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Große Anfrage als Rückendeckung für den rechten Rand

Einleitung

Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag hat einen Verdacht. Er richtet sich auf das »Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt«. »Es besteht der Verdacht«, heisst es in einer »Großen Anfrage« der Fraktion vom 14. Dezember 2004, dass das Bündnis »in einem bisher nicht bekannten Umfang linksextremistisch beeinflusste, wenn nicht sogar verfassungsfeindliche Initiativen finanziell unterstützt hat«. Derlei »Fehlentwicklungen oder Missbrauch«, fordern die Unionsabgeordneten, müssen umgehend »aufgeklärt werden«.

»Aufklärung« über linke Initiativen – das entwickelt sich bei CDU und CSU zum Dauerbrenner. Immer wieder haben die Unionsparteien in den vergangenen Jahren versucht, mit Anfragen an die Bundesregierung linke Projekte und insbesondere antifaschistische Gruppierungen anzugreifen. Inzwischen führen diese Versuche in immer stärkerem Maße zum Erfolg.

Die »Große Anfrage« ist das jüngste Beispiel dafür. »Hält die Bundesregierung es mit dem Anliegen des Bündnisses für vereinbar, dass das Antifaschistische INFO-Blatt Berlin als Initiative auf www.buendnis-toleranz.de präsentiert wird (...)?«, lautet Nr. 35 des CDU/CSU-Fragenkatalogs. Die formelle Antwort der Bundesregierung liegt noch nicht vor, man kann ihren Inhalt allerdings jetzt schon dem Internet entnehmen. Ruft man den Link auf der Bündnis-Website auf, der bis vor kurzem auf das Antifaschistische Infoblatt verwies, bekommt man zu lesen: »Das von Ihnen gewünschte Dokument ist dem System nicht bekannt oder wird zur Zeit redaktionell überarbeitet.« In größerem Umfang nahmen CDU und CSU bereits im Jahr 2003 linke Initiativen aufs Korn. Nach Erkenntnissen u.a. über die Antifa Dortmund-Nord und die Antifaschistische Hochschulgruppe Jena erkundigten sich Unionsabgeordnete damals in einzelnen, aber offenbar koordinierten Anfragen. Der politische Kontext war augenfällig: Die Anfragen fanden im Vorfeld einer Fachtagung des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Verfassungsschutz statt. Das Thema der Tagung: »Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie?«

Die Auseinandersetzung um die Fachtagung des VS NRW zeigt exemplarisch, worauf die Anti-Antifa-Anfragen der Unionsparteien abzielen: Auf Rückendeckung für den rechten Rand der CDU/CSU. Der berührt nämlich exakt das Spektrum, gegen das sich die damalige Fachtagung richtete: Das Umfeld der »Jungen Freiheit« (JF), burschenschaftliche Kreise und ähnliche Milieus. Der VS NRW beobachtet dieses Spektrum (unscharf als »Neue Rechte« bezeichnet) seit Jahren am Beispiel der JF, er setzt damit auch den rechten Rand der Unionsparteien unter Druck.

Im Oktober 2003 lud er linke Referenten zur gemeinsamen Debatte über die »Neue Rechte« ein. In den Unionsparteien wurde dies – nicht zu Unrecht – auch als Angriff auf die eigenen Reihen gewertet. Die Antwort ließ nicht auf sich warten: Einige CDU/CSU-Abgeordnete starteten eine eigene Offensive. Ihre Bundestags-Anfragen betrafen Antifa-Gruppierungen, mit denen die Referenten der »Neue Rechte«-Fachtagung punktuell in Berührung gestanden hatten. Das Ziel: Die Delegitimierung der vom VS eingeladenen Experten. Die CDU/CSU-Anfragen standen – so mutmaßten Beobachter damals – in Zusammenhang mit einer zeitgleichen Kampagne der JF. Die wetterte im Vorfeld gegen die VS-Fachtagung, nutzte dabei offenbar Informationen, die auch den Bundestags-Anfragen zugrunde lagen. Die inhaltliche Übereinstimmung ergänzte persönliches Engagement: Mehrere Unions-Politiker ließen sich von der »Jungen Freiheit« im Zusammenhang mit der Fachtagung interviewen. »Leute mit linksextremistischer Duftnote definieren jetzt Rechtsextremismus?«, empörte sich etwa Georg Schirmbeck (CDU) im JF-Interview: »Mir erscheint das, als ob man die Schweine zu Verwaltern des Schlachthofes macht!«

