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Rechte Hooligans des MSV Duisburg

Arne Zillmer
Einleitung

„Sie haben Schwule dabei, tötet sie!“

Ständig kommt es aktuell in deutschen Stadien zu Konflikten zwischen antirassistischen Fans und rechten Hooligans, die Liste der betroffenen Vereine wird immer länger: Aachen, Braunschweig, Essen, Dortmund, Gladbach, Düsseldorf - und Duisburg. Auch beim MSV von 1902 gibt es Probleme mit Rechten. Trotz eindeutiger Verbindungen ins Neonazi-Milieu und einer Reihe von klar politisch-motivierten Angriffen auf Gruppen, die sich gegen Diskriminierung aussprechen, bekennt sich ein Großteil der Duisburger Fanszene nach wie vor zur alt-bekannten „unpolitischen Kurve“. Nun reagiert der Verein, jedoch wie schon andernorts, viel zu spät und zögerlich.

Bild: AKDu; linksunten.indymedia.org//CC BY-NC-SA 2.0

Rechtes Duisburger Hooligan T-Shirt-Motiv.

Braun-weiß gestreifte Zebras

Die Konfrontationen auf den Rängen laufen stets nach einem ähnlichen Schema ab, so auch beim Meidericher Spielverein. Alteingesessenen rechtsoffenen bzw. klar extrem rechten Hooligans ist das antirassistische Engagement einiger Ultra-Gruppen ein Dorn im Auge, es folgen Drohungen und nicht selten körperliche Angriffe. Im Oktober 2013 kommt es nach dem Heimspiel gegen Saarbrücken vor dem Wedaustadion zur Eskalation, als am Fanprojektcontainer rechte Hooligans und Neonazis die Gruppen „Kohorte“ und „Jungspunde“ angreifen. Nach Augenzeugenberichten gingen die teils vermummten Angreifer äußerst brutal vor und schlugen auch noch auf am Boden liegende Personen ein. Erst als die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken eingriff, ließen sie von ihren Opfern ab. Der Auslöser für die Attacke war ein Spruchband gewesen, mit welchem sich die Ultras der „Kohorte“ mit den antifaschistischen „Ultras Braunschweig“ solidarisierten, denen vom BTSV ein Gruppenauftrittsverbot auferlegt worden war. Dieses Spruchband nahmen die Rechten als Rechtfertigung für den Angriff, sahen darin eine politische Meinungsäußerung, welche sie untersagt hatten: Im Vorfeld hatten die Hooligans der „Division Duisburg“ den Ultras der „Kohorte“ klar gemacht, dass weiteres Engagement gegen Diskriminierung zu unterlassen sei. Letztendlich sind solche „Ansagen“ als erpresserisches Verhalten zu sehen, bei denen körperlich überlegene Gruppen anderen ihre Vorstellungen aufzwängen. „Mit Bauchschmerzen“ verzichtete die „Kohorte“ seit dem darauf, antirassistische Positionen zum Ausdruck zu bringen und unterließ sogar einen Beitrag zur „FARE-Woche“, um erst „gar keinen neuen Diskussionsstoff zu liefern“. Doch die Soli-Aktion war für die „Division“ Anlass genug, loszuprügeln. Der Vorfall nach dem Saarbrücken-Spiel sorgte bundesweit für Aufsehen, schließlich kam es 2013 in zahlreichen Fankurven zu vielen Vorkommnissen dieser Art. 1 , 2 Zwei Monate später, am Rande des Auswärtsspiels in Heidenheim, eskalierte es erneut. Wieder attackierten rechtsoffene Fans aus den Gruppen „Division“ und „Proud Generation“ sowie bekannte Neonazis die „Kohorte“. Diesmal war der Auslöser der Auseinandersetzung, dass ein Mitglied der „Proud Generation“ mit einem Ultra aus den Reihen der „Kohorte“ aneinandergeriet, woraufhin gezielt die gesamte Gruppe attackiert wurde. Mehrere Personen brachten den Vorsänger der „Kohorte“ zu Boden und traten auf den Kopf ein, schlimmere Verletzungen konnten nur durch das beherzte Eingreifen anderer Fans verhindert werden. Dass auch dieser Angriff nicht durch „Supportunstimmigkeiten“ verursacht wurde, belegen die zahlreichen homophoben und antisemitischen Beleidigungen und Morddrohungen, die währenddessen gerufen wurden, unter anderem „Sie haben Schwule dabei, tötet sie“. 3 , 4

Hitlergrüße und Kontakte zur NPD: Alles unpolitisch ?

