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»Die Mondverschwörung«

Einleitung

Ein Interview mit Thomas Frickel

Was hat sie bewogen den Film »Die Mondverschwörung« zu produzieren?

Mein Interesse an »ethnografischen Reisen ins eigene Land«.

Ist »Die Mondverschwörung« als direkter Nachfolger ihres Films »Deckname Dennis« anzusehen?

»Die Mondverschwörung« nimmt in mehrfacher Hinsicht den Faden von »Deckname Dennis« wieder auf – zum einen, weil wir den ganzen Irrsinn um Neuschwabenland, Flugscheiben und Hitler im Antarktis-Exil bereits in Zusammenhang mit dem ersten Projekt recherchiert hatten, das damals aber nicht unterbringen konnten.

Zum anderen aber auch, weil die These des ersten Films – die damals noch zusammen mit dem leider inzwischen verstorbenen Frankfurter Kabarettisten Matthias Beltz entwickelt wurde - in der »Mondverschwörung« der gesellschaftlichen Entwicklung angepasst und fortgeschrieben wird. Unsere satirische Arbeitshypothese war 1995 noch davon geprägt, dass nach dem Zusammenbruch der einstigen sozialistischen Staaten die gesellschaftlichen Kämpfe in Deutschland nicht mehr zwischen Links und Rechts ausgetragen werden, sondern dass sie sich in viele kleine Stellvertreterkriege und Kleingruppen verlagert haben: Da kämpfen Fußgänger und Radfahrer gegen Autofahrer, Frauen gegen Männer, Metzger gegen Vegetarier und so weiter. Mit Abstand von zehn weiteren Jahren, so der realsatirisch-hypothetische Ansatz der »Mondverschwörung«, gibt es in Deutschland nicht einmal mehr das, sondern alle versuchen nur noch, die gesellschaftlichen Gegensätze aufzulösen, indem sie sich durch esoterische Praktiken selbst vervollkommnen. Und wie so oft in meiner dokumentarischen Arbeit wird auch hier die Satire von der Realität eingeholt, denn genau das behauptet ja der »Reinkarnationstherapeut« Hockemeyer, alias Trutz Hardo im Bonus-Material der DVD: die Anhänger sozialistische Ideen sieht er als Verlierer, und die Esoteriker  als Sieger der Geschichte.   


Wie ist die Auswahl der gezeigten Personen aus dem Esoteriker- und Verschwörungsmilieu verlaufen?

Assoziativ – durch Recherche des gesamten Umfelds. Und weil nach esoterischem Selbstverständnis ja alles mit allem zusammenhängt, brauchten wir uns nicht nur auf Theorien zu beschränken, die unmittelbar um den Mond kreisen. Obwohl ja vieles interessanter Weise dorthin zurückkehrt – der Mond ist eben eine große Projektionsfläche, in die sich alles Mögliche hineininterpretieren lässt.

War es schwierig an die verschiedenen Interviewpartner heranzukommen?

Absagen gab es nur in Einzelfällen, aber es war jeweils möglich, für das gleiche Thema eine Ersatzperson zu finden. Die meisten Gesprächspartner von »Dennis« sind ja selbst publizistisch aktiv und einigermaßen mitteilsam; sie haben entweder schon Bücher herausgebracht, oder sie publizieren im Internet. Die Berliner Neuschwabenländler deklarieren ihre regelmäßigen Treffen sogar ganz offiziell als »Pressekonferenz«. Zurückhaltend waren eher die Rechts-Intellektuellen – Pierre Krebs vom Thule-Seminar zum Beispiel, oder Gerhard Petak (Kadmon). Die Interviews mit ihnen haben auch eine andere Ebene als die anderen Gespräche.

Wurden für Gespräche Honorare verlangt?

Honorare haben wir natürlich nicht gezahlt – Halt! In Einzelfällen doch: der Börsen-Astrologe aus dem Bonus-Material hat ein kleines, mehr symbolisches Honorar bekommen – aber der ist auch eigens von München nach Frankfurt gereist und hat einen ganzen Tag drangehängt.  

Haben Sie nach der Veröffentlichung des Films Reaktionen der gezeigten Personen bekommen? Gab es insbesondere Feedback der Besucher_innen, Kinobetreiber_innen oder Kolleg_innen aus der Filmbranche?

