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Rechte Parallelwelt in Coburg?

Einleitung

In dem Communiqué „Coburg ohne Convent“ vom 25. Mai 2023 berichtete die „Autonome Antifa Freiburg“ über die dubiosen Seilschaften des rechtsnationalen Männerbundes „Coburger Convent“ (CC) in die Coburger Stadtverwaltung.

Das Ende des Fackelmarsches auf dem Coburger Marktplatz am Pfingstmontag.

Das Ende des Fackelmarsches auf dem Coburger Marktplatz am Pfingstmontag

Der gestörte „Burgfrieden“

Der „Coburger Convent“ (CC) sagt den meisten Menschen außerhalb Coburgs nichts. Wenn doch, dann vielleicht noch, dass es sich um einen Dachverband schlagender Studentenverbindungen handelt, die zu Pfingsten nachts mit Fackeln durch Coburg marschieren. Aber der CC ist mehr als das. Beim CC handelt es sich um ein Netzwerk von (rechten) Männern, unter denen viele zu Einfluss oder Geld oder beidem gekommen sind. Im Regelwerk „Rotes Handbuch“ des „Verband Alter Herren des Coburger Convents (AHCC) e.V.“ sind allerlei Dinge unter Strafe gestellt. So heißt es u.a. „Während der Tagungen des Verbandes herrscht Burgfrieden.“ Vermutlich sind damit alle möglichen internen Feindseligkeiten verboten, ziemlich sicher aber Duellforderungen, die laut einer „Fechtordnung“ - zumindestens offiziell - sowieso verboten sind.
Ein Mann, der trotzdem eklatant Duellverbot und Burgfrieden missachtete, war Hansjörg Müller aus Ainring-Mitterfelden, „Alter Herr“ der „Turnerschaft Germania Dresden“ und „Landsmannschaft der Salzburger zu Salzburg“. Müller war von 2017 bis 2021 Bundestagsabgeordneter der AfD.

Versuchter Waffenkauf ohne Folgen?

Leser_Innen des „Antifaschistischen Info­blattes“ (AIB) erinnern sich vielleicht: Im Juli 2016 soll Hansjörg Müller mutmaßlich den illegalen Kauf einer scharfen Schusswaffe für 800 Euro beim rechten Waffenhändler Alexander Reichl angestrebt haben. (Vgl. AIB Nr. 131) Den dubiosen Handel mit Reichl soll Hansjörg Müller über den Mittelsmann Thomas M. aus Sankt Augustin verschleiert haben. Der ehemalige Zollbeamte Reichl stellte laut Quellenlage Thomas M. dafür über die „CDM – Customs Duty Marketing“ aus Pfäffikon (Schweiz) eine Rechnung über 800 Euro als „Pauschalvergütung für Beratung hinsichtlich internationaler Zollangelegenheiten und damit in Verbindung stehenden Fragestellungen“ aus. Laut im Communiqué veröffentlichter E-Mail-Kommunikation soll das Geld aber ursprünglich nicht von Thomas M., sondern von Hansjörg Müller – dem eigentlichen „Geschäftspartner“ -  gezahlt worden sein. Alexander Reichl wurde im Juni 2022 vom Landgericht München zu einer milden Strafe verurteilt. Hansjörg Müller wurde nicht einmal angeklagt.

„Ehrenprüfverfahren“ mit Folgen

Im „Fall Müller“ – unter diesem Betreff diskutierte der AHCC über den Vorfall auf dem Pfingstkongress 2017 – hatte das „Präsidium des CC/AHCC“ die „Ordnungsgewalt“ inne. Der Bruch des „Burgfriedens“ wurde vom AHCC mit der Einleitung eines „Ehrengerichtsverfahrens“ sanktioniert. Ziel war die Aberkennung der „Achtungswürdigkeit“ von Hansjörg Müller. Der „Amtsleiter Rechtsangelegenheiten CC/AHCC“ Veit Stößlein berichtete für das „Rechtsamt des CC/AHCC“ über den Zwischenfall:

