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Geheimtreffen in Potsdam: Braune IT und rechte Influencer

Tomas Rudl, Markus Reuter CC BY-NC-SA 4.0 DEED (Gastbeitrag)
Einleitung

Einer der Teilnehmer des rechten Geheimtreffens in Potsdam war ein in der Neonazi-Szene vernetzter IT-Unternehmer aus Thüringen. Der Sohn des Gastgebers hingegen plant eine Agentur für rechte YouTuber, die Wahlkampagnen fahren soll. Eine Recherche von netzpolitik.org und CORRECTIV.

Alexander Feyen

Die damaligen JN-Funktionäre Jens Pühse (links) und Alexander Feyen (rechts) bei einem Prozess wegen einer Neonazi-Demonstration des „Aktionskomittee Rudolf Hess“ in Worms.

Auf den ersten Blick erscheint Christoph Hofer wie ein ganz normaler Unternehmer aus dem thüringischen Ilmenau. Sein Name taucht laut Handelsregister als Gesellschafter oder Geschäftsführer bei fünf unterschiedlichen GmbHs auf, drei von ihnen in der IT-Branche. So betreibt er mit der Zwei.GmbH eine Agentur für E-Commerce-Lösungen sowie mit anderen Unternehmen mehrere Online-Shops, die unter anderem Netzwerkspeicher verkaufen.

Mit seiner Firma Exomium GmbH hat Hofer im Jahr 2021 einen vom Thüringer Wirtschaftsministerium und der Europäischen Union geförderten Gründerpreis gewonnen. Auf der Webseite des Preises konnte man den Unternehmer auf Fotos der Verleihung sehen, wie er angeregt mit anderen Menschen redet oder eine Urkunde und einen Blumenstrauß in die Kamera hält.

Im Internet findet man zahlreiche Profile, die Hofer als IT-Unternehmer und Gastautor zeigen. Er publizierte Gastbeiträge in IT- und Computerzeitschriften, in denen er über Digitalisierung oder KI-gestützte Bewerbungen schreibt. Bei der Publikation CIO ist er als Autor genauso zu finden wie bei der Computerwoche und bei Springer Professional.

Dass diese Gastbeiträge seit Anfang 2023 überall im Netz auftauchen, könnte Marketing für seine Firma sein – oder der Versuch, von Suchmaschinenfunden zu seiner Person abzulenken, die dem Image als innovativer Unternehmer schaden könnten. Es wäre nicht das erste Mal, dass Hofer bestimmte Fakten über sich nicht so gerne in der Öffentlichkeit sieht.

Umtriebiger Rechtsradikaler im Verborgenen

Denn was vor kurzem nur wenigen bekannt und angesichts des Allerweltsnamens nicht so einfach herauszufinden war: Hofer ist langjähriger Rechtsradikaler. Er war Bezirksvorsitzender der NPD Niederbayern, kandidierte für die Partei 2008 zum bayerischen Landtag und ist laut der Süddeutschen Zeitung mit zahlreichen Neonazis eng vernetzt. Mindestens bis zum Jahr 2015 war Hofer mit der rechtsradikalen NPD verbunden. Fotos auf NPD-Seiten und auf Antifa-Recherchen zeigen ihn als Redner und Teilnehmer von Veranstaltungen der Nazi-Partei.

An eine größere Öffentlichkeit geriet Hofer – der Streisand-Effekt lässt grüßen – als er versuchte, gegen ein Foto vorzugehen, das ihn im Jahr 2013 auf dem Weg zum politischen Aschermittwoch der NPD zeigte. Doch vor Gericht verlor der Rechtsradikale 2018 laut der Süddeutschen Zeitung auch in zweiter Instanz. Der Bayerische Jugendring (BJR), den er verklagt hatte, nahm damals Neonazismus in Niederbayern unter die Lupe.