Einige Kinos, die sonst alle meine Sachen gezeigt haben, haben den Film nicht gespielt – ich vermute stark, dass sie ihr esoterisches Publikum nicht verprellen wollten. In einem Fall ist die Absage auch explizit so begründet worden. Filme über Wiedergeburt und Lichtnahrung lassen sich halt besser verkaufen. Was das Publikum betrifft: die meisten Leute waren hin- und hergeworfen zwischen Lachen, ungläubigem Erstaunen und Erschrecken über eine ihnen völlig unbekannte Parallelwelt unmittelbar vor der eigenen Haustür. Und es gibt jede Menge Fans, die den Film in blogs, podcasts, auf facebook und twitter oder durch direkte Rückmeldungen an mich in den höchsten Tönen loben – dazu empfehle ich die Zusammenfassung auf meiner homepage www.mond­verschwoerung.de – insbesondere die »Fan-Seite« oder die Stimmen zur DVD.

Esoteriker und Anhänger von Verschwörungstheorien habe ich bei den vielen Vorstellungen, bei denen ich selbst zur Diskussion anwesend war, selten getroffen. Und bei den »Mitwirkenden« greift wie so oft das Phänomen der selektiven Wahrnehmung – was sie im Film sagen, wird von ihnen ja ganz offensichtlich als Realität wahrgenommen. Bei den Verschwö­rungstheoretikern paart sich das oft mit einer handfesten Paranoia – und wer so drauf ist, verschwendet keine Sekunde an den Gedanken, dass das alles Unfug sein könnte. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass jemand wie der Chemtrail-Kämpfer Claus Petersen (im Film erstattet er Anzeige wegen Umweltgefährdung) sich bei mir dafür bedankt hat, dass sein Anliegen durch den Film endlich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird. Später hat er das dann wieder etwas zurückgenommen, weil einige seiner Spezis offenbar der Meinung waren, dass der Film sich über die Interviewten lustig macht. Das ist natürlich Blödsinn. Wir haben – wie das teilweise ungeschnittene Bonus-Material der DVD zeigt - die Interviews gekürzt, aber in keiner Weise sinnentstellend eingegriffen. Jeder hatte die Möglichkeit, sich selbst und sein Anliegen darzustellen. Oder sich selbst und sein Anliegen bloßzustellen. Wenn jemand von der zweiten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ist das nicht meine Schuld. Außerdem sind wir ja auch nicht ausgezogen, um diese Leute zu bekehren oder sie von einem Irrweg abzubringen.

Soll der Film »Die Mondverschwörung« eher aufklären oder vor allem unterhalten?

Hoppla, Leute! Ist die Frage ernst gemeint? Wissen wir nicht schon seit Horaz, spätestens aber seit Schiller, dass es diesen Gegensatz eigentlich gar nicht gibt? Ein Lachen, das den Zuschauern förmlich im Hals stecken bleibt, wirkt oft viel stärker und nachhaltiger, als so manches politisch total korrekte Flugblatt. »Wenn du eine Botschaft hast, dann schick ein Telegramm,« wird Billy Wilder zitiert. Was meint er damit? Film ist eben ein eigenes Medium und hat seine eigenen Ausdrucksformen... 

Ist Satire eine angemessene Form der Kritik an den verschiedenen gezeigten Protagonisten der Esoterik oder sollte nicht viel eher mit rationalen Argumenten auf Irrationalität geantwortet werden?

Das kann und sollte jeder halten, wie er oder sie will. Ich glaube nach Jahren intensiver Beschäftigung mit diesen Ideen, dass man in solchen Kreisen mit Vernunft nicht viel ausrichten kann. Eine aufgeklärtere Epoche als unsere hat es in der Menschheitsgeschichte nie gegeben, wer sich wirklich informieren will, kann aus einer unübersehbaren Flut von Fakten und Argumenten wählen. Trotzdem (oder gerade deshalb?) erstarkt die Esoterik zu einer Massenbewegung und wirkt zum Teil schon weit in unsere Gesellschaft hinein. Trotz all unserer Kenntnisse über die Zeit des Faschismus sind antisemitische Grundhaltungen bei uns (und in vielen anderen Ländern) nicht klein zu kriegen. Vernunftmenschen – ihr hattet eure Chance! Ihr könnt ja auch gerne mit eurer Art der Aufklärung weitermachen. Aber lasst es mich auch mal auf die andere Weise versuchen... 

Für den satirischen Umgang mit dem deutschen Faschismus gibt es übrigens ein interessantes Beispiel, das ich vor einigen Jahren mal zum Gegenstand eines Kurzfilms gemacht habe: den »Symbolkampf« der Eisernen Front im Jahr 1932. Carlo Mierendorff und Sergej Tschachotin haben es damals mit Hilfe junger Arbeiter geschafft, die Nazis zumindest zeitweise in die Defensive zu drängen, indem sie sie der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Denn das kann in der politischen Auseinandersetzung eine ziemlich scharfe Waffe sein.

 

Mehr Informationen gibt es unter:
www.mondverschwoerung.de

Wer den Film öffentlich zeigen will, kann hier Kontakt zu Thomas Frickel aufnehmen und die Vorführung lizensieren lassen.