Anspruch auf Mitwirkung
Die »Bibliothek des Konservatismus«
Eine »Herausforderung zur Gegenbewegung« gegen die Achtundsechziger soll sie sein, sagt Dieter Stein. Ein »Ort der Begegnung«, der »Leser, Studenten und Jungakademiker« aus dem Umfeld der »Jungen Freiheit« (JF) zusammenführt, um der äußersten Rechten neue Verbundenheit und neue Schlagkraft zu verleihen. Eine wichtige Rolle bei der Neuformierung der bislang kaum existenten Rechtsaußen-Intelligenz schreibt der JF-Chefredakteur der »Bibliothek des Konservatismus« zu, deren Aufbau am Berliner Hohenzollerndamm er seit dem vergangenen Jahr organisiert.
Den nötigen institutionellen Rahmen bietet die »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung« (FKBF), die der Münchener Adelsspross Caspar von Schrenck-Notzing einst begründete. Schrenck-Notzings Nachlass entstammt auch ein Großteil der Bücher, die den Grundstock der neuen Bibliothek bilden. Wenn man so will, führt Dieter Stein mit der Bibliothek des Konservatismus das Erbe des einst einflussreichen Rechtsaußen-Intellektuellen fort.
Caspar von Schrenck-Notzing entstammt einer der ältesten Münchener Adelsfamilien; das noble »Palais Schrenck-Notzing«, zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Caspars Großvater in der Max-Joseph-Straße in der Münchener Innenstadt erbaut, lässt den traditionsreichen familiären Hintergrund erahnen. Bereits in den 1950er Jahren begann der 1927 geborene Schrenck-Notzing, in rechtsintellektuellen Zirkeln wie etwa der »Münchener Tafelrunde« für eine Revitalisierung dessen zu kämpfen, was er für »konservativ« hielt: für Haltungen und Werte rechts der Union. 1965 erschien sein erstes Buch »Charakterwäsche«, mit dem er sich in der Rechten sofort einen Namen machte. Darin warf er den USA eine »Umerziehung des deutschen Volkes« vor. Um der vermeintlichen Umerziehung und den Achtundsechzigern etwas entgegenzusetzen, deren Revolte er als »Sieg der transatlantischen Pop- und Medienkultur über die nicht mehr taufrische abendländische Hochkultur« begriff, gründete Schrenck-Notzing 1970 schließlich die Zeitschrift »Criticón«. Von Anfang an stand dabei der Gedanke im Mittelpunkt, rechtsintellektuelle Kreise jeglicher Couleur um das Blatt herum zu bündeln.
Schrenck-Notzings Bemühungen waren keineswegs erfolglos: Criticón spielte lange Zeit durchaus eine Rolle im rechtsintellektuellen Milieu. »Als ich 1984 als Schüler zum ersten Mal die Zeitschrift mit dem türkisfarbenen Umschlag in den Händen hielt, war ich sofort gebannt«, berichtete Dieter Stein kurz nach Schrenck-Notzings Tod im Januar 2009: »Criticón war der intellektuelle konservative Leuchtturm in einer vom linken Zeitgeist aufgepeitschten See der öffentlichen Meinung.« Ohne die Zeitschrift, meinte Stein, wäre die Gründung der JF »nicht denkbar gewesen«. Sein politisches Ziel hat Schrenck-Notzing dabei auch mit anderen Projekten verfolgt, vor allem mit seinem »Institut für Konservative Bildung und Forschung«. Vortragsveranstaltungen, Seminare und die Verleihung eines »Balthasar-Gracián-Preises« waren die Mittel, mit denen das Münchner Institut Rechts-Intellektuelle zu vereinen suchte; dabei orientierte sein Leiter in den 1980er und 1990er Jahren eine Weile auf die »Republikaner« und später auf den nationalliberalen »Bund freier Bürger«. Daneben gründete Schrenck-Notzing eine »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung«, die er bis 2007 leitete. Die Stiftung dient der Erforschung des Konservatismus und gab von 2004 bis Anfang 2008 eine eigene Zeitschrift heraus (»Unsere Agenda«).
