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Berlin: "Freiwillige Polizei-Reserve" - Neonazis in Uniform ?

Einleitung

Neonazis in der Polizei sind gewiß nichts neues, selten genug wird jedoch darüber etwas bekannt. Sickern aus Versehen doch einmal Einzelheiten an die Öffentlichkeit, sprechen die immer gleichlautenden Erklärungen aus Polizei und Politik von "Einzelfällen" und „Schwarzen Schafen“. So auch diesmal, als es in den ersten Monaten dieses Jahres um die Berliner „Freiwillige Polizei-Reserve“ (FPR) und den „größten Polizeiskandal der Nachkriegszeit“ ging. Aber bei der Mitgliedschaft von (neonazistischen) Waffenhändlern mit gewissen Kontakten zu Kreisen der neonazistischen „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) bei der FPR handelt es sich um keinen „Betriebsunfall“. Der einzige „Betriebsunfall“ dürfte in den Augen der verantwortlichen PolitikerInnen und PolizistInnen im Bekanntwerden dieser und anderer Fakten bestehen. Wir fassen zusammen und ergänzen einige Sachen: Die (West)Berliner „Freiwillige Polizei-Reserve“ (FPR) unterstützt seit 1961 die Polizei in Berlin und solle insbesondere bei „Unruhen“ die reguläre Polizei entlasten. SPD-Senator Joachim Lipschitz erklärte 1961 man wolle „örtlichen Störenfrieden rasch und wirkungsvoll entgegentreten“ im selben Jahr trat ein Gesetz über die "Freiwillige Polizei-Reserve" in Kraft.

Foto: OTFW, Berlin, CC BY-SA 3.0, wikimedia

Gedenktafel an die FPR in Berlin-Tegel.

Anfang des Jahres 1993 war eine Bande von Waffenhändlern aufgeflogen, die Gewehre und Pistolen in Frankreich und der Schweiz gekauft und in Erddepots im Grunewald und im Spandauer Forst versteckt hatte. Unter den zwölf Tatverdächtigen im Alter zwischen 21 und 30 Jahren befinden sich auch fünf Mitglieder der FPR. Bereits im Juli 1992 war es zu einer Anzeige aus der Bevölkerung und daraufhin zu einer ersten Festnahme gekommen. Bei der Hausdurchsuchung bei dem 24-jährigen Umschüler Ralf M., der auch als Chef der Bande bezeichnet wird, wurde u.a. ein Gewehr (eine sogenannte Pump-Action) gefunden. Im Dezember wurden zwei weitere Kuriere der Bande (der 22-jährige Maurer Ralf G. und der 23jährige Stahlbetonbauer Michael A.) festgenommen, als sie Waffen und 11.000 Schuß Munition aus der Schweiz einschmuggeln wollten. Ein 24jähriger Mann, der die Erddepots angelegt haben soll, wurde im Januar 1993 festgenommen. In den Depots fanden sich drei Schrotgewehre, vier Pistolen, Nebelgranaten und 12.300 Schuß Munition. Weiterhin ist von Bajonetten, Dolchen und Kampfmessern die Rede.

Von den fünf FPR-MitgIiedern der Waffenhändlertruppe ist von dreien wiederum bekannt, daß sie aus der Neonazi-Szene kommen. Sie hatten 1986 an „Wehrsportübungen“ in Berlin-Spandau teilgenommen und waren an der Gründung der in Berlin verbotenen neonazistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) beteiligt gewesen.

Einer der neonazistischen Reservisten - Andreas R. - brachte im Polizeiverhör paramilitärischen „Wehrsport“ im Harz mit „ungeklärten Todesfälle unter Soldaten der ehemaligen DDR-Grenztruppen“ in Verbindung. Bei weiteren Ermittlungen stellte sich nämlich heraus, daß mindestens 16 FPR-Angehörige bei Neonazi-Wehrsportübungen anwesend waren. Die paramilitärischen Übungen sollen Mitte der 1980iger Jahre im Harz stattgefunden haben. Nach den bisher unbestätigten Aussagen soll bei einer dieser Wehrsportübungen ein DDR-Grenzsoldat sein Leben verloren haben.

