzen darf die Gemeinsamkeit nicht übersehen werden, die beide Polizeigewerkschaften immer wieder an den Tag legen – etwa dann, wenn sie die Chance erhalten, sich vor einem Publikum zu Wort zu melden, dessen autoritäres Weltbild zum Beispiel starke Aufrüstung in der inneren Repression für durchaus wünschenswert erscheinen lässt. Das gilt etwa für die Junge Freiheit.

Für das ultrarechte Blatt sind nicht nur DPolG-Funktionäre als Autor (Bun­desvorsitzender Rainer Wendt) oder als Interviewpartner (der Berliner Landes­vorsitzende Bodo Pfalzgraf) aktiv gewesen; auch der heutige GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut (SPD) gab der Wochenzeitung bereits ein Interview. Thema: »Politisch motivierte Kriminalität«. Inhaltlich     herrscht dabei Einigkeit. Während DPolG-Chef Wendt der Jungen Freiheit erklärte, die Regierung müsse künftig »alles daransetzen«, Autonome »zu identifizieren und zu fassen«, ließ sich GdP-Chef Witthaut mit der Aussage zitieren: »Die politisch links motivierte Kriminalität darf nicht unterschätzt werden.« Gegen linke Kräfte ist der Konsens unter den polizeilichen Gewerkschaftsverbänden, die sich nach außen durchaus unterschiedlich geben, plötzlich wieder da.