(K)ein Kunstpreis für Hanna - Eine rechte Inszenierung

Das ist (nicht) alles von der Kunstfreiheit gedeckt?
Alle zwei Jahre lobt das Bildungsministerium den Bundespreis für Kunststudierende aus, organisatorischer Träger ist das Deutsche Studierendenwerk. Alle 25 Kunsthochschulen der Kunsthochschulenkonferenz nominieren jeweils zwei Studierende. Aus 50 Portfolios wählt eine unabhängige Jury bis zu acht Preisträger_innen aus. Hanna ist eine der Sieger_innen des diesjährigen Bundeskunstpreises.
Doch dann kommt der Wendepunkt: Rechte Blogger veranstalten eine mediale Hetzjagd gegen die Antifaschistin, die sich aktuell in einem Strafverfahren befindet. Der Ton eskaliert schnell und innerhalb weniger Tage ist das Gesicht, der Klarname der Studentin auch in den (vermeintlich) bürgerlichen Medien zu finden und Tatvorwürfe zu Fakten erklärt. Die gleichen Medien, die sonst im Kulturbetrieb das Werk vom Künstler zu trennen bemüht sind, sind nicht zu stoppen. Zuerst greift die BILD Zeitung die Kampagne auf und nennt einen der rechten Akteure als Quelle. Ein Statement des „Solikreis Nürnberg“, der das Geschehen einordnet, bleibt unbemerkt.
Eine rechte Inszenierung
Extrem rechte Akteure versuchen Druck auf Jury-Mitglieder zu machen, die sich für die Nominierung von Hannas künstlerischen Arbeiten entschieden haben. Die Chemnitzer Direktorin Dr. Florence Thurmes solle gar ihres Amtes enthoben werden. Das grün geführte Ministerium für Kultur und Wissenschaft friert das Preisgeld kurzerhand ein. Nein, das alles findet nicht in den USA statt, auf die Politiker_innen gerne empört zeigen und suggerieren, dass so etwas hier nicht geschehen kann. Der Rechtsruck erfasst auch hier immer mehr Bereiche des Lebens - in diesem Fall die Kunstfreiheit.
Denn um was soll es denn sonst gehen? Ja, die Gewinnerin ist gerade in einem Verfahren. Einen kritischen Blick auf die Umstände dieses Verfahrens haben diejenigen, die sich an den Narrativen der Rechten bedienten, zu keiner Zeit geworfen. Keine Reflexion über die Vorverurteilung und die Dämonisierung der Angeklagten. Ansonsten ist vor allem der kommerzielle Kulturbetrieb stets bemüht, wenn es um die Trennung von Werk und Künstler_in geht. Dem glühenden Antisemiten Richard Wagner zum Beispiel wird heute noch die Ehre zu Teil, Plätze und Straßen nach ihm zu benennen. Einer jungen Kunststudentin wiederum soll ein bisschen Geld aberkannt werden, weil sie vielleicht - vielleicht auch nicht - ein paar Neonazis verdroschen hat. „Wir können nur an alle appellieren, sich dieses massiven Eingriffs in die Kunstfreiheit zu erwehren, Haltung und Courage zu zeigen. Es ist notwendig - die Zeiten gebieten es.“1
Vom rechten Zwergenaufstand...
