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Bundesweit Repression gegen Antifas

Einleitung

Auch seit Sommer 1993 gab es wieder diverse Fälle von Durchsuchungen, Verhaftungen und Prozessen gegen aktive AntifaschistInnen. Einige Beispiele.

Antifas protestieren gegen die DVU in Bremen.

Durchsuchungen in Bremerhaven, Bremen und Berlin

Am 15. Juni 1993 wurden verschiedene Wohngemeinschaften und Wohnungen in Bremerhaven, Bremen und Berlin durchsucht. Vorwand für die Durchsuchungen war die Anschuldigung der »Vorbereitung eines Explosionsverbrechens« gegen ein DVU-Büro im Bremerhavener Stadtteil Surheide im September 1992. Bei der Durchsuchung wurden zahlreiche Belanglosigkeiten, wie eine Gebrauchsanleitung für einen Taschenrechner und Füllgranulat für Jonglierbälle sowie Zeitschriften und Kalender beschlagnahmt. Die Presse sprach nichtsdestotrotz von »umfangreichem Beweismaterial«. Drei Personen wurden vorübergehend festgenommen, eine erkennungsdienstlich behandelt. Eine extrem rechtes Parteienbündnis – eine NPD/DVU-Kooperation namens "DVU -Liste D" - hatte in der Region schon vor Jahren Regelungen getroffen, dass die beiden Parteien hier nicht gegeneinander kandidieren und sich miteinander absprechen. So wurde einen Wahlerfolg der "DVU-Liste D" bei den Bremer Bürgerschaftswahlen im September 1987 erzielt und Hans Altermann zog ins Parlament (Bremer Bürgschaft) ein. De fakto kam damals von der DVU das meiste Geld und von der NPD die aktiven Wahlkämpfer. Den Erfolg kassierte vor allem die DVU ein und große Teile der NPD Basis war sauer auf den NPD Vorstand um M. Mußgnug und W. Seetzen. Seit 1991 ist Siegfried Tittmann in der Stadtverordnetenversammlung von Bremerhaven als Vorsitzender der DVU-Fraktion aktiv, die dort seit 1987 ununterbrochen vertreten ist.

Berliner in Passau in Haft

Am Donnerstag, dem 3. Juni 1993 wurden in Passau drei AntifaschistInnen aus Berlin wegen Verdacht auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz festgenommen und befinden sich seitdem in Haft. Auf dem Weg zu einer Kneipe in Passau waren sie von einem zivilen Auto der Polizei verfolgt und schließlich angehalten worden. Bei der Durchsuchung des Fahrzeuges wurden Reizgaspistolen, Leuchtsignale (sogenannte "Pyros") und Steine sichergestellt. Die drei AntifaschistInnen wurden daraufhin in Unterbindungsgewahrsam genommen, weil zwei Tage später in Pocking (20 km von Passau) der diesjährige NPD Bundesparteitag und Gegendemonstrationen stattfinden sollten.

Als zwei Tage später der NPD-Parteitag verboten wurde - weil alle verfügbaren Polizeikräfte bei den zu erwartenden Aktionen im Zusammenhang mit dem rassistischen Mordanschlag von Solingen eingesetzt seien, könne ein störungsfreier Verlauf des Treffens nicht sichergestellt werden - und somit kein Grund für weiteres Unterbindungsgewahrsam bestand, wurden sie kurzerhand in U-Haft genommen. Obwohl sie zwei Tage vor der geplanten Demonstration 20 km entfernt festgenommen worden waren, wurde gegen die drei Anzeige wegen "Verstoß gegen das Versammlungsgesetz" erstattet. Sowohl die Polizei als auch der zuständige Richter verweigerten den Festgenommenen das Recht zu telefonieren.

Erst nach der Vorführung vor den Haftrichter, bei der auf dieser Art und Weise (natürlich) keine AnwältInnen dabei waren - genauso wenig wie bei den Vernehmungen - konnte einer der Festgenommenen in einem Brief FreundInnen seine Situation mitteilen. Diese informierten dann seine Eltern. Und diese wiederum verständigten einen Rechtsanwalt aus Passau, der jetzt seine Verteidigung übernimmt.