Die extrem rechten Hilfspolizisten, die sich für den „nächsten Bürgerkrieg“ rüsten wollen, verfügen laut Medienberichten auch über Kontakte zum Berliner GdNF-Funktionär Arnulf Winfried Priem, dem sie sich nach eigenen Angaben auch als Schutztruppe angeboten hatten.

Zahlenspiele der FPR

Bezeichnend für den offiziellen Umgang mit den "braunen Freunden und Helfern“ der Polizei ist das Zahlenspiel um die belasteten FPR-Mitglieder, das mehr verschleiern als aufklären soll. Nach ersten Polizeiangaben mußten zwischenzeitlich 807 der 2.426-köpfigen Truppe, aus den Einsatzplänen genommen werden, weil über sie eine Eintragung im „Informationssystem Verbrechensbekämpfung“ (ISVB) oder ein Hinweis auf eine frühere Verurteilung gefunden wurde. Weiterhin sollten 44 Hillspolizisten aufgrund schwerer Belastungen aus der FPR entfernt werden. Der frühere Innensenator Erich Pätzold (SPD) hatte im gleichen Zusammenhang von 600 belasteten Fällen gesprochen. Diese Angaben wurden später nach unten „korrigiert“. Ein Anfang April 1993 vorgelegter Zwischenbericht sprach von einer geringeren Anzahl von Belasteten. Demnach seien 66 Hilfspolizisten stärker und 452 weniger stark belastet. Bei den stärker belasteten Fällen handele es sich um Eintragungen wegen Beleidigungs- und Straßenverkehrsdelikten. Sechs FPR- Mitgliedem seien gekündigt worden und 21 hätten von sich aus die Mitgliedschaft aufgegeben. Fünf Hilfspolizisten hätten die Überprüfung abgelehnt und bei 51 weiteren hätte noch keine Überprüfung vorgenommen werden können. Der Bericht spricht weiterhin von 155 Mitgliedern, die aus „unbekannten Gründen“ in den ersten Monaten des Jahres aus der FPR ausgetreten seien. Diese Ausgetretenen wurden auch nicht überprüft. Angaben über Neonazis wurden in diesem Zusammenhang nicht gemacht.

Die Schadensbegrenzung des Innensenats, der an der Hilfstruppe trotz aller Kritik festhalten will, scheint gelungen zu sein. Der Senatssprecher zog dann auch das Fazit, daß „die Freiwillige Polizeireserve in der Vergangenheit auch unter rechtsstaatlichen Kriterien funktionsbereit war“. Wieder einmal sollen es nur einzelne "schwarze" (bzw. braune) Schafe gewesen sein. Diese Deutung kann angesichts einer ganzen Riege von einflußreichen erzkonservativen Förderern der FPR nicht verwundern.

Die Ziehväter der „Freiwilligen Polizei Reserve“

Geleitet wird die ca. 2.400 Mann starke FPR von Polizeidirektor Klaus Karau, der als eine Art „graue Eminenz“ der Landespolizeidirektion bezeichnet wird. Karau wurde auch mit genannt, als sich 1989 ein zunächst verdeckt wirkender Arbeitskreis führender Berliner Polizeibeamter bildete.1 Dies bestreitet er in einer Gegendarstellung: „Ich habe weder eine Einladung zur Gründung noch zu irgendeinem Treffen erhalten. Ich bin auch nicht im Besitz von Informationen dieser Vereinigung (…) vielmehr befand ich mich seit dem 13. März 1989 im Rahmen meines Urlaubes auf einer Rundreise durch die Volksrepublik China.“2 Die sich als „Vereinigung Leitender Polizeibeamter“ (VPN) verstehende Interessensgemeinschaft wollte demnach zum Schlag gegen Umstrukturierungs- und Personalpläne unter dem rot- grünen Senat ausholen. Die Beamten fürchteten um ihre Karriere unter dem SPD-Innensenator Pätzold, der auch die FPR auflösen wollte. Der Personenkreis, welcher in Presseberichten dieser Vereinigung zugerechnet wurde, liest sich wie ein „who is who“ der (rechten) Hardliner in der Berliner Polizeiführung: Genannt werden unter anderem Manfred Kittlaus, geistiger Vater der berüchtigten Polizeitruppe „Einheit für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training (EbLT)“ und jetziger Landespolizeidirektor. Auch der damalige Leiter der Polizei Direktion 5, Heinz Ernst, der laut Pätzold, auch mal während der Dienstzeit „beinahe gezielt werbend“ für die rechten „Republikaner“ (REPs) aufgetreten sein soll3 , wurde im Kontext der Vereinigung genannt. Auch er ließ in der "taz" eine Gegendarstellung abdrucken.4 Auch sein Vize Döring soll zu den VPN Kreisen gehört haben.1

