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Frank Rennickes rechter Raum

Johannes Hartl
Einleitung

2012 hat der Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke ein ehemaliges Schulgebäude im Landkreis Hof bezogen. Heute nutzt er die Immobilie für politische Veranstaltungen und hat dort ein eigenes Tonstudio eingerichtet. Die Behörden bagatellisieren die Bedeutung des Objekts.

Der Neonazibarde Frank Rennicke singt bei der NPD.

Die Nachricht kam einigermaßen überraschend. Im August 2012 gaben die Sicherheitsbehörden bekannt, dass eine Frau mit Kontakten in die neonazistische Szene eine Immobilie im Landkreis Hof erworben hat. Das 3.500 Quadratmeter große Grund­stück im Ortsteil Unterhartmannsreuth der oberfränkischen Gemeinde Feilitzsch beherbergte früher eine Dorfschule und wurde von Miriam H. gekauft, einer ehemaligen Landtagskandidaten der NPD in Schleswig-Holstein. Sie bewohnt das abgelegene Haus seitdem gemeinsam mit dem bekannten neonazistischen Liedermacher Frank Rennicke, ihrem damaligen Freund und heutigen Ehepartner.

Der Kauf löste in der Region schnell Besorgnis aus. Oberfranken hatte zu jenem Zeitpunkt bereits mit einer bedeutenden Szenen-Immobilie zu kämpfen — dem Treffpunkt „Oberprex 47“, keine 30 Kilometer von der Immobilie in Unterhartmannsreuth entfernt. Der ehemalige Gasthof diente dem verbotenem Neonazi-Netzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS) als Treffpunkt, seit die Mutter des Aktivisten Tony Gentsch ihn 2010 gekauft hat. Dessen Kader veranstalten dort alleine im Zeitraum von Juni 2010 bis Februar 2014 44 verschiedene Veranstaltungen, darunter Events von überregionaler Bedeutung wie den „III. Tag der Deutsch-Böhmischen Freundschaft“.

Antifaschisten vor Ort befürchteten angesichts dieser Umtriebe, dass ein weiteres neonazistisches Objekt die Situation zusätzlich verschärfen könnte. Und tatsächlich waren ihre Bedenken nicht unbegründet: Rennicke ist eine einflussreiche Figur innerhalb der extremen Rechten. Er ist durch seine Auftritte gut vernetzt, hat Kontakte zu den verschiedenen Spektren der Szene und gilt gemeinhin als respektierte Figur. Außerdem hat er schon in der Vergangenheit Immobilien für politische Aktionen zur Verfügung gestellt, was den Sorgen neue Nahrung lieferte. So wurde am 1. September 2007 ein Zeltlager der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) auf seinem früheren Grundstück im mittelfränkischen Schillingsfürst durchgeführt.1

Vier Jahre später haben sich diese Sorgen im Wesentlichen als begründet erwiesen. Nach einer anfänglichen Ruhephase wird das Objekt inzwischen regelmäßig für die Durchführung von politischen Veranstaltungen genutzt, wobei es in der Einschätzung erhebliche Differenzen zwischen Behörden und regionalen Beobachtern gibt. Die Sicherheitsbehörden stufen Rennickes Haus als Objekt ein, das „überwiegend zu Wohnzwecken“ genutzt werde. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage hervor, die der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter an Bayerns Innenministerium gestellt hat.2 Demnach sind der Staatsregierung neun Treffen bekannt, zu denen Rennicke eingeladen hat. Sie haben zwischen März 2014 und April 2016 stattgefunden.

Dazu zählen eine Rechtsschulung am 8. März 2014, ein Treffen an Hitlers Geburtstag am 20. April 2014, eine Grillfeier am 30. August 2014, ein Vortrags- und Liederabend am 24. Oktober 2014 sowie zwei Veranstaltungen mit der GIDA-Bewegung, die am 5. März 2016 und am 1. April 2016 abgehalten wurden. Die letzte der genannten Veranstaltungen diente als „Vernetzungstreffen“ verschiedener PEGIDA-Ableger, das von der „Thügida“-Bewegung organisiert wurde. Rennicke stellte ihnen für diese Veranstaltung sein Grundstück zur Verfügung und unterstützte die rassistische Organisation bei ihren Aktionen in seiner Funktion als Liedermacher. Daneben bot Rennicke der „Europäischen Aktion“ (EA), einer Vereinigung von Holocaustleugnern, am 6. November 2015 eine Plattform für einen Vortragstermin mit geschätzt 20 Teilnehmern.