Es lohnt eine Rückschau auf die geschilderten Ereignisse von nur etwa anderthalb Wochen. Als einer der ersten war die „Achse des Guten“ alarmiert: „Linksextremistin erhält Kunstpreis“. Die Opfer der „Linksextremistin“ - die hier mit vollen Namen genannt wird - sind hingegen „vermeintliche Rechtsextremisten“. Auch sonst scheint der Autor Sebastian „Sebastiaan“ Biehl bemüht möglichst viele Namen von Referenten oder Jurymitgliedern der Akademie in seinem Text unterzubringen.2 Andere Texte von Biehl tragen den Titel „Wie lebt es sich als Weisser im ,Regenbogenland‘ Südafrika?“ - der Autor spricht hier als eine Art Vertreter der „Burengemeinschaft Orania“ - einer von weißen Separatisten gegründeten südafrikanischen Kleinstadt. Biehl wohnte zeitweilig in Südafrika. Dort setzte er sich laut dem „Club der Freunde Südafrikas“ in „mannigfachen Organisationen für weisse Bürger in SA ein“.3 Für das österreichische rechtsaußen Magazin „freilich“ holt die Redakteurin Monika Šimić zwei Tage später den AfD-Politiker Benjamin Nolte aus der Versenkung, denn die AfD sei über die Auszeichnung empört und der „Skandal“ zeige, „wie tief linke Gesinnungsterroristen in der Kulturszene verankert sind“.4
Komplett die journalistische Kontrolle verliert kurz darauf der Text von „RA Dirk Schmitz“ auf dem Blog von Alexander Wallasch mit dem Aufmacher: „Markus Söder und Cem Özdemir sind für Verleihung verantwortlich (...) Inhaftierte Antifa-Terroristin erhält trotz Mordversuch Bundeskunstpreis“ und vermutet eine „Solidaritätsbekundung der Akademie an ein Mitglied einer kriminellen Antifa-Mordtruppe“.5 Um sein Rechtsverständnis einem größeren Publikum zu unterbreiten folgte auf „tichys einblick“ einen Tag später ein Interview mit Wallasch „Jetzt spricht der Jurist: Es gibt keine Unschuldsvermutung für Blutkünstler“. Der Rechtsanwalt aus Iserlohn kann offenbar sogar hellseherisch Angaben zur individuellen Tatmotivation beisteuern: „Sie hatte den Wunsch zu töten“.6
Neonazi Michael Brück ist nun mit seinem „COMPACT-Magazin“-Beitrag („Antifa- Terroristin“) ebenso wie die „Junge Freiheit“ („Linksterroristin“) schon etwas late to the Party.7,8Auch etliche AfD-Politiker spammen noch schnell YouTube, Instagram und TikTok mit reels und sharepics zum „Skandal“ voll. Brück (Dortmund) arbeitet mittlerweile in Chemnitz beim Vorsitzenden der Partei „Freie Sachsen“ Martin Kohlmann. Diese nutzen die Gelegenheit zur Lokalpolitik: Eine beteilgte Kunstdirektorin („die aus dem Westen stammt“) habe der Stadt Chemnitz „ein schweren Ansehensverlust“ zugefügt, daher fordert Kohlmann in einem Beschlussantrag nicht weniger als ihre sofortige Suspendierung und Kündigung des Arbeitsverhältnises.9
… zu „das Ministerium prüft Konsequenzen“
„Sie ist Mitglied der Hammerbande ++ Ministerium geht nach BILD-Anfrage auf Distanz“ steht schon im subhead der BILD-Schlagzeile vom 19. April 2025. Offenbar ist BILD-Reporter Michael Deutschmann stolz auf seine Intervention gegen die „Linksextremistin“. Später räumt er im Text ein: „Zuerst hatte der Reporter Alexander Wallasch auf seiner Web-Seite darüber berichtet“. Die falsche Fördersumme des rechten Bloggers hat es gleich mit in die BILD-Schlagzeile geschafft, Hannas voller Nachname wird ausgeschrieben.
