Skip to main content

Sympathien der extremen Rechten für die Ukraine

Einleitung

Die Orientierung nach Russland ist zwar die vorherrschende, aber nicht die einzige Variante der extrem rechten Ostpolitik. Vor allem während der Majdan-Proteste blickten zahlreiche Rechte mit großem Interesse auf die Ukraine. Einige sind dieser Vorliebe treu geblieben.

Foto: Recherche Netzwerk Berlin

Der stellvertretende Berliner Landesvorsitzende von „Die Rechte“, Patrick Krüger, mit einem ASOW-Pullover bei einem "Merkel muss weg"-Aufmarsch im März 2017 in Berlin.

„Erst Kiew, dann Moskau“

Ein gewisses prinzipielles Interesse an einer Kooperation mit faschistischen Organisationen in der Ukraine hat es in der deutschen extremen Rechten seit den 1990er Jahren immer gegeben. Ein Beispiel dafür bietet die Zusammenarbeit der NPD mit der Українська Національна Асамблея-Українська Народна Самооборона (УНА-УНСО), in Deutschland unter UNA-UNSO (Ukrainische Nationalversammlung — Ukrainische Nationale Selbstverteidigung) bekannt. Die Partei um Дмитро  Корчинський (Dmytro Kortschynskyj) hatte in der ukrainischen Szene zeitweise eine recht wichtige Rolle gespielt. 1996 schloss die NPD einen „Partnerschaftsvertrag“ mit ihr ab und führte im November 1999 sowie im Juni 2000 Zusammenkünfte mit ihr durch. Im Jahr 2007 druckte die Parteizeitung "Deutsche Stimme" (DS) einen Beitrag über die Ukraine, den ein UNA-UNSO-Mitglied mitverfasst hatte.

Später hat die NPD sich dann jedoch stärker auf die Partei "Allukrainische Vereinigung 'Swoboda'“ (ukrainisch "Всеукраїнське об'єднання «Свобода»") um Oleh Tjahnybok  Олег Тягнибок) fokussiert, die im Oktober 2012 mit 10,4 Prozent bei der ukrainischen Parlamentswahl einen großen Erfolg einfuhr. Im März 2013 trafen sich der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Udo Pastörs und ein Swoboda-Aktivist auf einem Treffen extrem rechter Organisationen in Stockholm; am 29. Mai 2013 besuchten Swoboda-Funktionäre Abgeordnete der sächsischen NPD-Landtagsfraktion in Dresden und vereinbarten, die Zusammenarbeit auszubauen. Ebenfalls im Mai 2013 erschien in der "Deutsche Stimme" ein Interview mit dem Bürgermeister von Ternopil, Sergij Nadal, einem Swoboda-Mann.

Einen kurzen Auftrieb haben der deutsch-ukrainischen Faschistenkooperation die Majdan-Proteste verschafft. Die Massenrevolte, die einen signifikanten faschistischen Anteil hatte und in der NS-Kollaborateure wie Stepan Bandera offen verehrt wurden, besaß für viele extrem Rechte in Deutschland, aber auch in anderen west- und nordeuropäischen Staaten eine starke emotionale Anziehungskraft. Schwedische Aktivisten von der "Svenskarnas Parti" etwa tummelten sich während der Proteste auf dem Majdan; Anfang März 2014 stach einer von ihnen, soeben nach Malmö heimgekehrt, noch im Hochgefühl des Aufstands auf mehrere schwedische Linke ein und verletzte einen von ihnen lebensgefährlich. Damals fand sich auch der NPD-Auslandsbeauftragte Jens Pühse begeistert in Kiew ein. Die Jungen Nationaldemokraten (JN) kündigten für ihren Europa-Kongress am 22. März 2014 den Auftritt eines Vertreters des Partei "Rechter Sektor" (Пра́вий се́ктор) um Dmytro Jarosch (Дмитро́ Я́рош) an, der letztlich jedoch ausfiel: Die deutschen Behörden verweigerten das Einreisevisum.

Allerdings ist die Unterstützung der Majdan-Proteste in der extremen Rechten Westeuropas schon bald nach dem Umsturz in Kiew Ende Februar 2014 sehr umstritten gewesen. Die Gründe hat exemplarisch im März 2014 der damalige stellvertretende NPD-Vorsitzende Karl Richter benannt. „Historisch und geopolitisch ist die Ukraine unverzichtbares Einflußgebiet Rußlands“, schrieb Karl Richter in einem „NPD ­Leitbrief“. Russland aber werde „im großen geopolitischen Spiel der Gegenwart“ massiv von den westlichen Mächten, allen voran von den USA, attackiert; in diesem Kampf könnten sich „deutsche Patrioten schlechterdings nur an der Seite Rußlands positionieren“, denn dieses sei „derzeit die einzige ‚weiße‘ Großmacht, die den liberal-dekadenten ‚westlichen Werten‘ demonstrativ eine Absage erteilt“. Leider hätten sich „die wichtigsten ‚nationalen‘ Kräfte“ der Ukraine „klar antirussisch positioniert“ und sich damit „westlichen Einflußinteressen dienstbar gemacht“. Eine solche Anbiederung an den Feind könne man nicht unterstützen: „Nationale Kräfte in der Bundesrepublik sollten wohlverstandene Distanz halten“. Denn „‘Nationalisten‘ in anderen Ländern“, so ließ Richter sich vernehmen, seien „nicht per se Verbündete“, „auch wenn sie sich — wie im Falle der Ukraine — demonstrativ auf eine frühere Waffenbrüderschaft mit Deutschland und die Übereinstimmung in vielen politischen Zielen berufen können“. Bei eklatanten Differenzen in der Beurteilung der Gegenwart helfe das alles nichts.