Dem BJR zufolge galt Hofer einigen in der NPD als Hoffnungsträger: „Gebildet, regional verankert und ohne sichtbaren Hang zur Subkultur“, schreiben die Autor:innen. Doch im Unterschied zu anderen stehe Hofer ungern auf der Bühne, sein Metier sei die Arbeit im Hintergrund. Ein möglicher Grund für das versuchte Vertuschen seiner rechtsradikalen Verbindungen könnte sein, dass er seine Unternehmen schützen wolle, hieß es schon damals.

Hofer gehörte als Herausgeber und sogenannter „Schriftleiter“ der Redaktion des rechtsradikalen Umweltmagazins „Umwelt & Aktiv“ an, das starke Verbindungen zur NPD hatte. Das Magazin gab sich eine völkische Ausrichtung und verwies stilistisch immer wieder auf die nordische Mythologie. Auf diese bezog sich auch der Name des Vereins Midgard e. V., der die Publikation in den Jahren 2007 bis 2019 vierteljährlich herausgab. Vorsitzender des Vereins war unter anderem Hofer. Der Verein wurde 2012 im Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes erwähnt, Hofer wehrte sich dagegen – und verlor vor dem Verwaltungsgericht.

Das rechtsradikale Umwelt-Magazin wurde im Jahr 2019 eingestellt, die Webseite abgeschaltet. Sie ist noch über das Internet Archive zu finden.

Hofer beim Geheimtreffen in Potsdam

Dass Hofer weiterhin Teil der rechtsradikalen Szene ist, wird spätestens klar, als er im November bei ebenjenem Treffen in Potsdam teilnimmt, das durch die Recherchen von CORRECTIV ans Licht der Öffentlichkeit geraten ist. An dem Treffen nahmen Neonazis wie Martin Sellner teil, aber auch Mitglieder der CDU sowie hochrangige Funktionär:innen der AfD, unter ihnen der inzwischen geschasste Referent von Parteichefin Alice Weidel.

Die beim Treffen diskutierten Deportationspläne für Millionen Menschen sorgen derzeit für Empörung und bundesweit für Demonstrationen, bei denen in den vergangenen Tagen insgesamt mehr als 230.000 Menschen teilgenommen haben, Tendenz stark steigend. Begleitet wird die Protestwelle von der Debatte über ein Verbot der AfD, die nach den Enthüllungen von CORRECTIV neue Fahrt aufgenommen hat.

Trotz seines bürgerlichen Profils gibt es aber auch andere Hinweise, dass Hofer, den CORRECTIV als Blut-und-Boden-Nazi bezeichnet, weiter mit der rechten Szene in Verbindung steht. Laut Handelsregister betreibt Hofer etwa mit Alexander Feyen in Münster (Lech) ein gemeinsames Unternehmen mit dem Namen FEHO Immobilien GmbH. Feyen war laut der Donauwörther Zeitung 2009 im Landesvorstand der Bayerischen NPD, auch damals wohnte er schon in der bayerischen Gemeinde.

Außerdem vertreibt Hofer an seiner Firmenadresse in Ilmenau Kinderbücher über nordische Sagen und Mythologie, die er mit teils aufwändig produzierten, aber wenig angeklickten Videos bewirbt. Die Bücher verkauft er auch unter seinem Namen auf Amazon und im Buchhandel. Eine Presseanfrage ließ Hofer unbeantwortet.

Braune Netze

Auf dem Treffen war eine weitere Person, die sich offenbar für Digitalisierung interessiert: Arne Friedrich Mörig. Er ist der Sohn von Gernot Mörig, der zum Treffen von Potsdam eingeladen hatte und sich seit Jahrzehnten in rechtsradikalen Kreisen herumtreibt.

Auch die restliche Familie scheint gut in diese Netzwerke eingebunden zu sein: Laut Recherchen des Blogs Völkische Verbindungen Kappen sei etwa Mörigs Schwester mit dem Identitären Aktivisten Sebastian Zeilinger verheiratet. Dessen jüngerer Bruder schrieb demnach in der „Umwelt & Aktiv“. Im Jahr 2019 interviewte „Umwelt & Aktiv“ Sebastian Zeilinger als Aktivisten der Identitären Bewegung, es ging um Migration und deren Verhinderung.