Die Verbindung zwischen den Unions-Anfragen und der JF-Kampagne ließ sich damals auch personell konkretisieren. Unter den »Kleinen Anfragen«, die sich gegen linke Gruppierungen richteten, fand sich damals auch eine Anfrage des Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneten Egon Jüttner. Dessen Büro-Mitarbeiter Sebastian Prinz, Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, firmierte als Autor eines Papiers, das im Frühjahr 2003 in einem verbindungsstudentischen Internetforum verbreitet wurde. Die Angaben des Papiers – es enthielt ergoogelte »Erkenntnisse« über Verbindungen der VS-Referenten zu linken Organisationen – stimmten in hohem Maße mit Angaben aus JF-Artikeln überein. Pikant war dies auch wegen Prinz’ politischer Vergangenheit. Am 12. Mai 1993 etwa, das schrieb Spiegel Online am 4. November 2003, »saß Prinz bei einer Kölner Zusammenkunft von Aktivisten der später verbotenen Neonazi-Truppe Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei«.

Der Blick nach Rechts ergänzte bald darauf, er besitze »eine Einladungsliste aus dem Jahr 1993 (...), in dem neben Prinz Neonazis wie Karl Polacek, Arnulf Priem, Eite Homann, Steffen Hupka und Meinolf Schönborn aufgeführt sind«. Besonders interessant: Prinz nahm in den 1990er Jahren am »Arbeitskreis Publizistische Aktivitäten gegen Links« des Mentors der deutschen Anti-Antifa-Arbeit, Hans-Helmuth Knütter, teil. Während er in Jüttners CDU-Büro arbeitete – nach den Spiegel Online-Enthüllungen verlor er diesen Job – promovierte er im Rahmen eines von der Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) finanzierten Promotionskollegs mit einem Thema »gegen Links«: über die PDS1
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Die Unionsparteien setzten ihre Agitation gegen antifaschistische Gruppierungen auch ohne Prinz fort. Bestes Beispiel: Die »Kleine Anfrage« vom 28. September 2004 zum »Blick nach Rechts«. Die an die SPD angebundene Publikation bezog Zuschüsse vom Bundesinnenministerium des Inneren (BMI), als Schirmherrin firmierte seit dem Frühjahr 2004 die Parlamentarische Staatssekretärin im BMI, Ute Vogt. Der »Blick nach Rechts« unterhielt auf seiner Website diverse Links zu verschiedenen Antifa-Initiativen. »Ist dem Bundesminister des Innern, Otto Schily, bekannt, dass auf dem Internetportal des (...) Blick nach Rechts nicht nur mehrere in Verfassungsschutzberichten im Kapitel Linksextremistische Bewegungen genannte, sondern auch noch weitere dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnende Initiativen etc.  eingestellt waren (...)?«, fragte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Die SPD leistete keinerlei Widerstand gegen die Unions-Offensive, die Links nach links verschwanden rasch von der Website des »Blick nach Rechts«. Keine drei Monate später starteten CDU und CSU ihre nächste Offensive, das Ziel diesmal: Das Bündnis für Demokratie und Toleranz. Vier der namentlich genannten Initiatoren der »Großen Anfrage« (Norbert Geis, Hartmut Koschyk, Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann) standen bereits der JF für ein Interview zur Verfügung, die ihrerseits ihre Kampagne »gegen Links« parallel zu den Unions-Anfragen weiterführt. Mögliche Drahtzieher wie Sebastian Prinz lassen sich hinter den aktuellen Aktivitäten bislang nicht entdecken. Die inhaltliche Übereinstimmung im Kampf gegen die Antifa erübrigt dies allerdings auch.
 

  • 1Nicht ausführlich aufgeführt sei hier Prinz rege Autorentätigkeit. So als Mitautor in »Deutsche Teilung und die Deutschen« der DT.B! im WJK-Verlag 2001 laut Criticon # 170, »Der Selbständige« # 4 – 2002, »Burschenschaftliche Blätter« # 2 – 2003 oder im »Ostpreußenblatt«.