Ernst und Döring spielten nur kurze Zeit später im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen am 1. Mai 1989 in Berlin eine relevante Rolle.5 Polizeibeamte der mittleren Ebene beschwerten sich im Nachhinein über die „katastrophale“ Einsatzleitung. Der Verdacht wurde laut, daß die Polizeiführung durch ihre Einsatztaktik gezielt zur Eskalation beigetragen und Polizisten verheizt hatte, um Stimmung gegen den rot-grünen Senat zu machen. Offensichtlich war es die Absicht der Polizeichefs gewesen, Pätzold ins offene Messer rennen zu lassen. Die CDU- Rechte und "Die Republikaner" hatten auch prompt nach den Auseinandersetzungen den Rücktritt von Pätzold gefordert.

Zur Auflösung der FRP kam es unter dem rot-grünen Senat nicht mehr, dafür wurden unter dem neuen Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), des nunmehr schwarz-roten Senats, am 28. Dezember 1992 (!) die polizeilichen Befugnisse der Reserve-Truppe erweitert (in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es Zufall war, daß der Skandal um die Waffenhändlerbande, obwohl schon länger der Polizei bekannt, erst im Januar, also nach der weiteren Aufwertung der FPR, bekannt gemacht wurde). Zu den erweiterten Befugnissen gehören nun auch Schußwaffengebrauch, Festnahme und Durchsuchungen.

Der Ausbau der 1961 gegründeten Berliner Hilfspolizei ist in Europa beispiellos. Fast 10 Millionen Mark soll der Senat jährlich für die FPR ausgeben. Ursprünglich war die Reserve zur Verhinderung von Sabotage-Anschlägen von Seiten der DDR vorgesehen gewesen. Mittlerweile hat sich die Truppe zu einer umfassenden und für alles zuständigen Hilfspolizei entwickelt. Entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung nahm der damalige CDU- Innensenator Heinrich Lummer (CDU), der schließlich 1986 wegen Kontakten zu Westberliner NPD-Kreisen seinen Stuhl räumen musste.

War die FPR bis dahin hauptsächlich zum Schutz »sabotagegefährdeter« Einrichtungen eingeteilt, bekam sie zunehmend auch andere Einsatzbereiche. Die Reservisten zeigten sich dabei zuweilen „übereifrig“: So funktionierten Hilfspolizisten, die eigentlich zum Schutz für die Jüdische Gemeinde vorgesehen waren, dies zu einer „rabiaten Durchsuchung“ (die taz) um. Ähnlich zur Sache gingen Mitglieder dieser Truppe, wenn es gegen HausbesetzerInnen und linke DemonstrantInnen ging. Und ausgerechnet die FPR wurde in den letzten Jahren verstärkt zum Schutz von Flüchtlingsheimen eingesetzt. Angesichts der Kontakte aus den Reihen der dubiosen Polizei-Hilfstruppe zu (militanten) Neonazis erscheint dies mehr als fragwürdig.