Mörig Junior gelang der Berufseinstieg im Jahr 2019 zunächst als Praktikant beim Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- u. Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE), danach wurde er persönlicher Referent des damaligen Präsidenten, Peter Kurth. Dieser verlor jüngst seinen Job, weil er bekannte Rechtsradikale, darunter Martin Sellner, zu sich nach Hause zu einer Buchlesung eingeladen hatte.

Der berufliche Aufstieg Mörigs verlief rasant. Nur ein Jahr später war er bereits Geschäftsführer einschlägiger Interessensvertretungen im Abfall-Sektor, zudem war er als BDE-Vertreter im März 2020 als Gesprächspartner im Bundestag eingeladen. Thema: „Recycling-Programme im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit im Zusammenhang mit deutschen Müllexporten.“

Zuletzt schien Mörigs Karriere allerdings etwas abgekühlt zu haben. Laut seinem Profil auf dem Job-Netzwerk Xing hat er den Sektor im Sommer 2021 verlassen, danach finden sich keine Einträge mehr. Auf Anfrage bestätigt ein BDE-Sprecher, dass Mörig nicht mehr für den Verband tätig ist.

Vom Müll-Lobbyisten zur rechten Influencer-Agentur

Auf dem Treffen in Potsdam soll der ehemalige Müll-Lobbyist laut den Recherchen von CORRECTIV mit einem eigenen Pitch aufgewartet haben: einer Agentur für rechte Influencer. Mit ihr soll Mörig ein „alternatives YouTube-Netzwerk“ aufbauen wollen. Dabei geht es nicht darum, eine vergleichbare Videoplattform wie beispielsweise Rumble aus dem Boden zu stampfen, auf der sich Rechtsradikale ungestört und unmoderiert austoben können. Aus einer zur geplanten Agentur gehörigen unveröffentlichten Webseite, die netzpolitik.org einsehen konnte, geht hervor, dass reichweitenstarke YouTuber gewonnen werden sollen, die von der Monetarisierung auf YouTube ausgeschlossen sind.

Das Mittel der De-Monetarisierung setzt YouTube vermehrt gegen fragwürdige, aber oft gerade noch legale Inhalte ein: Sie können zwar auf der größten Videoplattform der Welt erscheinen und sie als Distributionsplattform einspannen, nicht aber direkt Einnahmen über Werbeanzeigen erzielen. Das wird für einige Nutzer:innen aus rechtsextremen oder verschwörungsideologischen Ecken zunehmend zum Problem: Weltweit suchen sie nach Wegen, wie sie sich über ihre Inhalte dennoch finanzieren können. Dabei setzen sie etwa Links zu PayPal oder Patreon unter ihre Beiträge, bauen Werbeblöcke in ihre Videos ein oder tragen Kleidung mit dem Namen eines Sponsors – um auch ohne YouTube Einnahmen zu erhalten.

Genau dabei soll Mörigs Agentur helfen. Auf der noch nicht veröffentlichten Website, von der wir mehrere Screenshots veröffentlichen, wird eine Agentur vorgestellt, deren Namen wir nicht nennen, um keine Werbung für sie zu machen. Auf der Seite ist Arne Friedrich Mörig samt Handynummer und Mailadresse als Kontaktperson aufgeführt. Darüber angeschrieben, freute sich Mörig „über Ihr reges Interesse an unserer noch so jungen Agentur.“ Fragen wollte er erst beantworten, wenn wir unter anderem unsere Quellen offenlegen – also gar nicht.

Auf der Webseite heißt es, dass die „alternativen“ – gemeint sind rechtsradikale – Content-Creator:innen insgesamt 25 Prozent mehr Abrufe generieren würden als das öffentlich-rechtliche FUNK-Netzwerk. Dabei müssten sie unter „erschwerten Bedingungen“ antreten, seien wegen politisch-korrekter Großunternehmen von YouTube-Werbeeinnahmen ausgeschlossen und seien auf idealistische Unterstützer angewiesen.

