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50 Jahre NPD

Einleitung

Am 28. November 1964 fand die offizielle Gründungsveranstaltung der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) in Hannover statt. Seit 50 Jahren wandelt sich die NPD immer wieder und ist damit auch Gradmesser für Entwicklungen der bundesdeutschen extremen Rechten insgesamt geworden — ein Rückblick.
 

Keine 150 Delegierten sind am ersten Novemberwochenende 2014 nach Weinheim in Baden-Württemberg gekommen. Auch für ihren 35. Ordentlichen Parteitag musste die NPD bis zuletzt die Nutzung der Tagungshalle vor Gericht erkämpfen. Die kurzfristige Einladung zeigt auch bei den geringen Delegiertenzahlen ihre Folge. Eigentlich sollte der Parteitag in Weinheim eine Feier der 50-jährigen Geschichte der NPD werden, doch der innere Zustand der Partei, ein laufendes Verbotsverfahren und ihre geringe politische Bedeutung sind kaum eine gute Grundlage für eine wirkliche Feier. Dennoch prangt auf der Bühne in Weinheim groß die Aufschrift: „50 Jahre Kampf für Frieden, Freiheit und Souveränität“. Am Ende wählen die anwesenden Delegierten den Saarländer Frank Franz zu ihrem neuen Vorsitzenden und zeigen damit auch ihren Wunsch, die NPD weiter in ihrer Außendarstellung zu verbürgerlichen und so nach einer Radikalisierungsphase wieder den Weg in die „Mitte der Gesellschaft“ beschreiten zu wollen. Dabei zeigt ein Rückblick starke Unterschiede in der Entwicklung und Ausrichtung der NPD, die oft aber ähnliche Funktionsweisen der Partei deutlich machen.

Die 1960er Jahre: Gründung und Aufstieg

Formell wurde die NPD am 28. November 1964 in Hannover gegründet. Zwischen 700 und 800 Personen waren dem Gründungsaufruf nach Hannover gefolgt, etwas über 400 traten dann auch in die neugegründete Partei ein. Dem Gründungsakt waren vor allem Bemühungen der „Deutschen Reichspartei“ (DRP) voraus gegangen, eine Sammlungsbewegung der extremen Rechten in der Bundesrepublik zu initiieren. Außerdem war die Gründung der NPD der Versuch, das Image der Ewiggestrigen im Gewand einer neuen Partei abzustreifen. Die zentrale Rolle der DRP spiegelte sich auch strukturell und organisatorisch in der NPD wieder. Nicht nur, dass rund 50 Prozent der NPD-Vorstandsmitglieder aus der DRP stammten, sondern auch die DRP-Geschäftsstelle in Hannover und das DRP-Organ „Reichsruf“ wurden als NPD-Bundesgeschäftsstelle und neue Parteizeitung („Deutsche Nachrichten“) übernommen. Die zentrale Figur in den Anfangsjahren der NPD war der DRP-Vorsitzende Adolf von Thadden. In einer Gesprächsnotiz aus dem Jahr 1975 machte er den eigentlichen Gründungsakt der NPD deutlich: „[…] in Wirklichkeit sei nur die DRP umgetauft worden. Die Spitze der DRP hätte Satzung, Programm, Verwaltungsvorschriften usw. geschrieben. Damals hätten wir eine Reihe von Leuten mit schönen Titeln versehen und behauptet, daß die alle über ganz große Mengen von Mitgliedern und Anhängern verfügten.“

Neben der starken Präsenz von DRP-Funktionären in der neuen NPD-Führung zeigen sich aber auch starke Kontinuitäten der NSDAP. Vom achtzehn Personen umfassenden Parteivorstand waren dreizehn Personen ehemalige NSDAP-Mitglieder.  Aufgrund seiner eindeutig extrem rechten Vergangenheit wurde von Thadden nicht zum Gründungsvorsitzenden der NPD. Vielmehr versuchte man auch mit dem Vorsitz die NPD von ihrem extrem rechten Ballast zu befreien. Gründungsvorsitzender wurde somit der nationalkonservative und besitzbürgerliche Bremer Unternehmer Friedrich Thielen, welcher von der CDU über die Deutsche Partei (DP) zur NPD gekommen war. Im Hintergrund zog dennoch von Thadden die Fäden, der auch mit umfangreichen Unterschriftenvollmachten aus­gestattet war und somit nahezu uneingeschränkte Möglichkeiten hatte.