Deshalb kommen zivilgesellschaftliche Initiativen zu einer anderen Bewertung, was die Bedeutung der Rennicke-Immobilie anbelangt. Sie beobachteten seit dem Erwerb „etliche Feste und Veranstaltungen“, die ihrer Einschätzung zufolge nicht als „unpolitische Aktionen“ zu bewerten sind. Nach deren Schätzung findet pro Vierteljahr ein größeres Treffen statt, das zum Teil prominente Gäste von weiter entfernten Orten anzieht, sagte Nanne Wienands von der "Allianz gegen Rechtsextremismus" in der Metropolregion Nürnberg dem „blick nach rechts“3 im August 2016.

An einer dieser Veranstaltungen hat auch Tony Gentsch teilgenommen, seines Zeichens eine führende Figur der oberfränkischen Neonazi-Szene. Er war im März 2014 Teilnehmer einer Schulung, die auf Rennickes Grundstück abgehalten wurde. Gentsch war bis zu dessen Verbot im Juli 2014 eine Führungsfigur des FNS und bewohnte nach seiner Haftentlassung die Immobilie "Oberprex 47", dann wechselte er nach der Auflösung des Netzwerks zur neuen Neonazi-Partei „Der III. Weg“4 . Dort ist er seither als treibende Kraft bei deren Expansionsbestrebungen aktiv. Heute lebt er im sächsischen Plauen und ist in der Vogtlandregion umtriebig, nachdem er durch das „Vereinsverbot“ seinen bisherigen Wohnsitz im Landkreis Hof verloren hat.

Rennicke hat unterdessen weitere Schritte unternommen, um sein Haus dezidiert für politische Zwecke zu nutzen. So hat er im vergangenen Jahr ein Gewerbe angemeldet, das auf die Adresse in Unterhartmannsreuth eingetragen ist. Dabei handelt es sich um ein Tonstudio mit Vertrieb, das ihm eine „eigene Tonproduktion“ ermöglicht. Es soll offenbar vorwiegend der „Medienerstellung“ dienen und gleichzeitig als „Versandhandel von Medien“ verwendet werden. Trotz dieser gezielten Nutzung und der Durchführung von Veranstaltungen unterscheidet sich die Immobilie jedoch erheblich von "Oberprex 47", was das Ziel der Aktionen betrifft.

Im Gegensatz zur Immobilie in Oberprex zielt Rennicke beispielsweise überhaupt nicht auf öffentliche Veranstaltungen, wie das beim FNS der Fall war. Seine Termine sind meistens konspirativ organisiert, richten sich ausschließlich an die Szene und werden gegenüber Außenstehenden abgeschirmt. Zudem bleiben im Nachgang Berichte über die abgehaltenen Aktionen weitgehend aus. Beobachter vermuten vor dem Hintergrund, dass Rennickes Objekt vor allem für organisatorische Angelegenheiten genutzt wird. „Hier werden Veranstaltungen geplant, Strategien entwickelt und Ideen geboren“, erklärte Nanne Wienands im Vorjahr.

Für diesen Zweck ist die Immobilie bei einer genauen Betrachtung der bisherigen Verwendung und der Geographie aus mehreren Gründen das ideale Objekt. Zum einen ermöglicht sie wegen ihrer strategisch günstigen im Dreiländereck Bayern/Sachsen/Thüringen problemlos die Durchführung von länderübergreifenden Aktionen, die einen direkten Austausch sowie die Planung kooperativer Events wesentlich erleichtert. Veranstaltungen wie das Vernetzungstreffen mit „Thügida“ zeigen, dass die extreme Rechte um das Potenzial des Hauses weiß und es zu nutzen versteht. Zum anderen ist das einstige Schulgebäude perfekt geeignet, um konspirative Aktionen abzuhalten. Durch die abgelege Lage in dem 196-Einwohner-Dorf und durch das weitläufige Areal müssen die TeilnehmerInnen keine Störungen befürchten, die ihre Termine beeinträchtigen würden.

So ist in den letzten Jahren ein Objekt entstanden, das die ungestörte Durchführung von neonazistischen Veranstaltungen ermöglicht und der Szene einen sicheren Rückzugsraum bietet. Gerade im Hinblick auf die regelmäßigen Treffen, die Anmeldung eines eigenen Gewerbes und die einflussreiche Position Rennickes in der Szene sollten dessen Umtriebe künftig besser im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Denn auch wenn er das Haus offiziell hauptsächlich als Wohnort nutzt, lässt sich die Bedeutung der Immobilie für seine politischen Aktivitäten kaum leugnen.

  • 1Bayerischer Landtag, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/9165: Schriftliche Anfrage vom 25.09.2007: "Aktivitäten der Heimattreuen Deutschen Jugend e.V. (HDJ) in Bayern"
  • 2Die Anfrage von Ritter wurde bislang noch nicht veröffentlicht, liegt dem Antifaschisten Infoblatt jedoch vor.
  • 3Johannes Hartl: "Brauner Treffpunkt im Vogtland", bnr.de, 23.08.2016.
  • 4Vgl. »Der III. Weg«, AIB Nr. 108