„Das publizistische Maschinengewehr der Volkssouveränität“
Jürgen Elsässer und das Compact-Magazin
„Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Name ist Jürgen Elsässer und meine Zielgruppe ist das Volk. Und dieses Volk, unser Volk, das deutsche Volk ist bedroht.“ So beginnt die Rede Elsässers, Chefredakteur des Compact-Magazins, auf der „4. Konferenz für Souveränität“ mit rund 1.000 Teilnehmenden am 24. Oktober 2015 in Berlin-Moabit. Elsässer weiß sich zu inszenieren. Nicht nur die alljährlich stattfindenden „Souveränitätskonferenzen“ ziehen immer mehr Publikum, auch das Magazin scheint mittlerweile erfolgreich zu sein: Nach eigenen und nicht überprüfbaren Angaben liegt die monatliche Auflage derzeit bei 55.000, davon rund 40.000 verkauften Exemplaren.
Zu den Autoren des "Compact – Magazin für Souveränität" gehören neben Elsässer und seinem Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens unter anderem einschlägige Autoren wie Götz Kubitschek und Martin Semlitsch (alias „Martin Lichtmesz“) von der neurechten Zeitschrift "Sezession", Helmut Roewer, ehemals VS-Chef in Thüringen oder der jüngst verstorbene Egon Bahr, einst führender SPD-Politiker unter der Regierung Willy Brandt, der in der Ausgabe vom Juli 2015 vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts vor einem neuen Ost-West-Konflikt warnte. Zu den Interviewgebern zählen darüber hinaus etwa der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, der in der Novemberausgabe 2015 über „genetische Grundbausteine“ von Muslimen fabulierte, Björn Höcke von der AfD oder Tatjana Festerling, der die AfD zu lasch war, weshalb sie in Dresden im Juni diesen Jahres als PEGIDA-Kandidatin zur Oberbürgermeister-Wahl antrat und im ersten Wahlgang knapp zehn Prozent der Stimmen erlangte.
Das Compact-Magazin schmückt sich gerne mit bekannten Stimmen, die Autorität und Seriösität verleihen sollen. In verschiedenen Ausgaben sind Reden bekannter Politiker abgedruckt, etwa von Viktor Orbán aus Ungarn oder von Vaclav Klaus, ehemals tschechischer Staatspräsident. In der Reihe „Compact-Edition“ erschien 2014 der Band „Wladimir Putin. Reden an die Deutschen.“ Diese personelle Melange verdeutlicht auch die Reichweite von Compact — ob AfD-Funktionäre wie Björn Höcke, Alexander Gauland oder André Poggenburg, Führungsfiguren von PEGIDA, neurechte Akteure wie Kubitschek oder Vertreter der Politik autoritär regierter Länder — sie alle kommen im Magazin oder auf Compact-Konferenzen zu Wort. Die Ausgabe vom Mai 2015 zum Thema TTIP-Freihandelsabkommen und das darin enthaltene Interview mit dem Gründer von Foodwatch und Buchautoren zum Thema TTIP, Thilo Bode, sind nur ein Beispiel für die Reichweite des Magazins und das Wirken jenseits rechtskonservativer Kreise.
Inhaltlich werden verschiedene Themen behandelt, die alle in den Tenor einstimmen, dass Deutschland und die EU nicht souverän seien, sondern von der USA kontrolliert: „Aufgeweckte Zeitgenossen wissen: Deutschland ist ein besetztes Land. Wir sind nicht souverän, sondern eine Militärkolonie der USA.“1
Zu den Themenschwerpunkten der vergangenen Ausgaben gehörten die Asyl- und Flüchtlingspolitik, meist in Verbindung mit dem Vorwurf an die „etablierte Politik“, für den drohenden Untergang Deutschlands verantwortlich zu sein („Endstation Bürgerkrieg — Dschihadisten im Flüchtlingsstrom“, „Die Königin der Schlepper — Wie Merkel Millionen ins Land holt“ oder „Onkel Asyl — Wie Gauck Einwanderer lockt“), der politische Gegner, wobei man sich gerne an den "Die Grünen" abarbeitet („Grüne Kinderschänder“; „Rothfront marschiert — Die Deutschland-Hasser“) und schließlich immer wieder Bezüge zum Ukrainekonflikt, der Nato und den USA („Stoppt Putin die NATO? Ein Mann will Frieden“, „Der große Verrat. TTIP-Agent Gabriel“).