Auch die Satzung und das Programm der NPD sind vor dem Hintergrund einer Verbürgerlichung und „Scheindemokratisierung“ zu betrachten. So schrieb Reinhard Kühnl bereits Ende der 1960er Jahre: „[…] die neue Taktik der NPD, die auf dem Gründungsparteitag offenbar wurde: man hielt an allen entscheidenden Motiven und Zielen des Rechtsextremismus fest, nahm jedoch — um das demokratische Image der Partei zu sichern — nicht nur das formale Bekenntnis zur Demokratie, sondern auch eine Reihe von Gemeinplätzen aus dem Wortschatz der etablierten Parteien auf.“  Ideologisch und programmatisch war der Nationalsozialismus auch in den 1960er Jahren der zentrale Anknüpfungspunkt extrem rechter Organisationen.

Ab Sommer 1965 stiegen die Mitgliederzahlen der NPD immer weiter an. Rund ein Jahr nach der Gründung wurde die Partei ein Kristallisationspunkt für verschiedenste extrem rechte Organisationen. Bereits 1966 verfügte die NPD über rund 25.000 Mitglieder und konnte bis 1969 die Mitgliederzahlen auf rund 28.000 ausbauen. Ein Grund für den Anstieg der Mitgliederzahlen dürften auch die Wahlerfolge der Partei gewesen sein. Bereits bei der Bundestagswahl 1965 konnte die NPD 2,0 Prozent erreichen. In den folgenden Jahren gelang ihr dann der Einzug in insgesamt sieben westdeutsche Landesparlamente. Der vorläufig letzte Einzug in ein Landesparlament war 1968 in Baden-Württemberg (9,8 Prozent). Danach sollten fast 37 Jahre vergehen, bis die NPD mit dem Einzug in Sachsen wieder Abgeordnete in einem Landesparlament stellen konnte. Der gesellschaftliche und politische Kontext, in dem der parlamentarische Erfolg der NPD einzuordnen ist, war vor allem geprägt durch die Studentenproteste der 1960er Jahre, eine erste wirtschaftliche Krise 1966/67 und die Große Koalition bis 1969.

Im Juni 1965 führte die NPD in Karlsruhe ihren Bundesparteitag durch. Bereits im Vorfeld kam es zu juristischen Auseinandersetzungen, da die Stadt versuchte, ihre Zusage für die Nutzung der Halle rückgängig zu machen. Rund 15.000 Gewerkschafter demonstrierten gegen die Veranstaltung. Der Parteitag selbst genoss auch medial eine sehr große Aufmerksamkeit. Er war aber vor allem auch Austragungsort des Auftaktes der innerparteilichen Konflikte. So traten hier die Differenzen zwischen dem Vorsitzenden Friedrich Thielen und seinem Stellvertreter Adolf von Thadden öffentlich hervor. Thielen warf Thadden vor, die Macht in der Partei übernommen zu haben und forderte sogar die Verlegung der Parteizentrale von Hannover nach Bremen. Dies wurde abgelehnt. Der Konflikt spitzte sich in den kommenden Monaten immer weiter zu und war auch Ursache mehrerer juristischer Verfahren. Im November 1967 wurde dann Adolf von Thadden in Hannover zum Vorsitzenden der NPD gewählt. Thielen hingegen verließ die Partei in Folge der Auseinandersetzungen. Innerparteilich stärkte der Ausgang der Auseinandersetzungen den DRP-Flügel und schwächte die nationalkonservativen Kräfte der Partei. Entgegen anderer Interpretationen war dies nicht der Auftakt des Zerfallsprozesses der Partei mit dem Beginn der 1970er Jahre.