Der Fall Abbas-Yacoub

1985 kam es schon einmal zu einer Überprüfung von rund 3000 FPR-Mitglieder auf kriminelle und/oder neonazistische Verstrickungen. Rund 810 FPR-Mitglieder sollen damals bereits eine Kriminalakte gehabt haben, konnte ein FPR-Untersuchungsausschuss (UA) vage rekonstruieren. Aus Polizeikreisen gab es im UA hierzu weitere Zahlenspiele aus verschiedenen Prüfvorgängen von rund 35 (Thürnagel), zu 61 zu rund 300 bis hin zu 515 vorbelasteten Personen. Karau erinnerte sich an sechs Fälle mit neonazistischem Hintergrund wie z.B. "als 16jähriger FAP-Plakate geklebt".6 Auslöser war damals die Tatsache, daß der „Waffenmeister der rechtsextremen Szene“ (der sich beim Sturm eines Polizeikommandos in seiner Wohnung erschoß) gleichzeitig Mitglied der FPR war. Er war im April 1984 trotz vorheriger Ermittlungen wegen Waffendelikten problemlos durch die angebliche FPR-Sicherheitsüberprüfung des Verfassungsschutz gelangt.6 Der 25jährige Deutsche Michael Abbas-Yacoub, der den Namen seines Stiefvaters angenommen hatte, gehörte einer Wehrsportgruppe von circa 11 Neonazis an, die im Bundesgebiet Übungen mit scharfen Waffen abhielt und in einer eigens dafür angemieteten Wohnung am Popitzweg in Berlin-Charlottenburg ein umfangreiches Waffenlager eingerichtet hatte. Allein in dem Waffenlager am Popitzweg fanden sich zahlreiche Gewehre und Pistolen, zwei Maschinenpistolen, Handgranaten, Kisten mit Munition, Stahlhelmen, Uniformen und Militärstiefeln, sowie NS-Schriften und Embleme. Weitere Waffen wurden bei Hausdurchsuchungen bei anderen Mitgliedern der Gruppe gefunden. Dabei sollen diese Waffen, des seit Jahren bedeutentsten Waffenfundes aus Neonazi-Zusammenhängen, aus der selben Quelle gekommen sein, wie die Mordwaffe, der der Bankdirektor Jancke kurze Zeit zuvor zum Opfer gefallen war.

Wie einer Reportage der Berliner Zeitschrift »Zitty« (7/85) zu entnehmen war, ging die Justiz damals davon aus, daß es zwischen dieser schwer bewaffneten Wehrsportgruppe, die im März 85 aufgeflogen war, und Nazi-Führer Michael Kühnen Kontakte gegeben hat. Diese angedeuteten Kontakte stehen durch Ereignisse, die wiederum nur ein knappes Jahr zurücklagen, noch in einem anderen Licht. Kühnen versuchte nach dem Verbot der ANS/NA seit 1984 verstärkt in Berlin wieder eine neue Organisation aufzubauen. Im Februar 1984 war dank der Recherchen eines Journalisten eine "Wehrsportgruppe" mit dem Namen „Totenkopf“ aufgedeckt worden, die am Anhalter Bahnhof ihr Unwesen trieb. Bei den Wehrsportlern, die in ihrer Satzung bei Verrat mit der Feme drohten, fand die Polizei Material der Kühnen-Organisation ANS/NA. Zudem befand sich unter den Festgenommenen ein ehemaliges Mitglied der ANS/NA. Alles deutet darauf hin, daß es sich bei der »Totenkopf«-Gruppe nicht nur um einen Neugründungsversuch der ANS/NA handelte, sondern hier versucht wurde, den „militärischen Flügel“ der ANS/NA neu aufzubauen.

Nach Einschätzung von Ex-Innensenator Pätzold (SPD), müßte die damalige Untersuchung sämtlicher FPR- Mitglieder, wenn sie Wichtiges zutage gefördert hätte, auf dem Tisch des damaligen Innensenators Lummer gelandet sein. Lummer kann sich jedoch auf Nachfragen der "taz" „überhaupt nicht mehr erinnern“. Auch Innensenator Heckelmann kann auf aktuelle Nachfragen im Zusammenhang mit dem FPR-Skandal nicht erklären, welche Ergebnisse diese Untersuchung der FPR- Mitglieder hatte, und wer damals davon Kenntnis besaß. Zufällig verschwand der Abschlußbericht über den Fall Michael Abbas-Yacoub. Bei der Befragung des stellvertretenden FPR-Leiters, Michael Thürnagel (der von 1984 bis 1986 das Einstellungsreferat der FPR leitete) berief sich dieser auf Gedächtnislücken. Mitte März 1994 verschwanden aus dem FPR-Büro laut einem "taz"-Bericht drei Ordner aus verschlossenen Aktenschränken.

