Skip to main content

»Die Rechte« in NRW

Einleitung

Sammelbecken ehemaliger »Freier Kameradschaften«

Ende August 2012 verbot das Ministerium für Inneres und Kommunales in Nordrhein-Westfalen (NRW) drei der aktivsten Neonazi-Kameradschaften: den »Nationalen Widerstand Dortmund« (NWDO) um Dennis Giemsch, die »Kameradschaft Hamm« (KSH) um Sascha Krolzig und die »Kameradschaft Aachener Land« (KAL) um René Laube. Auf Betreiben der Dortmunder und Hammer Neonazis wurde daraufhin eine Reorganisierung in der Pfingsten 2012 – also bereits vor den Verboten – gegründeten (Möchtegern-)Partei »Die Rechte« (DR) um Christian Worch in Angriff genommen. 

Bereits am 15. September 2012 wurde ein NRW-Landesverband von DR mit Dennis Giemsch als Landesvorsitzendem gegründet, es folgten in den nächsten Monaten sieben  Kreisverbände sowie ein Bezirksverband. Auch die AkteurInnen der KAL haben zwischenzeitlich den Weg zu DR gefunden, seit Anfang Februar gibt es die Kreisverbände Aachen und Heinsberg. Hinzu kommen die »Nationalen Sozialisten Wuppertal« (jetzt DR-Kreisverband Wuppertal), die »Nationalen Sozialisten Münster« und »Autonomen Nationalisten Ahlen« (jetzt DR-Bezirksverband Münsterland), die ihre »Kameradschaften« offenbar aus Sorge vor einem Verbot »auflösten«, aber auch Überläufer aus der NPD, beispielsweise in den DR-Kreisverbänden Mülheim/Ruhr und Rhein-Erft. Von den in den letzten Jahren führenden »Freien Kräften« in NRW ist keine einzige aktive Gruppe im Spektrum der »Freien Kameradschaften« verblieben. Es bleiben lokale Strukturen wie die »Freien Kräfte Detmold«, die »Freien Kräfte Oberberg« und der »Nationale Widerstand Unna«. Von der bereits im Mai verbotenen »Kameradschaft Köln« war  seit den Razzien und Festnahmen gegen das »Aktionsbüro Mittelrhein« im März 2012 nichts mehr zu hören. Ihr Vorturner Axel Reitz wurde zwischenzeitlich wegen »Verrats« aus der Szene ausgestoßen, ebenso wie er müssen sich zwei weitere Mitglieder der ehemaligen »Kameradschaft Köln« vor dem Landgericht Koblenz verantworten.

Dreistigkeit siegt?

Innerhalb kürzester Zeit hatte der ehemalige NWDO – aktuell die bundesweit mitgliederstärkste und aktivste lokale Gruppe der DR  – seine Projekte innerhalb der »neuen« Struktur reaktiviert. Statt des »Infoportal Dortmund« gibt es nun das »Dortmund Echo« – die Funktion ist dieselbe, die Aufmachung der Internetseiten eine ähnliche. Auch die digitale Infrastruktur aus Dortmund wird weiterhin betrieben und genutzt. Als Ersatz für das beschlagnahmte »Nationale Zentrum« in Dortmund-Dorstfeld dient ein Ladenlokal in Dortmund-Huckarde, das als DR-Geschäftsstelle fungiert. Die Räumlichkeit wurde vom ehemaligen NWDO-Führungskader Dietrich Surmann gekauft und an die DR vermietet. An die Stelle des Dortmunder »Resistore-Versandes«, der die Szene mit Propagandamaterial und Waffen versorgte, trat der »Antisem-Versand« des stellvertretenden DR-Landesvorsitzenden Michael Brück, der unter der provokanten Adresse »antisem.it« im Web erreichbar ist. Allerdings wird seitens der DR Wert auf die Feststellung gelegt, dass es sich nicht um einen Parteiversand handeln würde. Von Selbstbewusstsein und Dreistigkeit zeugt auch die Wahl des altgedienten Siegfried »SS-Siggi« Borchardt zum Kreisvorsitzenden. Borchardt als früherer Landesvorsitzender der 1995 verbotenen »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« (FAP) und späterer Chef der »Kameradschaft Dortmund« symbolisiert in Person die Kontinuität der Dortmunder Neonazi-Szene, wenn gleich er heute keine wichtige Rolle mehr in der Neonazi-Szene spielt.