Den Höhepunkt der auch medialen Aufmerksamkeit für die NPD und gleichzeitig das Ende der Aufstiegsphase stellt die Bundestagswahl 1969 dar. Nicht nur durch Wahlkampfveranstaltungen, bei denen es zu erheblichen gewalttätigen Auseinandersetzungen kam, sondern auch die Erwartung, die extrem rechte Partei könne den Sprung in den Bundestag schaffen, waren hierfür verantwortlich. Im September 1969 scheiterte die NPD mit 4,3 Prozent knapp am Einzug in den Bundestag. Für die Partei markierte dies den Beginn innerparteilicher Abspaltungen und eines Zerfalls, der bis zum Beginn der 1980er Jahre dauern sollte. Auch die seit 1966 immer wieder öffentlich diskutierten — mehr oder weniger ernsthaften — Verbotsbestrebungen wurden mit dem Scheitern der Bundestagswahl öffentlich ad acta gelegt.

Die 1970er Jahre: Abstieg und Zerfall

Bis zur Bundestagswahl waren die innerparteilichen Auseinandersetzungen nicht öffentlich hervorgetreten, natürlich vor allem, um ein gutes Wahlergebnis nicht zu gefährden. Umso heftiger brachen diese Konflikte nach der gescheiterten Wahl hervor. Da ein Parteitag, der noch für 1969 in Saarbrücken angesetzt war, scheiterte, kam es erst im Februar 1970 in Wertheim am Main zum Zusammentreffen der Bundes-NPD. Trotz der Wahlniederlage und des vor der Wahl getroffenen Versprechens, von Thadden würde bei Nichteinzug zurücktreten, stellte sich der Vorsitzende erneut zur Wahl. Wohl auch aufgrund fehlender Alternativen wurde von Thadden im Amt bestätigt. Seine Stellung war aber stark beschädigt. Mit dem beginnenden Jahrzehnt setzte außerdem eine Austrittswelle in der NPD ein. Von den rund 28.000 (1969) Mitgliedern verblieben nur rund 8.000 (1979) am Ende der 1970er Jahre in der Partei. Immer weitere Abspaltungen führten maßgeblich zum Verlust von Mitgliedern. Gleichzeitig kam es zu einer ansteigenden Militanz innerhalb der NPD. Die Auseinandersetzungen nahmen mit dem Jahr 1971 zu. Die innerparteiliche Opposition gegen die Bundesführung rund um den bayrischen Landesvorsitzenden Siegfried Pöhlmann forderte angesichts der Wahlniederlagen die Aufgabe des streng legalistischen Kurses der Partei. Beim Parteitag in Holzminden im November 1971 trat Adolf von Thadden nicht erneut als Vorsitzender an, was in der Partei für Verwirrung sorgte, da dieser kurz zuvor noch seine Bereitschaft signalisiert hatte. Auf von Thadden folgte der mit 35 Jahren verhältnismäßig junge Martin Mußgnug, der ebenfalls aus der DRP stammte. Siegfried Pöhlmann schaffte es nicht, sich in den neuen Bundesvorstand wählen zu lassen. Auf dem Landesparteitag der bayerischen NPD im Januar 1972 verließ er mit mehreren Unterstützern die Veranstaltung und gründete in Folge die „Aktion Neue Rechte“. Das Manifest der neuen Gruppierung wurde von Henning Eichberg verfasst, der später zu einem der bedeutendsten Vordenker der „Neuen Rechten“ avancierte.