Während des laufenden Festkommerses am Abend des Pfingstmontags, an dem Herr Vbr. Müller teilnahm, begab er sich auf das Präsidial­podium. Dort saßen neben den Amtsträgern des CC/AHCC auch in diesem Jahr Gäste des Verbandes, wie z.B. der Oberbürgermeister der Stadt Coburg, die Vorsitzenden der Deutschen Sängerschaft sowie der Corpsverbände. Ebenso hatte dort der Festredner des Kommerses, Herrn Vbr. Prof. Dr. Hans-Georg Hahn, Gottingae, seinen Platz. Der Festredner hatte nach seiner Rede wieder Platz genommen, als Herr Vbr. Müller mit einer Visitenkarte in der Hand auf diesen zutrat. Der neben Herrn Vbr. Hahn sitzende Oberbürgermeister Tessmer hatte sich wegen eines Telefonats soeben entfernt. Bereits während des Hinzutretens auf Herrn Vbr. Hahn sprach Herr Vbr. Müller diesen an. Der Inhalt seiner Aussage konnte von Herrn Vbr. Hahn allerdings akustisch nicht verstanden werden. Er hörte lediglich das Wort „kontrahieren“. Laut Aussage von Herrn Vbr. Hahn haben neben ihm sitzende Bundesbrüder die Worte von Herrn Vbr. Müller wie folgt wahrgenommen: „Herr Verbandsbruder, ich muss Sie aufgrund Ihrer Rede kontrahieren.“ Herr Vbr. Hahn erklärte hierauf, dass er das Verhalten des Herrn Vbr. Müller nicht ernst nehmen könne, er wolle sich mit ihm außerhalb des Pfingstkongresses ins Benehmen setzen, er (Müller) würde dann ggf. in der kommenden Woche von seinem Anwalt hören. Hierauf riss Herr Vbr. Müller die in der Hand gehaltene Visitenkarte ein und reichte diese in Richtung von Vbr. Hahn mit den Worten: „Ich hatte Sie kontrahiert“ oder „Ich habe Sie kontrahiert“. Vbr. Hahn nahm die Karte schließlich entgegen, da der Oberbürgermeister im Begriff war an seinen Platz zurückzukehren. Die Visitenkarte nahm Herr Vbr. Vorwald, Rhenaniae Münster et Gottingae, als stellv. Sprecher der Präsidierenden an sich.“

Am Folgetag kam der „Ordnungsausschuss“ des CC zusammen, der hierfür offenbar die „Regimentsstube“ im Rathaus nutzen konnte. Hansjörg Müller ließ sich wegen eines wichtigen Termins von Olaf Haubenreißer ("Bavariae et Salzburger") vertreten. Ungünstigerweise wurde er zeitgleich von dem damaligen AHCC-Vorsitzende Ali Ottmar Mahdi, der sich für die Eröffnung des Marktfrühschoppens auf dem Balkon des Rathauses befand, beim Bierkauf am Getränkestand beobachtet.

Hansjörg Müller entschuldigte sich zwei Tage nach Einleitung des „Ehrengerichtsverfahrens“ bei dem „Kongressbeauftragter des CC/AHCC“ Hans Schollmeyer (Inning/Buch). Schollmeyer nutzte das Entschuldigungsschreiben als Geständnis, um Müller per Umlaufbeschluss des AHCC zu sanktionieren. Das Strafmaß für Hansjörg Müller setzte Hans Schollmeyer auf drei Jahre CC-Verbandsveranstaltungsverbot und zwei anschließende Jahren Kommersverbot auf dem „Pfingstkongress“ fest. Der AHCC winkte Schollmeyers Vorschlag ohne Gegenstimme durch. Das „Ehrenverfahren“ gegen Hansjörg Müller wurde sehr zum Missfallen des AHCC eingestellt, weil der Redner Hans-Georg Hahn Müllers Entschuldigung im Gegensatz zu Schollmeyer akzeptierte.

