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Cashmo im Cashflow - Nationalismus ist immer noch die beste Promo

Autor:innen: AMGJ
Einleitung

Ich wollte nur meine Geschichte erzählen“, gab Cashmo in einem Statement-Video1 einige Tage nach dem Release seines Songs „Alman”2 zu Protokoll. Aber eigentlich wollte er dann doch etwas Anderes. „Alman” beschreibt nämlich nicht Aachen oder den Ruhrpott oder wieso Cashmo eigentlich nicht LKW-Fahrer, Uniprofessor oder Logistikfachangestellter wurde. Das wäre vielleicht eine weniger brisante Geschichte geworden.

Bild: Screenshot YouTube

„Man darf nichts mehr sagen“ Ästhetik: Video zu Cashmos Song „Alman“.

Cashmo hat sich – ob bewusst oder unbewusst – dafür entschieden, einen Skandal zu kreieren, der ihm mehr Klicks (knapp 870.00 YT-Klicks im März 2021) einbrachte als die meisten anderen seiner Musik-Videos (etwa 200.000 bis 250.00 YT-Klicks). Das Thema ist dabei weder originell noch besonders spannend: Cashmo tritt mit „Alman“ in die Fußstapfen von Rappern wie Fler („Der Stabile Deutsche“, 2014 / „Neue Deutsche Welle“, 2005), Pedaz feat. Blut und Kasse („Ich bin deutsch“, 2013) oder auch Liquit Walker („Deutschrapkanake“, 2013) und greift das Thema von deutschem Nationalstolz und Mobbing gegen weiße Deutsche auf. Sein Flow klingt dabei fast wie Sido und im Unterschied zu anderen Songs aus seiner Produktion ist selbst der Beat wenig einfallsreich.

Zum Song gibt es ein Video, das in einer „Man darf ja gar nichts mehr sagen“ Ästhetik aktueller Rechtspopulist*innen gehalten ist: Gezeigt werden Menschen in „Alman“-T-Shirts, denen mit einem Kreuz der Mund verklebt wird. So weit, so skandalös.

Cashmo hat es geschafft, mit diesem Video in allen möglichen Rapmedien, Talkshows und Debatten zu landen: Formate, in denen er bisher wenig präsent war - und nun sogar in diesem Artikel. Das ist das Gegenteil der von ihm beschworenen „Gefahr für die Karriere“ und zeigt sehr deutlich, worum es beim Thema „Cancel Culture“ eigentlich geht: Der Name verweist zwar auf eine Kultur in der Menschen für Äußerungen kritisiert und auf Grund von Äußerungen aus bestimmten Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Und wie schön wäre es, wenn rechte Haltungen wirklich zu Ausschluss führen würden? Stattdessen erleben wir Cancel Culture vor allem im Schreien um „Man darf ja gar nichts mehr sagen“ in fast jeder aktuellen Talkshow mit Gästen der AfD, in Sendungen wie der unsäglichen „Letzte Instanz“ des WDRs oder den Rufen von weißen alten Männern, die beklagen, dass es ihnen aus absolut uneinsichtigen Gründen nicht mehr gestattet ist, so genannte Minderheitengruppen zu beleidigen oder lächerlich zu machen. Dabei tun sie es fortwährend.

Und wie in allen aktuellen Debatten um Cancel Culture wird Cashmo zumindest eine Menge Gegenwind und vor allem viel - mehr oder weniger - differenzierte Kritik zuteil. Die wiederum wehrt er mit „Es hätte sich negativ auf meine Karriere auswirken können1 ab, statt sich der Thematik ernsthaft zu stellen und zumindest zu versuchen, die Kritik inhaltlich nachzuvollziehen.

Das ist schade, zumal er nach eigener Darstellung wenig Interesse daran hat, von Rechtspopulist*innen und Neonazis instrumentalisiert zu werden. Die feiern aber seine Steilvorlage. Nun wäre der schönste Move seinerseits, wenigstens zuzugeben, dass die breite Aufmerksamkeit, die höheren Klickzahlen, die Möglichkeit in jeder Debatte noch einmal sein neues Album zu bewerben, ihm zu gesteigerter Bekanntheit verholfen hat.