Neonazis im Polizeidienst ?

Aber nicht nur die Polizeireserve erfreut sich eines regen Zuspruches durch Neonazis. So berichtete etwa ein ehemaliger Berliner Polizeibeamter im April 1989 in einem »Zitty«-Artikel über seine Erfahrungen im Polizeidienst. Er beschreibt darin u.a. den folgenden Vorfall: »Eines Tages, als ich zum Dienst auf die Wache A 15 in der Seestraße kam, mußte ich mitansehen, wie sich Kollegen mit zackigem Nazigruß begrüßten.« Die Kollegen bestritten den Vorfall und stellten Strafantrag wegen Verleumdung. In der späteren Verhandlung wurde der Polizei-Aussteiger aber freigesprochen. Allein im Jahr 1982 flogen gleich dreimal Neonazis im Berliner Polizeidienst auf. Ein Zusammenhang zwischen den Fällen habe - so die damaligen, von Lummer als obersten Dienstherrn geführten, Polizeidienststellen - nicht bestanden. Zur Erinnerung:

Fall 1: Zwei Jahre lang kam es an der Polizeischule Schulzendorf immer wieder zu antisemitischen Vorfällen, ohne daß dagegen vorgegangen wurde. In diesem Zusammenhang mußten schließlich auf öffentlichen Druck zwei Polizeischüler wegen antisemitischer Schmierereien kündigen. Vier weitere Polizeischüler wurden entlassen, da sie einen in Israel geborenen Mitschüler während der Sportstunde beleidigt und gefesselt hatten. Bei Hausdurchsuchungen waren Waffen, Nazi-Orden und Schriften gefunden worden.

Fall 2: Ein Polizeischüler (derselben Polizeischule) flog als Mitglied der neonazistischen "Deutschen Arbeiterjugend" (DAJ), einer paramilitärischen Untergrundorganisation, auf. Bei Hausdurchsuchungen bei 29 Neonazis waren Waffen, Stahlhelme, Uniformteile und neonazistische Schriften sichergestellt worden. Die Gruppe setzte sich aus Mitgliedern der „Wiking-Jugend“ (WJ), ehemaligen NPD- Mitgliedern und aus Ex-Mitgliedern der im Januar 1982 vom Bonner Innenminister verbotenen „Volkssozialistische Bewegung Deutschlands//Partei der Arbeit“ zusammen. Zu den Aktivitäten der „Deutschen Arbeiterjugend“ (DAJ) gehörte die Herausgabe des „Deutschen Kurier“, in dem u.a. in Form eines Steckbriefes der damalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Galinski „tot oder halbtot“ gesucht wurde. Die Gruppe führte auch „Wehrsportübungen“ durch. In der Presse hieß es zunächst, daß zwei Polizeischüler zum verdächtigten Personenkreis gehören würden. In späteren Meldungen war zu lesen, daß nur einer der beiden verdächtigten Polizeischülern tatsächlich der DAJ angehört habe.

Fall 3: Bei einer Hausdurchsuchung wegen des Verdachts eines Motorraddiebstahls wurden bei einem 21 Jahre alten Polizeiwachtmeister aus Tegel NS-Embleme und Flugblätter der NSDAP/AO sichergestellt.

Die Spitze des Eisberges ?

Nicht nur die militanten Neonazis bemühen sich um Einfluß bei Polizei und Polizeireserve. Ob REP, DVU oder NPD: Die einflusseichen (extrem) rechten Parteien wollen alle den starken Staat, den Ausbau der Polizei und die Erweiterung polizeilicher Befugnisse. Der Sprecher der Berliner NPD, Thomas Salomon, gab damit an, daß es sich „durchaus gelohnt“ habe, daß eine „Handvoll“ NPD-Mitglieder bei der FPR dienten. So habe man sich in den Polizeiapparat hinein „bestimmte Kanäle erschlossen“. Eine gezielte Einschleusung von Parteimitgliedern in die Hilfspolizei sei nicht nötig gewesen, denn „die waren alle schon vorher drin“.