Auch wenn die Hinwendung zur Parteipolitik nur ein strategischer Schachzug ist, so ist damit allerdings der Aufwand verbunden, bei Wahlen anzutreten, um den Parteienstatus zu untermauern. Wahlantritte bei der Bundestagswahl im September – eine Landesliste NRW wurde bereits aufgestellt –, bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen im Frühjahr 2014 und bei den Europawahlen im Juni 2014 sind bereits angekündigt.

Verhältnis zur NPD

Als Partei stellt DR eine Konkurrenz und damit eine Gefahr für die in NRW äußerst schwache NPD dar, die gerade einmal 0,5 Prozent bei den letzten Landtagswahlen erzielte und aktuell weniger als 20 Stadt- und Kreistagsmandate hat. In Dortmund verfügt die NPD über zwei Stadtratsmandate, Dortmund ist aber auch Schwerpunkt der DR. »Im nächsten Jahr beabsichtigen wir den Antritt zur Kommunalwahl, sowie den Einzug in den Stadtrat«, ließ der Dortmunder DR-Kreisverband bereits wissen. Das Verhältnis zwischen der Dortmunder NPD und den Neonazis um den ehemaligen NWDO ist schon seit vielen Jahren sehr angespannt. Eine weitere Zuspitzung war zu verzeichnen, als sich der NPD-Kreisverband weigerte, von Dennis Giemsch und anderen beantragte NPD-Parteimitgliedschaften zu akzeptieren und als sich die beiden NPD-Ratsherren Matthias Wächter und Axel Thieme bei einer Abstimmung über eine Stadtratsresolution gegen »Die Rechte« der Stimme enthielten. Aktuell scheinen die Streitigkeiten zu eskalieren. Der NPD-Landesvorstand klagt über Angriffe »auf die Dortmunder Stadträte [...] und weitere Funktions- und Mandatsträger« und über »Schmieraktionen« an Wächters Haus, u.a. mit der Aufschrift »Jude« und »Spitzel, Spalter, Hurensohn«. Darüber hinaus käme »es immer wieder zu Scheinbestellungen von Waren oder auch zu Diffamierungsschreiben in der Nachbarschaft«. DR beschuldigt ihrerseits Wächter, Informationen über die Szene an den Polizeilichen Staatsschutz weitergereicht und »nationale Aktivisten« belastet zu haben. Der Dortmunder Streit überlagert wäh­rend­dessen die zaghaften Versuche der Verständigung zwischen NPD und DR in NRW. Trotzdem kommt es zu Kooperationen einzelner NPD-Kreisverbände und -Akteure mit der DR. Offenkundigstes Beispiel ist der NPD-Kreisverband Unna/Hamm um das NPD-Lan­desvorstandsmitglied Hans-Jochen Voß, der seit Jahren eng mit dem Kreis um Dennis Giemsch kooperiert und gerne auch mal die Geldbörse zückt, um bei finanziellen Engpässen auszuhelfen.

Ausblick

Erwartungsgemäß möchte sich das Spektrum der verbotenen »Kameradschaften« auch wieder mit Demonstrationen präsentieren. Anfangs begnügte man sich noch mit kleineren Aktionen und der Teilnahme an auswärtigen Demonstrationen, doch der 1. Mai 2013 rückt immer näher. Für diesen Tag hat DR Dortmund eine überregionale Demonstration in Dortmund angemeldet. Erster Testballon zur Überprüfung des eigenen Handlungsspielraumes war die Anmeldung eines Aufmarsches im westfälischen Soest: »Am 9. März findet eine Premiere statt: Nämlich die erste Demonstration der Partei«, hieß es im Vorfeld auf der Homepage des DR-Bundesverbands. Etwa 130 Neonazis folg­ten dem Aufruf nach Soest.

Aus dem NRW-Innenministerium gibt es zwar immer mal wieder die eine oder andere Aussage, dass sich die Neonazis nicht zu früh freuen mögen und die Möglichkeit eines Verbotes geprüft würde, herausgekommen ist hierbei aber bislang nichts. Sollte die Neonazi-Szene am 1. Mai – und damit nur acht Monate nach den Verboten – in Dortmund tatsächlich marschieren dürfen, hätten sich alle Verlautbarungen der Landesregierung und der Dortmunder Behörden, gegen den »braunen Spuk« konsequent vorzugehen, wieder einmal als Seifenblasen herausgestellt. Und von den Verboten wäre nichts, aber auch gar nichts, übriggeblieben.