Wie schon in anderen Stadien ist auffällig, dass große Teile der Fanszene kaum oder gar nicht auf die Auseinandersetzungen reagieren und mit zweierlei Maß messen, wenn es um Politik im Stadion geht. Sie betonen stets fast schon gebetsmühlenartig, dass eine Fankurve nur dem Unterstützen des Vereins dienen solle und politische Meinungsäußerungen jedweder Art zu unterlassen seien. Eine Gruppe wie die „Division Duisburg“ allerdings als „unpolitisch“ anzusehen, zeugt in Anbetracht der Ereignisse der vergangenen Jahre von einer völlig gestörten Wahrnehmung. Die gezielten Attacken auf die Ultras sind nur die traurigen Höhepunkte, immer wieder war es zu Provokationen, Drohungen und rechten Meinungsäußerungen gekommen, die zweifellos Ausdruck einer menschenverachtenden politischen Gesinnung sind. So fielen Anhänger des MSV, welche sich hinter dem Banner der „Division“ versammelten,  im Juli 2011 beim Pokal-Spiel in Babelsberg durch Gesänge wie „Zick, Zack, Zigeunerpack“ oder „Hasta la vista Antifascista“ auf. Ähnliche Szenen spielten sich bei einem Spiel in Halle im August 2012 ab, als mitgereiste Duisburger antisemitische Parolen riefen, eine Fahne mit der Aufschrift „Good night left side“ entrollten und ein Fan den Hitlergruß zeigte. Weiterhin nahm die „Division“ an rechtsextremen Fußballturnieren teil, welche von militanten Neonazis zur Vernetzung genutzt werden. Bei einem dieser Turniere, dem „SV Astika Cup (Hakenkreuz-Cup)“ im Raum Karlsruhe, kickte auch die NPD schon mit und lobte die Veranstalter für ihr „vorbildliches Engagement zur Vernetzung der nationalen Kräfte“. Neben diesen Berührungspunkten zur NPD gibt es zudem enge personelle Verstrickungen zwischen Duisburger Fans und freien Kameradschaften. So gab die Landesregierung bekannt, es lägen Erkenntnisse darüber vor, dass jeweils ein Mitglied der Gruppen „Borrachos“ und „Division“ auch  in den Gruppierungen „Nationaler Widerstand Duisburg“ und „Nationaler Widerstand Dortmund“, welche 2012 verboten wurde, aktiv waren. 5 , 6

Trotz allem sehen viele Fans nicht die Neonazi-Hooligans als Problem an, obwohl diese mehr als deutlich ihre Gesinnung auch nach außen hin präsentieren, sondern eben jene, die sich gegen Diskriminierung engagieren. Die antirassistischen Ultras haben einen schweren Stand, man wirft ihnen vor, durch ihre Aktionen und Äußerungen überhaupt erst die „Politik ins Stadion“ gebracht zu haben und so den „Kurvenfrieden“ zu stören. Tatsächlich wollen die progressiven Ultragruppierungen nichts weiter, als ein Mindestmaß an demokratischen Grundwerten im Stadion, in dem alle Menschen frei von Diskriminierung das Spiel auf dem Rasen verfolgen können. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, jedoch nicht vereinbar mit der „unpolitischen Haltung“ mancher Teile der Fanszene, welche sie auf „No politics, just MSV“-Aufklebern äußert. Gleichzeitig sind antiziganistische, antisemitische und homophobe Ausfälle sowie Kontakte zu neonazistischen Parteien und Organisationen kein Thema.

Hinzu kommen oftmals Querelen innerhalb der Fanszene über den Support. Während Ultra-Gruppierungen typischerweise auf Dauer-Unterstützung setzen und oftmals das ganze Spiel über singen und Fahnen schwenken, sehen viele ältere Fans und Kuttenträger dies als unnötige Selbstdarstellung an. Sie unterstellen den Ultras einen elitären Habitus und wünschen sich selbst eine Rückkehr zu klassischen Schlachtrufen und weniger Einsatz von Schwenkfahnen. Auch dies ermöglicht es rechten Fangruppen teilweise, sich als die „wahren Fans“ zu generieren, die nur den Verein unterstützen würden und sich angeblich nicht selbst inszenierten.

Vereine positionieren sich „gegen jeden Extremismus“

Nicht nur die Auseinandersetzungen in den Fanszenen laufen ähnlich ab, auch die Reaktionen der Vereine darauf wirken fast standardisiert. Dem Konflikt wird häufig ein politischer Hintergrund abgesprochen, selbst bei eindeutig dokumentierten rechten Gesängen, Zeichen oder Angriffen bleibt es im Nachhinein oftmals bei rein symbolischer Öffentlichkeitsarbeit. „Gewalt“ und „Extremismus“ werden ganz allgemein verurteilt, von wem die Gewalt ausgeht und welche Form von Extremismus gemeint ist, wird nicht näher erläutert. Zu groß ist die Angst vor einem Imageschaden, so bleibt auch stets die Unterstützung für die angegriffenen Gruppen aus. Bisher hat sich kein Verein hinter die Betroffenen gestellt, sondern entweder geschwiegen oder sogar noch, wie in Braunschweig, die antirassistischen Ultras aus dem Stadion verbannt.