REPs bei der Polizei

Von den rechten „Die Republikaner“ (REPs) ist bekannt, daß sie im August 1990 mit einer ganzseitigen Anzeigen in der FPR-Zeitschrift "FPR-Kurier", in der auch schon mal Gedichte mit ausländerfeindlichem Inhalt veröffentlicht wurden, warben. In Berlin verkündeten die REPs nach ihrem Wahlerfolg 1989, daß sie die Stärkung der Polizei zu einem ihrer Schwerpunkte der parlamentarischen Arbeit machen würden. Sie vertraten u.a. die Forderungen nach mehr Geld für die Polizei, dem Ausbau des polizeilichen Staats- und des Verfassungsschutzes, die gesetzliche Verankerung des polizeilichen Todesschußes, Ausrüstung der Polizei mit Distanzwaffen usw. Der REP-Polizist Frank Degen setzte sich z.B. im Berliner Parlament mit einer "Großen Anfrage der Fraktion der  REP über finanzielle Kürzungen bei der Freiwilligen Polizei-Reserve (FPR)" für den Erhalt der FPR ein.7 Degen gehörte neben der CDU zu den eifrigsten Verfechtern der FPR als „Bürgerpolizei des freien Berlins“ im Berliner Abgeordnetenhaus.8 Mit ihrer polizei-freundlichen Einstellung versuchen sie unter den Polizisten Mitglieder und Wähler zu werben, mit gewissem Erfolg, wie sich zeigt. So prahlte der REP-Parteivorsitzende Franz Schönhuber ebenfalls 1989 damit, daß „die Hälfte unserer Parteimitglieder aus Staatsdienern“ bestehen würde. Aussagen sozialdemokratischer und gewerkschaftlicher Polizisten, bestätigen die großen Sympathien, die die REPs unter ihren Kollegen haben. Die Angaben schwanken zwischen 20-50 Prozent REP-Anhängern unter den „Ordnungshütern“. Die Zahlen sind jedoch nicht genau ermittelbar, da viele Polizisten sich nicht offen als Mitglieder zu erkennen geben.

In Berlin waren im Parteivorstand und in der Fraktion der REPs gleich zwei Polizeibeamte in leitender Position: Der Polizeiobermeister Bernhard Andres war bis September 1989 Berliner REP-Landesvorsitzender. Er verließ nach handfesten Auseinandersetzungen mit seinen Parteigenossen die REPs und gründete seine eigene Organisation. Fraktionsvorsitzender der REPs im Abgeordnetenhaus war 1989 der Polizeibeamte Frank Degen. Zur Abgeordnetenhauswahlen 1990 standen noch weitere Polizei-Angehörige auf den Berliner Wahlkreisvorschlägen der Partei "Die Republikaner" (REP): Der Polizeibeamte Bodo Pfalzgraf, der Polizeibeamte Heinz Gehring, der Polizeibeamte Rainer Ruhnke, die Polizeiangestellte Christa Elbem, der Polizeibeamte Stefan Broschell und der Polizeihauptwachmeister-Anwärter Peter Warnst.

Mindestens ein REP-Anhänger finden sich auch im Berliner Verfassungsschutz. So trat 1989 ein angeblich "leitender Angestellter" des Verfassungsschutzes in der Abteilung Ausländerüberwachung als Sachverständiger der REPs im Innenausschuß des Abgeordentenhauses auf.

Aber auch aus anderen Landesverbänden der REPs sind eine ganze Reihe Polizisten oder Verfassungsschützer in leitenden Parteifunktionen bekannt. Drei Beispiele: Kriminalhauptmeister Bernhard Amann (Mitglied des Landesvorstand von Baden-Württemberg, außerdem Mitglied im Bundesvorstand, als dessen Schriftführer er fungiert); der Kripobeamte Jürgen Schröder (REP-Chef von Rheinland- Pfalz); der mittlerweile pensionierte Beamte beim Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz, Klaus Hartel (hat als Chef des REP-Arbeitskreises „Innere Sicherheit und Rechtspolitik“ am aktuellen Parteiprogramm der REPs mitgeschrieben).