Neben den Abspaltungen waren es vor allem zwei Auseinandersetzungen mit anderen Gruppierungen bzw. Personen, die die NPD in den 1970er Jahren beschäftigten. Zum einen der wachsende Einfluss des Münchner Verlegers Dr. Gerhard Frey. Ein Teil des Vorstandes, so auch Mußgnug, versuchte Frey stärker in der Partei einzubinden, um auch von seinen publizistischen Möglichkeiten zu profitieren. 1975 wurde Frey gegen heftigen Widerstand zum einfachen Mitglied des Bundesvorstandes gewählt. Kaum ein Jahr später trat der Unternehmer aber wieder von seinen Ämtern zurück und forcierte den Aufbau der Deutschen Volksunion (DVU). Neben den Auseinandersetzungen um Frey waren es vor allem die Mitte der 1970er Jahre auftretenden Neonazi-Organisationen, mit welchen sich die NPD beschäftigte. Die Diskussionen innerhalb der Partei führten bis in die 1980er Jahre zu mehreren Unvereinbarkeitsbeschlüssen der NPD, um nicht durch das radikale Auftreten und die schlechte Presse in Verruf zu geraten.

Neben diesen Auseinandersetzungen zeigte sich der Abstieg der NPD auch in den Wahlergebnissen der Partei. Konnte sie in den ersten Jahren der 1970er zumindest bei Landtagswahlen noch Ergebnisse von zwei bis drei Prozent erringen, brachen auch diese Mitte des Jahrzehntes ein. Lediglich in Hessen 1974 und 1975 in Bremen und Rheinland-Pfalz gelang der Partei überhaupt noch der Sprung über die Ein-Prozent-Hürde.

Die 1980er: Konsolidierung, Republikaner und Frey, Deutsche Einheit

Die 1980er Jahre führten bei der NPD erstmals zu einem vorläufigen Anhalten des Zerfallsprozesses. Nach dem massiven Einbruch der Mitgliederzahlen pendelten diese sich bei um die 6.000 ein. Durch die schwere Wirtschaftskrise Anfang der 1980er Jahre und das Ende der sozialliberalen Koalition 1982 standen die Zeichen aus Sicht der NPD gut. Der gleichzeitige Aufstieg von Le Pen in Frankreich ließ die extrem Rechten hoffen, dass ein ähnlicher Effekt auch für Deutschland zu erwarten sei. Doch die Krisen und die gesellschaftlichen Debatten rund um eine Lösung vom Nationalsozialismus brachten der NPD weder einen Mitgliederzulauf noch deutlich steigende Wahlergebnisse.

Ab 1983 hatte die NPD mit den Republikanern (REP) eine  weitere Konkurrenz-Partei am rechten Rand zu erwarten. Die Partei gerierte sich im Abgleich als die „authentische Rechte“ und schoss vor allem gegen den REP-Vorsitzenden Franz Schönhuber, dem sie politische Unzuverlässigkeit attestierte und ihn als „Ehrgeizling“ und „Egozentriker“ bezeichnete. Ab Mitte der 1980er Jahre kam es dann auf Initiative Frey’s wieder zu einem Zusammenrücken zwischen NPD und DVU. Die engere Zusammenarbeit führte zu Wahlabsprachen, um nicht als Konkurrenten anzutreten. Frey redete außerdem im November 1987 auf dem Bundesparteitag der NPD. Zentral waren die Absprachen zur Bundestagswahl 1987 und zur Europawahl 1989. Die Absprachen mit der DVU sahen einen Antritt der NPD bei den Bundestagswahlen und der DVU bei den Europawahlen vor. Innerhalb der NPD kam es zur heftigen Kritik an dem Vorhaben, welches dennoch umgesetzt wurde.

