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Die Spaltung des Front National

Einleitung

Nach monatelangen heftigen Streitigkeiten wurde am 23./24. Januar 1999 die Spaltung der erfolgreichsten ultra-rechten Partei Europas "Front National" besiegelt. Der bisherige Parteivize Bruno Mégret (49) gründete den "Mouvement national républicain" (MNR). Er unterlag dem langjährigen unumstrittenen Parteichef  Jean-Marie Le Pen (70) in einem Streit, der die Partei von der Basis bis zur Spitze entzweite. Laut Einschätzung der französischen AntifaschistInnen von "Reflexes" und der englischen Antifa-Zeitschrift "Searchlight" ist diese Spaltung unumkehrbar. Wer behält den Einfluß auf die 40.000 Parteimitglieder, wer hat den Apparat erobert und worum ging es in diesem Konflikt ?

Foto: Christian Ditsch

Die "Front National"-Kader Bruno Mégret (links) und Jean-Marie Le Pen (rechts) haben sich zerstritten.

Große Hoffnungen setzte die ultra-rechte Partei noch vor einiger Zeit auf die Europawahlen im Juni diesen Jahres. Endlich sollte die magische Marke von 20 Prozentpunkten überschritten werden. Außerdem mehrten sich die Verlautbarungen aus den Reihen der traditionellen bürgerlichen Rechten, die ein Ende der Blockade gegenüber dem Front National (FN) forderten. Die Erfolge des Front National (FN) bei den letzten Regionalwahlen versetzten die UDF, die RPR und "Démocratie Libérale" in Panik. Aus Angst um ihre politische Zukunft schloßen ihre Parteifunktionäre in vier Departements de facto Bündnisse mit dem FN und ließen sich mit ihren Stimmen wählen. Ihre Parteileitungen sahen sich zu Drohungen genötigt, man werde die Abtrünnigen ausschließen. Konsequenzen ließen auf sich warten, auch wenn sowohl die UDF als auch die RPR offiziell jedes Bündnis mit dem Front National (FN) weiterhin verurteilen.

Etwas aufgeweichter sieht dagegen die Haltung der rechts-liberalen "Démocratie Libérale" mit dem Ex-Neonazi Alain Madelin an der Spitze aus. Einige ihrer Mitglieder schließen zwar rigoros jedes Bündnis mit Le Pen aus, stehen aber einer Kooperation mit Mégret aufgeschlossen gegenüber. Die Uneinigkeit innerhalb der bürgerlichen Rechten und die kontroverse Strategiedebatte innerhalb des FN ist als eigentliche Ursache des Streits von Le Pen gegen Mégret zu sehen. Le Pen, der aus seiner vehementen Abneigung gegen die bürgerliche Rechte nie einen Hehl gemacht hat, dachte bis Dezember, daß es seiner Partei gelingen würde, die traditionelle Rechte langsam auszuhöhlen und sich dann selbst als einzige »Alternative für Frankreich« präsentieren zu können. Er war nicht grundsätzlich gegen Bündnisse, bestand jedoch darauf, daß sie vom FN dominiert werden. Mégret geht an die ganze Sache wahrscheinlich etwas realistischer heran. Auch er erkannte die Krise der traditionellen Rechten, doch argumentierte er sinngemäß, daß man sie erst umarmen müsse, um sie dann erwürgen zu können.

Le Pens Position basiert auf einer unversöhnlichen Abneigung gegen diejenigen, welche ihn während seiner politischen Karriere an den Rand gedrückt hatten. Mégret, als ehemaliger Konservativer, kennt hingegen die inneren Strukturen des politischen Gegners; er weiß, wie französische Politik läuft, und ist von dem Ziel besessen, die Macht zu übernehmen. Das erste Mal in der FN-Geschichte standen nach den Regionalwahlen konkrete Entscheidungen ins Haus, die die Ultra-Rechten möglicherweise in den nächsten drei oder vier Jahren zur Macht hätten führen können.

Unter diesem Druck entzündeten sich die Widersprüche zwischen Megret und Le Pen. Die weitere Entwicklung des FN liegt im Ungewissen. Wahrscheinlich gelingt es Le Pen, einen großen Teil der FN-Stammwählerschaft von acht bis zehn Prozent an sich zu binden. Er behält den größten Teil des Parteiapparates, Gebäude, den Namen Front National und Zeitungen, und es folgt ihm wohl auch der größte Teil des Fußvolkes und der Sicherheitsorganisation. Im Frühjahr erhält die Partei eine staatliche Finanzspritze von umgerechnet ca. 13 Millionen DM, die ihr über die gröbsten Folgen der Spaltung hinweghelfen wird.

Die Anhänger Mégrets haben den Kampf um Einfluß in der Parteiführung des FN noch nicht aufgegeben. Ausdrücklich hinter Mégret gestellt haben sich 58 von 95 Departements-Sekretären, 51 von 120 Mitgliedern des Zentralkomitees und 14 von 44 Mitgliedern des Polit-Büros. Mégret hat außerdem 139 von 273 Regionalabgeordneten, drei von zwölf Abgeordneten des Europaparlaments und zwei von vier FN-Bürgermeistern auf seiner Seite. Für Mégret wird viel davon abhängen, wieviel Raum sich seine neue Partei erobern kann. Eine erste Nagelprobe werden die kommenden Europawahlen sein, bei denen sich zeigen wird, ob die Partei in der Lage ist, die Fünfprozenthürde zu überspringen. Wenn dies nicht gelingt, könnte die Zukunft der neuen Partei so elend aussehen, wie vorausgesagt: Es besteht die Gefahr, daß Mégrets Wähler ihm den Rücken kehren und zur alten Rechten zurückkehren könnten.

Die Arbeiterschaft wird ihn wohl eher nicht wählen. Aufgrund seines konservativen und bürgerlichen Hintergrundes ist ihnen Mégret suspekt. Was ihm bleibt, ist die Verbreiterung seiner politischen Basis. Das müßte ihm aber schnell gelingen, wenn er sein Ziel erreichen will, mit der konservativen Rechten einen Block zu bilden, um dann nach der Macht zu greifen.

(Der vollständige Artikel kann in der Searchlight-Ausgabe 4/99 nachgelesen werden)