Nach 1945 - Nazis im Polizeidienst dabei

Für den Geist, der heute in der Polizei herrscht, spielt die personelle Kontinuität in der Polizei - und besonders in der Polizeiführung - eine nicht unwesentliche Rolle. Der Fortbestand von Nazis im Polizeidienst wurde im westlichen Teil Deutschlands nur durch eine kurze Phase zwischen 1945-49 etwas beeinträchtigt. Unter deutscher Souveränität kamen ab 1949 dann auch fast die letzten Nazis wieder auf ihre alten Posten im Staatsapparat der BRD. Mit der Verschärfung des kalten Krieges im Zuge der Koreakrise verloren die Westallierten das Interesse an der Kontrolle der inneren Staatsorgane der BRD. Immerhin kamen bereits 1948 schon 56  Prozent der höheren Polizeibeamten im bevölkerungsreichsten Bundesland, Nordrhein-Westfalen (NRW) wieder aus der NSDAP und der SS. Eingroßer Teil dieser „erfahrenen Einsatzkräfte“ hatte sich an Greueltaten und NS-Verbrechen aktiv beteiligt.

Zeitgleich mit der „Renazifizierung“ der Staatsapparate wurden auch Polizei-Sondertruppen und BGS aufgebaut. Ihr Personal setzte sich ähnlich zusammen. Ende der fünfziger Jahre listete die Gewerkschart ÖTV 200 Namen von leitenden (!) Polizeioffizieren auf, die in NRW Dienst taten und ehemalige Gestapo- und SS-Angehörige waren. Ein anderer großer Teil der leitenden Polizeibeamten kamen aus Hitlers Wehrmacht. In den anderen Bundesländern sind die Zahlen ähnlich. Grundlage für die Wiedereinstellung alter Nazis in den Staatsdienst bildete das sogenannte 131er-Gesetz. Das Gesetz war unter der Adenauer-Regierung 1951 erlassen worden und sah vor, daß »Beamte und Berufssoldaten, die l. An eine Dienststelle der frühreren Geheimen Staatspolizei ... 3. zur früheren Waffen-SS von Amts wegen versetzt waren und dort bis zum 8. Mai 1945 verblieben oder in den Ruhestand getreten sind«, wieder eingestellt werden. Dadurch kamen etwa 150.000 nationalsozialistisch geprägte Beamte wieder in den gesamten öffentlichen Dienst.

Erwähnenswert ist noch, daß eine ganzeReihe hoher Polizeioffiziere mit brauner Vergangenheit in der BRD an verschiedenen Polizeischulen ihre Erfahrungen an den Nachwuchs weitergeben konnten. Um die politische Führung des staatlichen Sicherheitsapparates stand es - zumindest auf Bundesebene - keineswegs besser. Der damalige CDU-Innenminister Gerhard Schröder war NSDAP und SA-Mitglied und Nazi-Jurist gewesen. Ebenso war die Riege seiner oberen Ministerialbeamten mit alten Nazi-Kadern besetzt. Und als Verantwortlicher für die Innen- und Sicherheitspolitik, u.a. also auch für die Geheimdienste, zog Staatssekretär Hans Globke die Fäden. Globke war leitender Mitarbeiter im nationalsozialistischen Innenministerium unter Heinrich Himmler gewesen und hatte für die Nürnberger Rassegesetze einen Kommentar geschrieben und sich so an der Legitimierung der Verfolgung von Juden und Jüdinnen beteiligt. Seit 1950 war er Leiter des Staatssekretariats für Inneres im Bundeskanzleramt und besaß damit eine Schlüsselposition in der Regierung.

Fazit und Ausblick

Der FPR-Skandal, anfangs als der größte Polizeiskandal der Nachkriegsgeschichte bezeichnet, verschwand schnell aus den Schlagzeilen der Presse. Einige kriminelle und neonazistische Polizeireservisten mußten ihren Hut nehmen. Sie sind das Zugeständnis gegenüber dem öffentlichen Druck, eine Art „Bauernopfer“, damit alles so bleiben kann, wie es war. Scheinheilig wollen die verantwortlichen PolitikerInnen in Berlin die Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei der Einstellung in den Polizeidienst wieder einführen. Scheinheilig, weil sich die Überprüfung in erster Linie gegen ehemalige Mit- und Zuarbeiter des „Ministerium für Staatssicherheit der DDR“ sprich die ehemalige „Stasi“ richten dürfte und nun als Maßnahme gegen Neonazis verkauft wird. Die Aktivitäten der Neonazis in Uniform, die jetzt aufgeflogen sind, wurden zuvor drei Jahre lang von den Behörden weitestgehend ignoriert oder vertuscht.