„Geheimdienst“ und „Fahndungsplakate“

Der „Kongressbeauftragte“ Schollmeyer sollte einige Jahre später selbst für Schlagzeilen sorgen. Er zählte als Schatzmeister zum „engeren“ AHCC-Vorstand und soll zeitweilig über einen Mitarbeiter einen direkten Kontakt in das Büro des Coburger Oberbürgermeister (OB) gehabt haben. Inoffiziell erhielt er im Mai 2022 so sogar das „Rede-Manuskript“ des „OB-Redenschreiber“ anlässlich des „Pfingstkongress“ vorab zur Durchsicht. Die „Autonome Antifa Freiburg“ berichtete zusätzlich, dass auch ein städtischer Abteilungsleiter für „Projekte/Veranstaltungen“ vom „Coburg Marketing“ im April 2022 zeitweilig Teil der AHCC-internen E-Mail-Kommunikation war und in Convent-Kreisen sogar als „CC-Geheimdienst im Coburger Rathaus“ bezeichnet worden war.

Da verwunderte es kaum, dass die Stadt Coburg laut Communiqué beabsichtigt hatte, für fünftausend ­Euro­ zwei Werbeanzeigen in dem offiziellen Verbandsorgan des Coburger Convents („CC-Magazin“) zu schalten, um eine zu offensichtliche Direktfinanzierung des CC zu verschleiern.

Der „Coburger Convent“ scheint sich seiner Sache in Coburg allgemein sehr sicher zu sein. Völlig ungeniert plante Hans Schollmeyer im Mai 2023 sogar, Plakate an CC-Treffpunkten aufzuhängen, die mit Fotos vor einer kritischen Journalistin des „Coburger Tageblatt“ und einem Grünen-Stadtrat „warnen“ sollten.

(Kein) „Rücktritt“ nach Antifa-Recherche

Aufgrund der Veröffentlichungen des persönlichen Mailverkehrs von Herrn Hans G. Schollmeyer in seiner Funktion als Kongressbeauftragter des Coburger Convents und um weiteren Schaden generell zu vermeiden, hat der Kongressbeauftragte auf Wunsch des Vorstands des AHCC e.V. (Veranstalter) des 155. Pfingstkongress auf die weitere Ausübung des Amtes verzichtet und ist von diesem mit sofortiger Wirkung zurückgetreten“, verkündet Martin Vaupel, Pressesprecher des Coburger Convents in einer Pressemitteilung. Der „Rücktritt“ bzw. der „Verzicht“ soll jedoch die Reaktion auf eine „Absetzung“ von Schollmeyer gewesen sein.

Kein Rücktritt wurde nach dem Communiqué „Der Richter grüßt Hitler“ der „Autonomen Antifa Freiburg“ vom 18. Mai 2023 bekannt. Auf dem „Pfingstkongress“ des Coburger Convents im Mai 2018 grüßte ein „Landsmannschafter“ einen anderen mit „Heil Hitler!“ auf dem Männerklo. Der so Gegrüßte stellte Strafantrag, die Polizei verdächtigte den Falschen, das Gerichtsverfahren wurde eingestellt. Dieses Communiqué rekonstruierte die Geschichte einer Verschwörung von „Waffenstudenten“, die um den „guten Ruf“ ihrer Organisation besorgt waren, sollte die Identität des Hitlergrüßers bekannt werden. Zu Recht: Diese Person soll demnach „Alter Herr“ der „Landsmannschaft Niedersachsen im CC zu Hannover“ und Richter am Amtsgericht Gifhorn sein.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass dieser Männerbund nicht nur einen enormen Einfluss auf (regionale) politische Belange hat, sondern darüber hinaus auch eine Art eigene Gerichtsbarkeiten etabliert hat, während die Sanktionierung von Mitgliedern durch die staatliche Justiz auf der anderen Seite teilweise unterlaufen wird. Dies geschieht offenbar z.T. auch mit Beteiligung von hauptberuflichen Juristen.