Doch genug zu Cashmo selbst. Um was geht es hier eigentlich?

Mobbing gegen weiße Deutsche ist ein Thema, das für manche weiß-deutsche Kids an Schulen mit einem hohen Migrationsanteil tatsächlich ein Problem darstellen kann. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass dieses Mobbing in ganz spezifischen Settings passiert, nicht als strukturell bezeichnet werden kann und generell in der Debatte um Rassismus stark aufgeblasen wird. Sobald die Kids den Schul- oder Kiezkontext verlassen, sind sie Teil der Dominanzkultur.

Weiße Deutsche können von allen möglichen Formen von Diskriminierung betroffen sein: Rassismus gehört nicht dazu. Klassismus wiederum natürlich schon. Auch Cashmo kann nicht einfach jede Wohnung anmieten, die er gerne hätte oder einfach das Viertel wechseln. Aber er muss sich keine Sorgen machen, ob er mit seinem Namen die Wohnungsbesichtigung überhaupt machen darf, den Ausbildungsplatz auf Grund seines Kopftuches oder seiner Hautfarbe nicht erhält, ob er auf Grund seines Aussehens nach dem Pass gefragt oder ob er in einer Polizeizelle verbrennen wird.

Klasse wäre jedoch mal ein spannendes Thema für einen Song gewesen. Dann hätte Cashmo vielleicht formulieren können, was er vermutlich auch ahnt: Dass ihn mit den Mobbern eine ganze Menge verbindet, mit den Ankläger*innen der Cancel Culture hingegen „nichts als das Deutschland-Trikot2 .

Die von Cashmo erzählte Mobbingerfahrung wird bildlich wie textlich jedoch verknüpft mit dem Wunsch nach einem „gesunden deutschen Nationalstolz”, der Sehnsucht nach einem Ende der Shoah-Erinnerungskultur sowie dem Hype-Thema „Cancel Culture”. Wenn hier keine Nazi-­Topoi formuliert werden sollen, stellt sich die Frage, warum Nazi-Topoi verwendet werden. In verschiedenen Interviews und Statements geht es Cashmo immer wieder darum, dass Deutsche nur noch mit „gesenktem Kopf unterwegs“ seien, während andere Nationalitäten sich mit Stolz präsentierten.

Doch erleben wir gesamtgesellschaftlich eigentlich genau das Gegenteil. Deutschland ist immer noch eine der stärksten Industrienationen auf der Welt. Neonazis spazieren zusammen mit Coronaleugner*innen und so genannten Querdenker*innen beinahe ungebremst durch deutsche Städte, schaffen es immer, politische Aktivist*innen aus dem Netz zu vertreiben und sorgen für einen amtlichen gesamtgesellschaftlichen Diskursshift nach rechts, indem mit dem ubiquitären Zusatz „was ich nicht mehr sagen darf” fast alles sagbar ist.

Cashmos Karriereweg wurde ihm - im Unterschied zu vielen seiner aktuellen Kritiker*innen - alles Andere als in die Wiege gelegt. Er wurde vom Heimkind und Strafgefangenen zum erfolgreichen Geschäftsmann mit eigenen Vertriebs- und Produktionsstrukturen. Schade nur, dass er meint, Nationalismus zur Promo einsetzen zu müssen und damit auch noch so viel Erfolg verzeichnet.

In den Kommentaren unter den Videos finden sich dazu drei Fraktionen: Jugendliche, die ähnliches erlebt haben, Migrant*innen, die sagen, Deutsche sollen auch stolz auf ihr Land sein dürfen und Kommentare aus rechter, rechtspopulistischer und neonazistischer Ecke, die Cashmo zustimmen. Auch die rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit"3 hat die Debatte mit Freude aufgenommen.

Wir sollten uns fragen, wie es nationalistische Töne immer wieder schaffen, unsere Aufmerksamkeit so zu bündeln, dass wir für andere Themen kaum Kapazitäten haben und warum Cashmo ausgerechnet mit nationalistischer Provokation in der ursprünglich antirassistischen Rapmusik so viel Erfolg erfährt.