Klassisch rechtspopulistisch nimmt das Magazin die deutsche Politik oder im Compact-Jargon die „politisch-mediale Klasse“ ins Visier. Die angeblich mangelnde Souveränität und Unterwürfigkeit Deutschlands gegenüber den USA, die im Magazin unter anderem mit den Themensetzungen NSA, VW-Skandal oder TTIP verhandelt wird, sei im wesentlichen durch deutsche Politiker zu verantworten. Auch der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) ist immer wieder Thema. In den entsprechenden Artikeln werden die vielen offenen Fragen zum NSU-Netzwerk dankbar aufgegriffen und zu einem großen Komplott der Geheimdienste verdichtet, wobei die Ideologie der Neonazis und gesellschaftlich verbreiteter Rassismus keine Rolle spielt.2
Mit „Mut zur Wahrheit“ hat die Compact-Magazin GmbH3
den Anspruch, all die von der „Lügenpresse“ verschwiegenen „Wahrheiten“ aufzudecken und eine publizistische Gegenöffentlichkeit aufzubauen, wozu über das gedruckte Hochglanzprodukt hinaus auch noch weitere Angebote wie die Nachrichtensendung „Compact-TV Magazin“ und diverse Videos im Internet, regelmäßige Veranstaltungen, ein Newsletter und schließlich die jährlichen Konferenzen gehören. Die entsprechend gewählte Rhetorik, mit der unter verschiedenen Themensetzungen eine Bedrohung Deutschlands gezeichnet wird, ist in der Regel drastisch und viele der aufgestellten Behauptungen kommen ohne Belege aus, was ja eigentlich der „Lügenpresse“ vorgeworfen wird. So schreibt Elsässer im Editorial der Ausgabe 8/2015 unter dem Titel „Die zweite Besatzung Deutschlands“: „Gut die Hälfte der Neuankömmlinge sind Albaner und andere Muslime aus dem Westbalkan, wo keine Minderheit mehr staatlich unterdrückt wird und die Bürgerkriege seit 15 Jahren aufgehört haben. Ein erhebliches Kontingent stellen auch Afrikaner aller Art und Tschetschenen — oft sunnitische Extremisten, die sich bei uns mehr Freiheiten zur Scharia-Ausübung versprechen als in ihrem Mutterland.“
Das publizistische Netzwerk drängt auf die Straße
Seit kurzem bewirbt die Compact-Homepage rassistische und flüchtlingsfeindliche Demonstrationen, die von LeserInnen gemeldet und nach Überprüfung freigeschaltet werden. Für das letzte Novemberwochenende wurden Veranstaltungen wie „Hohenstein-Ernsthal sagt nein!“, „Deutschland wehrt sich“ (Schwerin) oder „Saarländer gegen Salafisten“ beworben. Das publizistische Netzwerk um Compact geriert sich dabei als Sprachrohr der rechten Bewegung, die sich im vergangenen Jahr formiert hat und welche die unterschiedlichsten Akteure vereint. Öffentlicher Ausdruck dieser Bewegung sind die kontinuierlich in diversen Städten und Kommunen stattfindenden Demonstrationen, Kundgebungen oder Blockaden neu entstehender Notunterkünfte für Geflüchtete. Vorbei soll die Zeit sein, in der die diversen rechten Spektren ihre eigene Suppe kochen. Elsässer sieht das Magazin gar als „publizistisches Maschinengewehr der Volkssouveränität“.4
Neurechte AkteurInnen, die bisher vor allem in ihren eigenen publizistischen Kreisen aktiv waren, sind nun auch bei Demonstrationen zugegen und bringen ihre Deutungen eines drohenden Bürgerkrieges unter die Leute. Ein prominentes Beispiel dafür ist Götz Kubitschek, der sowohl bei LEGIDA in Leipzig als auch bei PEGIDA in Dresden mehrere Reden gehalten hat und mehrfach zusammen mit Elsässer Veranstaltungen durchführte. Relativ neue Akteurin im Bündnis ist die AfD, die nach dem Essener Parteitag im Juli 2015 und dem Austritt eines Teils des nationalliberalen Flügels nun auch auf die Straße drängt. Neben den wöchentlichen Demonstrationen in Erfurt mit rund 8.000 Teilnehmenden konnte die AfD auch bei Demonstrationen in Magdeburg und Berlin mehrere tausend AnhängerInnen mobilisieren. In vielen weiteren Städten fanden in den vergangenen Wochen Kundgebungen und Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmenden statt. Die gegenseitige Bezugnahme der jeweiligen AkteurInnen ist dabei kaum zu übersehen. So nahm an der diesjährigen Compact-Konferenz in Berlin auch der Vorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, auf dem Podium Platz.
Einendes Moment der rechten Bewegung ist die Forderung nach einem Rücktritt oder gar einer Verhaftung Merkels (Compact 12/2015). Dafür wünscht man sich, analog zu der derzeit auf rassistischen Aufmärschen beliebten Parole „Merkel nach Sibirien, Putin nach Berlin“ eine autoritäre Figur wie Putin als Staatsoberhaupt. Dabei könne man nicht auf Wahlen setzen, so der Tenor, und so fordert auch Elsässer auf der Konferenz die Teilnehmenden auf, auf die Straße zu gehen und sich nicht spalten zu lassen: „Was wir jetzt brauchen, sind massenhafte Straßenproteste. Da genügen nicht mehr Zehntausende, wir brauchen Millionen auf der Straße. Und ich appelliere an jeden Einzelnen von Ihnen, gehen sie montags raus. (…) Es kann jetzt keine Entschuldigung geben, zu Hause zu sitzen, das Haus brennt.“ Konflikte zwischen den unterschiedlichen AkteurInnen schwelen jedoch weiter und dürften sich kaum mit solchen Appellen befrieden lassen.
- 1Editorial, Compact Nr. 8/2015
- 2 Vgl. zur NSU-Berichterstattung in Compact die Ausgabe Nr. 60 des Lotta-Magazins.
- 3Die "Compact-Magazin GmbH" hat ihren Sitz in Werder und wurde von Jürgen Elsässer, Kai Homilius und Andreas Abu Bakr Rieger gegründet. Als Geschäftsführer der Compact-Magazin GmbH wurde Kai Homilius benannt. Ende November 2014 schied Andreas Rieger aus der Compact-Magazin GmbH aus. Seine Nachfolge trat die Jumbo-Dienstleistungs GmbH (Hamburg) von Arne Fischer an.
- 4Vgl. Rede Elsässers auf der „4. Compact-Konferenz für Souveränität“