Die Deutsche Einheit traf die NPD unvorbereitet. Im Dezember 1989 verteilten NPD-Kader erste Broschüren auf Montagsdemonstrationen in der DDR. Die NPD gründete in der Folge eine Arbeitsgruppe, um Mitglieder in der DDR zu werben und im Mai 1990 die MDN (Mitteldeutsche Nationaldemokraten), welche sich allerdings bereits im Oktober 1990 auf einem außerordentlichen Bundesparteitag in Erfurt mit der NPD zusammenschlossen. Dennoch gelang es auch in der Phase der Deutschen Einheit nicht, nennenswerte Wahlerfolge zu erzielen. Dies lag wohl auch an den „nationalen Tönen“ der etablierten Parteien, die — bis hin zur Asylpolitik — die Themen der extremen Rechten selbst bedienten. Das Scheitern der NPD bei den Bundestagswahlen 1990 stürzte die Partei nicht nur in erhebliche finanzielle Probleme sondern in die bis dato schwerste Krise der Parteigeschichte. Das Jahr 1990 endete für die NPD mit einem Schuldenberg von 1,5 Millionen DM. Mußgnug erklärte daraufhin in einem Mitgliederbrief, dass eine Weiterarbeit der Partei nicht möglich sei. Etwas später trat er als Vorsitzender zurück. In der Folge versuchte ein Teil der Parteiführung die NPD in die Deutsche Allianz (später Deutsche Liga für Volk und Heimat) zu überführen. Der Widerstand der Partei führte dazu, dass im Juni 1991 Günter Deckert, der gegen einen Zusammenschluss argumentierte, zum neuen Bundesvorsitzenden der NPD gewählt wurde. Nach den mehrmaligen Versuchen Deckerts Mußgnug zu stürzen, war er damit an sein Ziel, den Parteivorsitz, gelangt. Deckert wollte die NPD als „Kaderpartei“ aufstellen und seine Wahl führte in Folge zu einer weiteren Radikalisierung der NPD.

Die 1990er Jahre: Radikalisierung und Wiederaufstieg — Günter Deckert und Udo Voigt

Entgegen der These, dass eine Öffnung zu NS-Gruppen und eine Radikalisierung erst unter Udo Voigt stattgefunden habe, zeichnet sich diese bereits unter dem Vorsitzenden Günter Deckert ab. Obwohl die Parteiführung noch 1992 einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit „Gruppen, von denen Gewalt ausgeht oder die totalitäre Systeme kopieren“ fasste, kam es allmählich zu einer Öffnung. Die Mitgliederzahlen der NPD befanden sich seit Anfang der 1990er Jahre wieder im freien Fall. So zählte die Partei 1996 nur noch rund 3.500 Mitglieder. Manche Quellen sprechen auch von unter 3.000 Mitgliedern Mitte der 1990er Jahre.

Deckert suchte bereits sehr früh Kontakt zur neonazistischen Wiking-Jugend und NPD-Mitglieder nahmen an Rudolf-Heß-Aufmärschen wie in Rudolstadt 1992 teil. 1993 nahmen die Jungen Nationaldemokraten am „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Fulda teil. Mit Holger Apfel trat hier erstmals ein Parteifunktionär als Redner auf. Die Annährung Deckerts an die Wiking-Jugend führte 1995 auch zur Wahl des letzten Vorsitzenden der Wiking Jugend, Wolfram Nahrath, in den Bundesvorstand der NPD.

Deckert verlor Mitte der 1990er Jahre in der Partei immer weiter an Rückhalt. Gründe waren zahlreiche Strafverfahren und der Vorwurf der Veruntreuung von Geldern, der auch vom NPD-Schatzmeister Erwin Kemna erhoben wurde. Voigt avancierte bereits in dieser Phase zum potentiellen Nachfolger Deckerts. Im März 1996 wurde dann Udo Voigt in einer knappen Abstimmung zum Vorsitzenden der NPD gewählt. Deckert verblieb bis 1997 als Stellvertreter im Vorstand, wurde dann aber enthoben.