Mehrheitlich hat sich diese Position durchgesetzt — und so fanden sich nicht nur Karl Richter und der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt, sondern auch der Auslandsbeauftragte Pühse, der im Vorjahr noch begeistert nach Kiew gereist war, im März 2015 nicht in der Ukraine, sondern in Russland zu einem Internationalen Russischen Konservativen Forum in St. Peters­burg ein. Dort sprach man sich klar dafür aus, in Zukunft Russland gegen jegliche westliche Aggression zu unterstützen. Mit dabei waren unter anderem Roberto Fiore von der italienischen "Forza Nuova", Wolen Siderow (Волен Сидеров) von der bulgarischen "Партия Атака" ("Partei Ataka") und Vertreter der "Χρυσή Αυγή" ("Goldene Morgenröte") aus Griechenland. Weitere bedeutende Organisationen der extremen Rechten in Westeuropa bahnten bald sogar Kontakte zu den Zirkeln der Macht in Moskau an, etwa der französische "Front National" (FN) und die "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ). Für eine Zusammenarbeit mit der ukrainischen Rechten waren sie damit aus dem Spiel.

Ein gewisser Widerspruch ist in der rechten Szene allerdings erhalten geblieben. Davon zeugen nicht zuletzt extrem rechte Söldner, die immer wieder ihren Weg in die Ukraine fanden. Einer der bekanntesten von ihnen ist der Schwede Mikael Skillt, ein ehemaliges Mitglied der "Svenskarnas Parti", der sechs Jahre lang in den schwedischen Streitkräften gedient hatte, unter anderem als Scharfschütze. Skillt ging nach eigenen Angaben im März 2014 in die Ukraine — „weil ich sah, daß dort eine nationale Revolution stattfand“, berichtete er später; strategische Überlegungen, wonach man Russland unterstützen müsse, um „den Amis“ eins auszuwischen, waren ihm fremd. Nach einer kurzen Zwischenstation bei der eng mit Swoboda verbundenen Organisation C14/Sitsch landete er bald beim Regiment Asow (Полк Азов), der vielleicht bekanntesten faschistischen Miliz der Ukraine, in der zahlreiche Neonazis zum Beispiel aus Frankreich, Italien und weiteren westeuropäischen Ländern kämpften. Skillt will dort unter anderem als Aufklärer, als Scharfschütze und als Ausbilder tätig gewesen sein. Dabei ist er, wie gesagt, nur einer von vielen gewesen.

Zu den Neonazis, die im Bataillon Asow kämpfen, zählen nicht zuletzt zahlreiche Mitglieder der "Misanthropic Division". Die Organisation, die sich im Oktober 2013 in Kiew gegründet hat und sich als arisch-nationalsozialistische Bruderschaft begreift, sieht sich in einem Krieg zur Erhaltung der „weißen Rasse“; ihr Leitmotto lautet: „Töten für Wotan“. Wohl über alte "Blood & Honour"-Kontakte hat die "Misanthropic Division" sich recht rasch auch in anderen europäischen Ländern ausgebreitet, etwa in der Schweiz, wo sie Anfang 2015 Schlagzeilen machte, weil sie Geld und Material für die ukrainische Front sammelte. „Wir wissen, dass dies nur ein Tropfen im Meer der Solidarität ist“, bedankte sich das Bataillon Asow nach Erhalt: „Aber wir hoffen, dass er unseren Kameraden an der Front hilft. Ehre der Ukraine!“ Die "Misanthropic Division" ist inzwischen in einer ganzen Reihe von Ländern aktiv, etwa in Frankreich und Italien, in Spanien und Polen.

In Deutschland hat sich die Neonazi-Partei "Der III. Weg" seine Sympathien für die ukrainischen Faschisten bewahrt; er hält nach wie vor Kontakt zum "Bataillon Asow" und beobachtet aufmerksam dessen politische Aktivitäten. Am 12. Juni 2016 etwa waren Asow-Mitglieder bei Neonazi-Aktivisten in Bayern zu Gast. Man habe sich rege über die Entwicklung in der Ukraine ausgetauscht und anschließend das Grab von Stepan Bandera auf dem Münchener Waldfriedhof besucht, berichteten Teilnehmer; geblieben sei „die Erkenntnis, dass die Zusammenarbeit länderübergreifend gestärkt werden muss“. Und das Russland-Argument — verfängt es beim "Der III. Weg" nicht? Nun, am 31. Oktober 2015 hatte "Der III. Weg"-Stützpunkt München zu einer kleinen Konferenz zum Thema eingeladen. Man lauschte zunächst einem Redner, der — wie Karl Richter — für ein Bündnis der deutschen und der russischen extremen Rechten warb, hörte sich anschließend die Argumente eines zweiten Redners an, der meinte, im heutigen Russland hätten Neonazis auch nichts zu lachen — man solle sich am besten „erst Kiew, dann Moskau“ vornehmen; und als ein dritter Redner dann den Krieg in der Ostukraine als höchst bedauerlichen „slawischen Bruderkrieg“ entlarvte, der „durch ausländische Einflüsse“ ausgelöst worden sei, da fand "Der III. Weg" seine Synthese. „In diesen schwierigen Zeiten gilt unser Gruß den nationalen Kräften in Russland und [!] der Ukraine“, hielt er fest: „Auf dass sie den richtigen Weg finden und ihre Kraft bald wieder gegen den wahren Feind wenden und den Maidan vollenden können. In Kiew genauso wie in Moskau.“