Die Monetarisierung von Inhalten spielt eine wichtige Rolle, denn sie führe zu einer Professionalisierung von Content-Ersteller:innen, erklärt Joe Düker vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). „Diejenigen, die keinen Zugriff auf Monetarisierung haben, bleiben oft als Hobby-Creator:innen zurück“, sagt der Rechtsextremismus-Forscher. Dies gelte auch für rechtsextreme Online-Aktivist:innen, so Düker: „Sie sind auf Finanzierung angewiesen, um ihre Online-Beschäftigung hauptberuflich ausüben zu können.“ Nehme man ihnen diese Möglichkeit, verwehre man ihnen also auch „Ressourcen wie Zeit und Geld, die sie sonst in Radikalisierungs- und/oder Mobilisierungsversuche gesteckt hätten“, sagt Düker.

Wahlwerbung für die AfD und rechte Kampagnen?

Laut der Webseite will Mörig hier ansetzen und den YouTubern seiner Agentur „exklusive Werbeverträge“ vermitteln. Offenbar soll die Werbung in den Videos der rechten YouTuber geschaltet werden. Durch die Einnahmen könnten die Creator:innen dann auf Qualität und Wachstum setzen. Einzelne Produkte und ganze Marken könnten durch die Werbung eine langfristige Bindung zum wachsenden und „sehr loyalen“ alternativen Marktsegment aufbauen, verspricht der Werbetext.

Als Beispiel für eine derartige Kampagne nennt Mörig „Wahlwerbung“. Längst gehe es „nicht mehr bloß um Parteien und Programme, sondern um Gesichter und Identifikation“. Hier würden die alternativen YouTuber Zielgruppen ansprechen können, die traditionelle Wahlwerbung nicht erreiche.

Zudem soll die geplante Agentur laut der Webseite „inhaltliche Kampagnen“ und Agenda-Setting betreiben. Bisher würden die YouTuber zu wenig interagieren, eine gemeinsame Kampagnenfähigkeit könne so nicht entstehen. Um eine größere Schlagkraft zu erzielen, will Mörig mit der noch nicht existierenden Agentur gezielt Inhalte bei verschiedenen YouTubern platzieren und ihnen einen geteilten Pool an Material zur Verfügung stellen. So entstehe ein „synchronisierter Kampagneneffekt“, der die selbe Kernbotschaft in verschiedenen Publikumssegmenten verbreite, wie es etwas sperrig heißt. Angedacht seien auch Auftragsproduktionen, die an YouTuber abgegeben würden.

AfD-Vertreter will Agentur unterstützen

Offenkundig hatte die Präsentation nicht nur den Zweck, das Projekt in einer freundschaftlich gesinnten Umgebung vorzustellen, sondern bei der Gelegenheit auch nach Geldquellen und Unterstützer:innen zu suchen. Zumindest einer der Teilnehmenden scheint angebissen zu haben: CORRECTIV zufolge habe der (mittlerweile entlassene) enge Berater der AfD-Chefin Alice Weidel, Roland Hartwig, in Aussicht gestellt, dass die AfD die Agentur mitfinanzieren könnte. Demnach stehe als nächster Schritt an, den Bundesvorstand der Partei von dem Vorhaben zu überzeugen. Ob sich noch weitere Teilnehmer:innen des Treffens ähnlich für das geplante Influencer-Projekt begeistern konnten, ist netzpolitik.org nicht bekannt.

„Wie auch Unternehmen können Parteien auf Multiplikator:innen zurückgreifen, um ihr Publikum noch effektiver zu erreichen“, sagt der Experte Düker. Die Meinung von Influencer:innen habe bei ihrer Gefolgschaft oft größeren Einfluss als herkömmliche Werbekampagnen, sagt er. „Die AfD könnte mit Hilfe von Influencer:innen also noch besser ihre Themen setzen.“

Dieser Artikel von netzpolitik.org basiert auf einer gemeinsamen Recherche mit CORRECTIV. (Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.)