Voigt ließ als Vorsitzender die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber den NS-Gruppen aufheben. Beim Bundeskongress der Jungen Nationaldemokraten am 10. Mai 1997 brachte es Voigt auf den Punkt: „Es wird keine zweite Entnazifizierung innerhalb der NPD geben.“ Auch der Neonazi-Kader Christian Worch  sieht die Anfänge der späteren „Volksfront“ in eben jenen Jahren der 1990er. So schrieb er in einem Rückblick: „Das erste ‚informelle Bündnis’ entstand, als Udo Voigt die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der NPD gegenüber radikaleren Kräften aufheben ließ und die NPD zugleich für diese radikaleren Kräfte öffnete. Von der Öffnung der Partei machten damals nur wenige Gebrauch, von dem stillschweigenden und informellen Bündnisangebot aber nahezu alle parteifreien Aktivisten.“

Die Folge der Öffnung — auch für Mitglieder aus den verbotenen NS-Gruppen — und der Aufbauarbeit in den neuen Bundesländern war ein massiver Zuwachs an Mitgliedern. Bis 2000 stieg die Zahl der NPD-Mitglieder mit 6.500 wieder in etwa auf das Niveau der 1970er Jahre. Dieser Anstieg war insbesondere in den neuen Bundesländern zu beobachten. So entwickelte sich beispielsweise in Sachsen mit 1.000 Mitgliedern (1998) einer der stärksten Landesverbände der NPD. Der erneute Aufstieg der Partei zeigte sich auch an Großveranstaltungen mit hohen Teilnehmerzahlen. So demonstrierten am 1. März 1997 rund 5.000 extrem Rechte in München gegen die sogenannte Wehrmachtsausstellung. Im Februar 1998 nahmen circa 4.000 Menschen am „Tag des nationalen Widerstandes“ der NPD in Passau teil.

Auch die strategische Neuaufstellung der Partei erfolgte Mitte/Ende der 1990er Jahre. So wurde 1997 auch die „Drei-Säulen-Strategie“ beschlossen, welche bis heute als strategische Grundlage gilt: „Kampf um die Straße“, „Kampf um die Köpfe“ und „Kampf um die Parlamente“. Ende der 1990er schrieb Voigt selbst, dass der „Kampf um die Köpfe“ und der „Kampf um die Straße“ die Voraussetzungen für den Einzug in die Parlamente darstellen. Die Wahlantritte der NPD nahmen Ende der 1990er Jahre ebenfalls wieder zu. Erstmals gelang der Partei 1998 in Mecklenburg-Vorpommern wieder das knappe Überschreiten der Ein-Prozent-Hürde bei einer Landtagswahl. Zur endgültigen strategischen Zementierung der NPD als Sammlungsorganisation der gesamten extremen Rechten in Deutschland kam es mit der strategischen Ergänzung des „Drei-Säulen-Konzeptes“ um eine vierte, den „Kampf um den Organisierten Willen“. Im September 2004 verkündeten führende Vertreter der neonazistischen „freien Szene“ (Thomas Wulff, Thorsten Heise, Ralph Tegethoff) ihren Eintritt in die NPD. Diese „Volksfront“ wurde Anfang 2005 noch durch den „Deutschlandpakt“ mit der DVU erweitert, welcher Wahlabsprachen vorsah. Jürgen Rieger, der mit Frey über die Zusammenarbeit verhandelte, schrieb später zu den Verhandlungen: „Wie dargelegt, war der Deutschland-Pakt so angelegt, daß nach einer Phase der Annäherung eine Fusion beider Parteien erfolgen sollte.“ Sowohl die Zusammenarbeit mit den „freien Kräften“ als auch mit der DVU wurde nach wenigen Jahren immer brüchiger, dokumentiert aber dennoch den Sammlungswillen der NPD. Schlussendlich kam es nach langen juristischen Kämpfen 2012 zum Anschluss der ohnehin kaum vorhandenen DVU an die NPD. Die Öffnung der NPD spülte zahlreiche Neonazis in Führungspositionen der Partei, die sie bis heute innehaben und sorgte so für zahlreiche Konflikte innerhalb der Partei über die strategische Ausrichtung.

Das angestrebte Verbotsverfahren Anfang der 2000er sorgte sowohl für innerparteiliche Auseinandersetzungen als auch für erneuten Mitgliederschwund. Dennoch ging die NPD aus dem gescheiterten Verfahren gestärkt hervor und konnte in der Folge ihre Mitgliederzahlen zwischen 5.000 und 6.000 stabilisieren.

