Rechtsterrorismus in Frankreich?
Bernard SchmidSeit dem 10. Juni 2016 findet in Frankreich die Fußball-EM 2016 statt. Überschattet von den massiven Streik- und Protestbewegungen und Arbeitskämpfen im Land hat ein Teil der Öffentlichkeit allerdings buchstäblich Besseres zu tun hat, als sich um den Ballsport am Bildschirm zu kümmern.
In diese Situation hinein platzte Anfang Juni ebenso eine Nachricht über die Festnahme eines 25jährigen Franzosen, Grégoire Moutaux, an der polnisch-ukrainischen Grenze. Ihn hatten ukrainische Sicherheitskräfte bereits am 21. Mai dieses Jahres am Grenzübergang Yagodyn – zwischen dem ukrainischen Lutsk und der polnischen Stadt Lublin – festgenommen, die Öffentlichkeit erfuhr dies allerdings erst am 6. Juni 2016. Vassyl Hrytsak, Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdiensts Sluschba bespeky Ukrajiny (SBU), gab an dem Tag eine Erklärung zu der Festnahme und ihren Hintergründen ab.
Ihm zufolge wurde der Franzose mit einem Waffenarsenal in seinem Kleinbus aufgegriffen. Die Rede ist von drei Granatwerfern, sechs Kalaschnikow-Gewehren, einem „großen Munitionsvorrat", circa 125 Kilogramm Sprengstoff der Marke TNT und rund einhundert Zündern.
Grégoire Motaux war bislang nicht polizeibekannt, doch laut dem SBU-Chef wurde der aus dem ostfranzösischen 80-Seelen-Dorf Nant-le-Petit stammende 25 Jährige, das letzte halbe Jahr über beschattet. Er soll 2015 in der Ukraine aktiv geworden sein, als freiwilliger Helfer der Armee, aber auch bei der Hilfe für Flüchtlinge aus der umkämpften Ost-Ukraine. Dort kämpfen übrigens auch andere Franzosen, unter ihnen extrem rechte Ex-Militärs – in ihrer Mehrheit allerdings „auf der anderen Seite", bei pro-russischen Milizen.
Motaux soll allerdings dadurch aufgefallen sein, dass er sich eher am Ankauf von Waffen und Munition als an konkreter Hilfe für die ukrainische Seite interessiert zeigte. „Wir haben alles, was er tat, dokumentarisch festgehalten", erklärte Vassyl Hrytsak dazu. Es war der ukrainische Geheimdienst selbst, der eigenen Angaben zufolge dem 25jährigen die Waffen und Munitionsbestände verkaufte – und ihm dabei eine Falle stellte.
Laut SBU plante Grégoire Moutaux und dessen Komplizen in Frankreich, während der EM Attentate auf französischem Boden durchzuführen. Dafür seien fünfzehn Anschlagsorte bestimmt worden, unter ihnen muslimische und jüdische Einrichtungen, sowie staatliche Gebäude –erwähnt werden von ukrainischer Seite „eine Autobahn-Maustelle" und „ein Finanzamt". Moutaux habe sich bei Vernehmungen in Kritik an „Frankreichs Regierung, ihrer Flüchtlingspolitik, an der Ausbreitung des Islam, an der Globalisierung" geübt.
Die französischen Behörden bestätigten diese Informationen bislang nicht offiziell, sondern berufen sich darauf, dass eine polizeiliche Ermittlung im Gange sei. Bei einer Hausdurchsuchung in seinem Heimatdorf Nant-le-Petit wurde ersten Erkenntnissen zufolge ein T-Shirt der „Le Renouveau français“ - eine aktivistische, rechts-katholische Gruppe - aufgefunden.
Ein französischer Auslieferungsantrag an die Ukraine wird als möglich bezeichnet. Die liberale Pariser Abendzeitung Le Monde zeigt sich bislang skeptisch zu den Enthüllungen und hält zwar eine Beteiligung von Grégoire Moutaux an Waffenhandel für erwiesen, doch dieser könne verschiedene Kundenkreise aufweisen: „Waffennarren/Sammler, rechtsextreme Netzwerke, organisierte Kriminalität".
Die französischen Behörden ermitteln ihrerseits bislang allein wegen illegalen Waffenhandels, jedoch nicht wegen Terrorplänen. Auch der auf die extreme Rechte spezialisierte Publizist Jean-Yves Camus zeigt sich in einem Interview am Abend des 6. Juni 2016 skeptisch; er glaube nicht, dass die extreme Rechte derzeit dazu in der Lage sei, fünfzehn Attentate kurz hintereinander zu begehen.
Indes verhaftete die französische Polizei am 14. Juni 2016 einen 40-Jährigen Bauern im Département Meuse (Maas), der Grégoire Moutaux gut gekannt haben soll. Unklar ist, inwieweit dieser an dem Waffenhandel beteiligt war und in welcher Beziehung er zu Frankreichs extremen Rechten steht.