Nun scheint der MSV Duisburg jedoch zu reagieren, jüngst kündigte man ein umfassendes Maßnahmenpaket an. In einer Erklärung werden unter anderem die Vorfälle in Halle und Saarbrücken erwähnt und die darauf folgenden Reaktionen wie Stadionverbote beschrieben. Allerdings wird ein Mal mehr deutlich, wie sehr Fußballvereine nur im Rahmen der „Hufeisen“- bzw. „Extremismustheorie“ argumentieren: Der MSV spricht davon, dass „es unter den größtenteils aufgeschlossenen und friedlichen Fans, die regelmäßig die Spiele der Zebras besuchen, auch einige wenige gewalttätige und extremistische Personen gibt“. Weiter heißt es, „eine belegbar politisch rechtsextrem oder linksextrem motivierte Straftat habe es – das ist Stand der aktuellen Ermittlungen – dabei nicht gegeben“. Die Fanszene wird dabei unterteilt in eine „gute Mitte“ und die „bösen extremistischen Ränder“, wobei natürlich „jedweder“ Extremismus von den jeweiligen Vereinen verurteilt wird, schließlich bekenne man sich ja zu „demokratischen Werten“. Eine gefährliche Argumentationsweise, welche im Kampf gegen Rechts Teil des Problems und nicht der Lösung ist. Denn durch das Festhalten an diesem Extremismusbegriff wird völlig ausgeblendet, welche politische Gesinnung den Gewalttaten zugrunde liegt und von wem die körperlichen Auseinandersetzungen ausgehen. Die rechten Hooligans handeln ganz nach ihrem sozialdarwinistischen Weltbild, wonach der „Stärkere überlebt“, und prügeln so auf jene ein, die nicht ihrer Meinung sind. Dass die Angegriffenen sich dann auch mal wehren und dass die Gewalt, die von trainierten und kampferprobten rechten Hooligans ausgeübt wird, qualitativ gesehen etwas anderes ist, als sich selbst und die eigene Gruppe zu schützen, spielt dabei in den Augen der Vereine keine Rolle. Sie wollen nicht genauer differenzieren und sehen nur das „politische Hufeisen“. Auch viele Fans verteufeln „links“ und „rechts“ gleichermaßen, oft liest man in Foreneinträgen oder Kommentarspalten die Empfehlung, dass sich beide Seiten doch bitte „auf'm Acker die Köpfe einhauen“sollten.

Doch es gibt auch Hoffnung: Es werden weitere Maßnahmen angekündigt, mit denen man verstärkt auf Prävention und Stärkung der Zivilcourage im Stadion zu setzen scheint. So sollen die Ordner weiter geschult und sensibilisiert werden, es wird ein engerer Dialog mit den verschiedenen Fanvertretern angekündigt sowie mehr Aktionen mit dem Fanprojekt. Lobenswert ist hier eine Veranstaltung vom 1. April zum Thema „Sexismus im Fußball“ zu erwähnen, welche in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „F_in“, „Frauen im Fußball“ stattfand. Außerdem appelliert der Verein an seine Fans, Zivilcourage zu zeigen und „extremistisches oder gewalttätiges Verhalten“ zu melden, damit Sanktionen eingeleitet werden können. Somit schlägt der MSV einen neuen Weg ein, die bestehenden Probleme werden nicht länger geleugnet. Stattdessen werden Teile der aktiven Fans, die sich gegen Diskriminierung einsetzen, gestärkt und gefördert. Es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnahmen fruchten und das Gewaltmonopol der rechten Hooligans beenden. 7

Bis zu einem diskriminierungsfreien Fußball ist es noch ein langer Weg. Hierfür müssen die Vereine noch viel mehr in Prävention investieren und sich mit den betroffenen Gruppen solidarisieren. Andernfalls entsteht das fatale Signal an Neonazi-Hooligans, dass sich Gewaltanwendung lohnt und ohne Konsequenzen bleibt. Vor allem aber müssen die Fans erkennen, dass sie durch ihr Wegschauen rechtem Gedankengut den Weg ebnen und eine „unpolitische Kurve“ nicht bedeuten kann, dass man das Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung am Stadioneingang ablegt.