Die 2000er: Wahlerfolge und Strategiedebatten

Zentral waren für die Partei die Landtagswahlerfolge in Sachsen (2004: 9,2 Prozent) und in Mecklenburg-Vorpommern (2006: 7,3 Prozent). Dies führte in der Partei nicht nur zu einer weiteren Verlagerung des strategischen Schwerpunktes auf den „Kampf um die Parlamente“, sondern auch zur Festigung finan­zieller und struktureller Ressourcen. Außerdem zogen die Fraktionen das wenige akademisch geschulte Personal der gesamten extremen Rechten zusammen, welches nun für die Arbeit in den Parlamenten benötigt wurde. Besonders in Sachsen dürfte die tiefe Verunsicherung der Wähler in Folge der veränderten Sozialgesetzgebung („Hartz IV“) der NPD den Einzug in den Landtag ermöglicht haben. Die Erfolge schafften mit Holger Apfel und Udo Pastörs an der Spitze der Partei neue Machtzentren, führten aber auch zur Festigung des Vorsitzenden Udo Voigt und durch den Erfolg bedingte weniger hervortretende innerparteiliche Konflikte. Diese traten erst in den Jahren 2008/2009 wieder deutlich hervor. Anlass war vor allem das Bekanntwerden der Veruntreuung von einigen hunderttausend Euro durch den Voigt-Freund und Schatzmeister Erwin Kemna. Voigt erlitt als Vorsitzender einen erheblichen Schaden und gleichzeitig wurde in der Partei eine neue Strategie-Debatte losgetreten. Diese zeigte sich erstmals 2009 mit der Kandidatur Andreas Molaus gegen Voigt als Bundesvorsitzender. Molau trat von seiner Kandidatur noch vor dem Bundesparteitag wieder zurück, löste aber eine Strategiedebatte aus, welche die Partei bis heute beschäftigt. Die Hauptkonfliktlinien verliefen hierbei zwischen den sich „seriös“ gebenden Kräften rund um die Sächsische Fraktion mit Holger Apfel an der Spitze („sächsischer Weg“) und dem radialen Auftreten rund um Voigt und Rieger und ihrem „deutschen Weg“. Ideologische oder programmatische Debatten sind hingegen nicht zu beobachten. Voigt wurde bis 2009 vor allem durch den Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger gestützt, welcher der Partei erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt hatte und so Voigt im Amt hielt. Nach dem Tode Riegers (Oktober 2009) wurde Voigt zu immer mehr Zugeständnissen gedrängt. So fand im Januar 2010 bereits eine Strategiekonferenz in Berlin statt, die die Weichen für die zukünftige Ausrichtung der NPD stellen sollte. Weitere Wahlniederlagen führten zu immer weniger Rückhalt für Voigt als Vorsitzenden. Schlussendlich wurde dieser durch seinen ehemaligen Ziehsohn, Holger Apfel, im November 2011 als Parteivorsitzender abgelöst. Zentral waren vor allem die innerparteilichen Auseinandersetzungen über die Zukunft der NPD. Apfel stand für viele wohl für eine „modernisierte“ und erfolgreiche NPD, die wie in Sachsen Erfolge bei den Wahlen erzielen konnte. Apfels Konzept firmierte als „seriöse Radikalität“ in den Debatten der Partei. Für Apfel war die Wahl zum Vorsitzenden wohl ein länger geplanter Erfolg. So berichtet Jan Zobel, ehemaliger Weggefährte Apfels, bereits 2005 in seinem Buch: „Unter vier Augen gesteht er mir, daß er mal Vorsitzender der NPD werden würde. Nicht etwa, daß er es wolle, sondern: daß er es werde. Davon ist er überzeugt. Das also treibt ihn vorwärts.“ Der Zeitpunkt von Apfels Wahl zum Vorsitzenden fiel mit den Aufdeckungen rund um den „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zusammen, welche in der Folge den Repressionsdruck auf die Szene und auch die NPD erhöhten.