Die ursprüngliche Grundlage der FPR, der „Kalte Krieg“, ist schon lange entfallen. Und dennoch will der Berliner Senat an der Polizeireserve festhalten. Als Begründung muß u.a. „Olympia“ herhalten. Auch über den Einsatz einer staatlichen paramilitärischen Truppe an den Grenzen gegen Flüchtlinge wird nachgedacht.9 .

Die FPR, wie die vorgeschlagenen BGS-Hilfspolizisten, sind Zeichen für die fortschreitende Militarisierung der Gesellschaft. Teile der Herrschenden wollen sich innenpolitische Instrumente verschaffen, die möglichst der parlamentarischen Kontrolle entzogen sind, aber über weitreichende Befugnisse verfügen. Und hier kommen die Interessen der erzkonservativen und reaktionären Betreiber dieser Planungen mit den Interessen von (extrem) rechten und neonazistischen Gruppen und Parteien zusammen. Diese Entwicklung ist gerade vor dem Hintergrund der anti-demokratischen und braunen Kontinuität im Staatsapparat gefährlich. Das historische Vorbild für den Einsatz paramilitärischer Einheiten gegen die „inneren Feinde“ liefern die Freikorps-Verbändeder Weimarer Republik.

  • 1 a b taz. die tageszeitung (Ausgabe 2901): "Die Polizei-Rechte organisiert sich" von BF, 4.9.1989
  • 2taz vom 4.9.89: "Richtig ist: Eine „Vereinigung Leitender Polizeibeamter - VLP“ war und ist mir bis zum Zeitpunkt Ihrer Veröffentlichung vom 4. September 1989 nicht bekannt. Ich habe weder eine Einladung zur Gründung noch zu irgendeinem Treffen erhalten. Ich bin auch nicht im Besitz von Informationen dieser Vereinigung. Und ich habe mich auch nicht „am Palmsonntag (dem 19. März 1989) zu einem konspirativen Treffen in einer Privatwohnung eingefunden„; vielmehr befand ich mich seit dem 13. März 1989 im Rahmen meines Urlaubes auf einer Rundreise durch die Volksrepublik China. Klaus Karau, Polizeidirektor"
  • 3Während des Dienstes sei der Leiter der Polizeidirektion 5, Ernst, „beinahe gezielt werbend“ für die REPs aufgetreten, beklagte der damalige innenpolitischen Sprecher der SPD und heutige Innensenator Pätzold in einem Brief an den Polizeipräsidenten. Vgl. Tagesspiegel vom 18. und 22. Februar 1989 und „Republikaner“ – Partei der Polizisten?" in CILIP Nr. 33 (15. August 1989).
  • 4taz vom 4.9.89: "Richtig ist: Eine „Vereinigung Leitender Polizeibeamter - VLP“ war und ist mir bis zum Zeitpunkt Ihrer Veröffentlichung nicht bekannt. Ich habe keinerlei Kenntnis von Namenslisten, Zusammenkünften, Informationsschriften und Satzungsentwürfen dieser Vereinigung. Heinz Ernst, Leitender Polizeidirektor"
  • 5"Mai-Randale 89 in Berlin-Kreuzberg – Obristenrevolte gegen „Rot-Grün“" von von Otto Diederichs und Till Meyer in CILIP Nr. 33 (15. August 1989)
  • 6 a b AGH-Drs: 12-5187 des U-Ausschuss "Freiwillige Polizeireserve"
  • 7Drucksache 11/1280, lfd Nr. 4 A
  • 8Drucksache 11/867 (31.05.1990), Drucksache 11/1280 (17.10.1990)
  • 9vgl. Ulla Jelpke in einem Artikel in der Zeitschrift ak vom März 1993