Erschwerend wird sich bei den Verfahren sicher auswirken, daß die drei bei der Polizei belastende Aussagen gemacht haben. Einer von ihnen gab an, auf dem Weg nach Pocking gewesen zu sein. Die anderen sagten aus, sie wären auf dem Weg in eine Kneipe in Passau gewesen, bzw. sie wollten die Passauer AntifaschistInnen besuchen. Außerdem gab einer der Festgenommenen an, daß alle im Auto gefundenen Sachen, die die Polizei nicht eindeutig zuordnen konnten, ihm gehören (...).

Obwohl sich einige ihrer Aussagen recht harmlos anhören, haben sie dadurch den Ermittlern Fakten geliefert, aus denen sich alle möglichen Vorwürfe konstruieren lassen. Deshalb empfehlen AnwältInnen immer wieder: Keine Aussagen bei Polizei und Justizbehörden. Es passiert leider immer wieder, daß Menschen in derartige Situationen geraten, ohne sich damit auseinandergesetzt zu haben.

Eine Haftbeschwerde, die die Freilassung aus der U-Haft zur Verhandlung bewirken sollte, wurde abgelehnt. Als Haftgrund mußte Fluchtgefahr herhalten, was durch nichts anderes begründet wurde, als durch die Tatsache, daß einer der Festgenommenen in einem ehemals besetzten Haus lebt, das jetzt von »Autonomen« bewohnt würde; daß ein anderer in einem besetzten Haus, und der dritte nicht - wie gemeldet  - bei seinen Eltern lebt. Das reichte in den Augen des Haftrichters völlig aus, um Menschen die gegen das Versammlungsgesetz verstoßen (da gibt es normalerweise Geldstrafe) wochenlang in den Haft zu schicken. Was bleibt, ist auch die bittere Frage, wie Menschen elf Tage in U-Haft sitzen können ohne daß die Sache bekannt wird.

Der NPD-Parteitag fand schließlich unter direkten antifaschistischen Protesten in Coppenbrügge bei Hameln statt. Parteivorsitzender wurde wieder Günter Deckert. Seine Stellvertreter wurden Udo Holtmann, Thomas Salomon und Walter Bachmann.

Deutscher Mist in Aachen

»Wer keine Arbeit hat, macht sich welche« oder »"Staatsverbrechen" wird in Aachen verhandelt«. So hätte die Überschrift zu diesem Artikel auch lauten können. Die Tat: Am "Volkstrauertag" am 24. November 1993 findet in Aachen am "Ehrenmal" in der Ludwigstraße (Am 6. August 1933 weihte hier der nationalsozialistische Aachener Oberbürgermeister ein „Ehrenmal“ für die deutschen Gefallenen des 1. Weltkrieges ein) eine »Gedenkveranstaltung« und eine entsprechende Gegenveranstaltung statt. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, als Teilnehmer dieser Gegenveranstaltung ein Miniaturausführung der deutschen Flagge in einen Haufen Pferdemist gesteckt zu haben. Bei dieser Tat sei die deutsche Flagge »öffentlich verunglimpft« worden, so jedenfalls die Ansicht der Staatsanwaltschaft.

Die Tat an sich wird von keiner Partei bestritten, strittig ist nur, um was für eine Fahne es sich dabei handelt. Ein Polizist als Zeuge behauptet, es handele sich um eine schwarz-rot-gelbe Kunststoff-Fahne, andere Zeugen sagten aus, daß es sich um eine schwarz-gelb-rote Fahne aus Krepp handelte. Der Staatsanwalt forderte eine Strafe von 90 Tagessätzen zu je 50,- DM, sprich 4.500 DM, die Verteidigung forderte natürlich Freispruch. Der Verteidiger verbucht am Ende die gesamte Verhandlung in die Rubrik »vergnügungssteuerpflichtige Tätigkeit«, denn die Kosten des Verfahrens trägt der/die Steuerzahler/in.