Das "Bundesministerium für Bildung und Forschung" (BMBF) und das "Studierendenwerk" haben dem Skandalgeschrei in der rechten Echokammer offenbar nicht lange standhalten können. Die Bekanntgabe der Preisträgerin des 27. Bundespreises für Kunststudierende der AdBK Nürnberg war zeitnah wieder von der Homepage genommen worden. Ein Sprecher des Studierendenwerks beteuert gegenüber „Der Spiegel“ nichts gewusst zu haben.10 Am 17. April 2025 verkündet das Ministerium mit einer eigenen Pressemitteilung proaktiv: „Preisvergabe für Hanna S. ruhend gestellt“. Ihr anteiliges Preisgeld von 3.345 EUR wird nicht ausgezahlt, über die bereits erstattete Produktions- und Fotokostenpauschale werde neu zu entscheiden sein.11
Solidarität
Studierende der "Akademie der bildenden Künste München" haben eine Solidaritätserklärung für ihre Kommilitonin Hanna verfasst. Der gesellschaftliche Rechtsruck zeige sich nicht nur in Wahlerfolgen der AfD oder dem Koalitionsvertrag von Union und SPD – er spiegele sich auch in den Medien wieder. Nachdem sich (extrem) rechten Medien oder AfD-Politiker auf die Vergabe des Bundeskunstpreises an Hanna gestürzt hätten, folgten kurz danach die BILD-Zeitung, der SPIEGEL und der „Bayerische Rundfunk“ (BR). Der BR hatte kein Problem damit, zu der Preisvergabe unnötigerweise die AfD Mittelfranken zu Wort kommen zu lassen. Die Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitende der AdbK München fordern die umgehende Verleihung des Kunstpreises an Hanna und eine öffentliche Erklärung, dass künstlerische Auszeichnungen nicht durch politische oder mediale Einflüsse unterwandert werden dürften.
Als Fazit des „Nürnberger Solikreises“ bleibt bis dahin: „Und wir fragen uns allen Ernstes, wie arm die Kunst und Kulturwelt wäre, ohne all die Underdogs, die Radikalen, die Kunst und Gesellschaft vor sich hertrieben. Was wäre, wenn jede:r Kunstschaffende in der Geschichte ein Führungszeugnis hätte vorlegen müsste? Wir wären kulturell verarmt. Hinzu kommt, dass es für die Teilnahme am Bundeskunstpreis solche Kriterien schlichtweg nicht gibt. Da werden irgendwelche moralischen Bauchschmerzen vorgeschoben, die als Grundlage für Entscheidungen so willkürlich und wankelmütig sind wie der Zeitgeist, nach dem sie sich richten.“
- 1
Vgl. instagram.com/aufdersuche_nbg, Slides im Beitrag der Anarchistische Gruppe Nürnberg (aufdersuche.blackblogs.org/)
- 2
achgut.com, Angeklagte Linksextremistin erhält Kunstpreis, Sebastian Biehl, 8. April 2025.
- 3
suedafrika.ch, Wie lebt es sich als Weisser im „Regenbogenland“ Südafrika?, Sebastian Biehl, 11. Februar 2019
- 4
freilich-magazin.com, Angeklagte Linksextremistin Hanna Sch. erhält Kunstpreis des Bundes, Monika Šimić, 10. April 2025.
- 5
alexander-wallasch.de, Inhaftierte Antifa-Terroristin erhält trotz Mordversuch Bundeskunstpreis, RA Dirk Schmitz, 14. April 2025.
- 6
tichyseinblick.de, Jetzt spricht der Jurist: Es gibt keine Unschuldsvermutung für Blutkünstler, Alexander Wallasch, 15. April 2025.
- 7
bild.de, Linksextremistin kriegt Kunstpreis und 48.000 Euro, Michael Deutschmann, 19. April 2025
- 8
Aufgewacht, Preis für Antifa-Terroristin: FREIE SACHSEN reagieren, 18. April
2025 - 9
bmbf.de, Bundespreis für Kunststudierende: Preisvergabe für Hanna S. ruhend gestellt, 17. April 2025
- 10
spiegel.de, Vorerst kein Kunstpreis für mutmaßlich linksextreme Studentin, Swantje Unterberg und Armin Himmelrath, 17. April 2025
- 11
alleantifa.noblogs.org, Zur Presseberichterstattung über Hanna und den Kunstpreis, 4. Mai 2025