Doch Apfel konnte die parteiinternen Gegner nie ganz hinter sich bringen. Ausbleibende Wahlerfolge, Strafzahlungen in Millionenhöhe und zahlreiche Gegner innerhalb der Partei führten unter nie wirklich geklärten Umständen zum Rücktritt Apfels als Vorsitzenden und seinem Austritt aus der Partei. Gegen ihn wurde der Vorwurf erhoben, er habe während einer Wahlkampftour 2013 einen jüngeren Neonazi sexuell belästigt. Ein Parteifunktionär legte ihm daraufhin sogar den Selbstmord nahe. Die Kampagne gegen Apfel führte zum gänzlichen Rückzug des gebürtigen Niedersachsen, der nun als Gastronom auf Mallorca arbeitet, allerdings nie einen „Ausstieg“ bekanntgab, sondern an seinen extrem rechten Überzeugungen auch öffentlich festhält.

In etwa zeitgleich mit Apfels Rücktritt reichte der Bundesrat Anfang Dezember 2013 einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht ein. Im Kontext des beginnenden Verfahrens wurde Udo Pastörs im Dezember 2013 vom Bundesvorstand zum neuen Vorsitzenden der  NPD ernannt. Der gebürtige Nordrhein-Westfale war bis dahin Fraktionsvorsitzender der NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern und führte damit eine der Machtzentren der Partei. Pastörs erklärte im beginnenden Jahr 2014, die NPD benötige nun eine „harte Hand“. In der Öffentlichkeit wurde über eine erneute — öffentliche — Radikalisierung der NPD debattiert. Doch entgegen der zahlreichen Einschätzungen trat Pastörs als Bundesvorsitzender kaum in Erscheinung. In öffentlichen Debatten griff Pastörs nicht ein und auch nach zahlreichen Verfehlungen von Funktionären in der Öffentlichkeit war keine Führung durch Pastörs wahrzunehmen. Ab Juni 2014 war dann im Vorfeld des anstehenden Bundesparteitages eine erneute Debatte um die strategische Ausrichtung der NPD zu beobachten. Zahlreiche weitere Skandale um aufgetauchte Ermittlungsakten, Inhaftierungen von NPD-Funktionären und das Auftreten der Alternative für Deutschland (AfD) begleiteten die Debatte. Ähnlich wie schon bei den Republikanern geriert sich die NPD als die „authentische“ Rechte. So schrieb ein NPD-Funktionär: „Da ist es doch sinnvoller, das Original zu unterstützen: die NPD läßt sich nicht kaufen […].“ Dennoch konnte die AfD der NPD zahlreiche wichtige Stimmen abnehmen, was auch zum Ausscheiden der NPD aus dem sächsischen Landtag führte. Lediglich der Alt-Vorsitzende, Udo Voigt, konnte im Mai 2014 mit dem Einzug in das Europaparlament einen Wahlerfolg verbuchen.

Als „Sieger“ aus den Konflikten ging der Saarländer Frank Franz hervor. Franz hatte bereits ab Sommer 2014 in der Parteizeitung der NPD („Deutsche Stimme“) sein Konzept der Ausrichtung der Partei vorgestellt. Nach den zahlreichen Skandalen war es wohl auch das Bedürfnis nach ruhigeren Zeiten und das Fehlen wirklicher Alternativen, welche Franz an die Bundesspitze der NPD brachten. Er wurde beim 35. ordentlichen Bundesparteitag Anfang November 2014 in Weinheim zum neuen Bundesvorsitzenden der NPD gewählt. Damit ist eine weitere Ausrichtung der NPD als vermeintlich „seriöse Wahlpartei“ zu erwarten. Allerdings dürfte dies auch von den innerparteilichen Widerständen gegen den umstrittenen neuen Vorsitzenden abhängen. Franz gilt vielen außerdem nicht als sonderlich führungsstarke Persönlichkeit, was bei den zahlreichen Konflikten in der NPD ebenfalls offen lässt, wie sich die Partei unter seiner Führung entwickeln wird.