Vor allem aber entfaltet die Förderstiftung zweierlei Aktivitäten. Sie verleiht zum einen seit 2004 den »Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten« – in Kooperation mit der Jungen Freiheit, weshalb es nicht besonders verwundert, dass neben bekannten konservativen Publizisten wie Herbert Fleissner und Peter Scholl-Latour vor allem Junge Freiheit-Autorinnen und -Autoren wie Thorsten Hinz, Stefan Scheil, Thomas Paulwitz oder Ellen Schenke (Autorin-Name "Ellen Kositza") ausgezeichnet werden. Zum anderen ist sie Trägerin der neuen Bibliothek des Konservatismus, die seit 2008 am Hohenzollerndamm in Berlin aufgebaut wird.
»Bibliotheken und Orte des akademischen Austauschs für Konservative« seien »noch immer rar«, schreibt die Förderstiftung, die zum Ziel hat, mit ihrer Bibliothek ein neues Zentrum für Rechtsintellektuelle zu etablieren – ganz im Sinne ihres am 27. Januar 2009 verstorbenen Initiators Schrenck-Notzing, dessen früherer Privatbibliothek die ersten 30.000 Bände entstammen. Über die Zielsetzung schreibt JF-Chefredakteur Dieter Stein, der im Jahr 2007 den Stiftungsratsvorsitz übernommen hat: »Eine konservative Forschungsbibliothek in der Hauptstadt und in Universitätsnähe artikuliert einen Anspruch auf wissenschaftliche und politische Mitwirkung«. Spätestens 2011 soll die Bibliothek ihre Türen für das Publikum öffnen.
Die praktische Umsetzung liegt vor allem in den Händen von Bastian Behrens, der sich bei der Stiftung um die Presse, die Öffentlichkeitsarbeit und die Förderer zu kümmern hat. Er dürfte damit eine ganze Menge zu tun haben – schließlich ist er auch bei der JF für Pressekontakte und Kommanditisten zuständig. Dafür hat er allerdings auch ganz solide Vorkenntnisse. Behrens war vor seinem Einstieg bei der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forum Philanthropie der Universität Bremen, wo er sich unter anderem auf Public Relations und Fundraising spezialisiert hat. Den Umgang mit der Presse hat er darüber hinaus auch in der Praxis gelernt – als Pressesprecher des VVDSt (»Verband der Vereine Deutscher Studenten«), eines völkisch geprägten Dachverbandes von Studentenverbindungen. »Wir sind stolz auf unsere 125-jährige Geschichte«, betonte im Sommer 2006 der VVDSt-Vorsitzende explizit. Das ist nicht ganz selbstverständlich, denn die Vereine Deutscher Studenten wurden 1881 gegründet, um im damaligen »Antisemitismusstreit« die Position der Antisemiten um Heinrich von Treitschke zu stärken. Der Historiker Treitschke hatte die Auseinandersetzung 1879 mit einem Pamphlet ausgelöst, in dem er schrieb: »Die Juden sind unser Unglück!«
Es bleiben noch zwei Aspekte zu erwähnen. In der Bibliothek des Konservatismus wird nicht zuletzt auch ein Anti-Antifa-Archiv aufgebaut. »Erkenntnisse dieser Forschungsarbeit werden in Dossiers regelmäßig veröffentlicht«, hat Dieter Stein den Förderern im April mitgeteilt. Und: Die Förderstiftung unterhält ihr Konto beim Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim, einem als besonders elitär geltenden Finanzinstitut. Die Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft lässt ihre Millionen dort verwalten. »Unsere Zielgruppe sind die 10.000 reichsten Deutschen, die über 50% des gesamten Vermögens der deutschen Bevölkerung verfügen«, erklärt ein Spitzenfunktionär der Bank. Vermutlich hat der Adelsspross von Schrenck-Notzing die Kontakte zum Adelsspross von Oppenheim hergestellt – Adel verpflichtet eben. Die Rechtsaußen-Förderstiftung und ihr Stiftungsratsvorsitzender Dieter Stein befinden sich bei Sal. Oppenheim jedenfalls in bester Gesellschaft.