„In Stahlgewittern“
Einblicke in die rechte Neofolk-Szene
Runen und Mystik
Gerhard Petak, alias „Kadmon“ bzw. „Helmstatt“, ist Sänger und kreativer Kopf der seit 1987 bestehenden österreichischen Formation „Allerseelen“. Am Bass ist Marcel Petri und Christien H. am Schlagzeug. Musikalisch angesiedelt zwischen Neofolk, Dark Wave und Military Pop vertont die Band Esoterisches und Okkultes, dessen Ursprung nicht selten im Nationalsozialismus zu finden ist. Mit dem Album „Gotos=Kalanda“ kombiniert das Projekt um Petak Ambient-Klänge mit Texten des gleichnamigen Gedichtzyklus’ des SS-Brigadeführers Karl Maria Wiligut. Wiligut, Leiter des Archivs im Rasse- und Siedlungshauptamt des Dritten Reichs, war federführend an der Entwicklung der mystischen Seite der SS beteiligt, etwa durch den Entwurf des Totenkopfrings oder die Umgestaltung der Wewelsburg.1
Auch die bei Neonazis beliebte „Schwarze Sonne“, welche als Bodenornament im sogenannten Nordturm der Wewelsburg eingelassen ist, ziert jenes Album. „Allerseelens“ fünftes Album „Neuschwabenland“ bezieht sich durch den Titel auf die gleichnamige Expedition der Nationalsozialisten in der Antarktis.2
Besonders die mystische Seite des Nationalsozialismus scheint Petaks kreative Quelle zu sein. In vielen seiner Werke sind Bezüge zu Leni Riefenstahls Film „Das Blaue Licht“ erkennbar. Das Cover der Single „Alle Lust will Ewigkeit/Traumlied“ zeigt Riefenstahl in Gestalt des Mädchens „Junta“, die Hauptprotagonistin des Films. Die Platte selbst ist mit der „Schwarzen Sonne“ gestaltet. Riefenstahl, welche nach der Machtübernahme 1933 enge Vertraute von Joseph Goebbels war und Propaganda-Filme wie „Triumph des Willens“ produzierte, beschreibt Petak als „wunderschöne und starke Frau“ und stand laut eigener Aussage vor einigen Jahren mit ihr in Korrespondenz. Die Idee Riefenstahls, „Das Blaue Licht“ neu zu vertonen, setzte er allerdings nie um.3
Ein bisschen Jünger, ein bisschen Rahn
Der unreflektierte Umgang mit dem esoterischen Bild des Nationalsozialismus bzw. die Umdeutung dessen äußert sich auch in Petaks Schriften. Dazu gehören die „Aorta/ Ahnstern-Hefte“, eine Reihe, die er unter seinem Pseudonym „Kadmon“ zwischen 1994 und 1999 veröffentlichte. In diesen führte er seine verklärte, romantische Sicht auf NS-Ideologen wie Karl Maria Wiligut und Otto Rahn aus und gab Platz für Interviews mit extrem rechten Bands wie „Blood Axis“ und „Burzum“, dem Urgestein des NS-Black Metal (NSBM). Die rund 30 Schriften erschienen 2008 als Buch unter dem Namen „Blutleuchte“.
Wegweisend war Petak auch in der Ikonisierung des nationalistischen Schriftstellers Ernst Jünger innerhalb der Szene. Ihm, Angehöriger der Reichswehr und Vordenker des Nationalsozialismus, widmete er nicht nur Aufsätze, sondern vertonte auch seine Kriegstagebücher „In Stahlgewittern“, das „Käferlied“ und die Abhandlung „Abenteuerliches Herz“. Auch hier wird Petaks unkritischer Sinn deutlich, denn er bezieht sich immer wieder nur auf esoterische Ansätze innerhalb Jüngers Theorien, besonders dem Verhältnis zu Masse und Individuum. Denn, trotz des militaristischen Gedankens und dem Konzept des nationalen Konservatismus, ist es besonders der individualistische Ansatz Jüngers, der Petak prägt. Damit eröffnete er einen Diskurs innerhalb des Neofolks, welcher in zahlreichen Vertonungen von Jüngers Schriften mündete. Wegbegleiter Petaks wie „Blood Axis“, „Von Thronstahl“ und „Death in June“, die als Aushängeschild des rechten Neofolks gelten, veröffentlichten Lieder mit Jüngers Texten.4
Zwischen NSBM und „Blood & Honour“
Abgesehen von ihrem verklärten Bezug auf den Nationalsozialismus und dessen historische Protagonisten ist das Projekt „Allerseelen“ auch real in der rechten Musiklandschaft eingebettet. Nicht nur durch die Teilnahme an Tribut-Samplern für Riefenstahl oder den rumänischen Faschistenführer Corneliu Zelea Codreanu schaffen sie Verknüpfungen zur extremen Rechten, auch die personellen Überschneidungen sind gravierend.
Marcel Petri aus Bonn, welcher sich bei einigen Auftritten und im Studio beteiligt, ist tief im Rechtsrock-Milieu verankert. Neben seiner ehemaligen Tätigkeit bei „Von Thronstahl“ ist er Teil des Black Metal/Neofolk Projekts „Helgadom“, deren Gitarrist Frank Krämer auch bei „Stahlgewitter“ mitwirkt und in Eitorf den rechten „Sonnenkreuz-Versand“ betreibt. „Helgadom“ rückte schon 2004 in den antifaschistischen Fokus, nachdem sie der „Schulhof-CD“ der NPD einen Song beisteuerten. Auch Gründungsmitglied und bis 2006 Sänger der Gruppe, Sebastian Schauseil, kann auf eine neonazistische „Karriere“ zurückblicken. Gemeinsam mit dem in nun Berlin lebenden Hendrik Möbus gründete er das Urgestein des deutschen NSBM „Absurd“ (siehe AIB Nr. 105 „Satansmörder als Neonazi-Netzwerker“).
Wie weit Marcel Petri innerhalb der extremen Rechten verankert ist, macht auch die Besetzung des Gesangs bei „Helgadom“ nach 2006 deutlich. „Bile“, „Hendrik“ oder einfach Paul steht in der Nennung des Sängers auf den CDs. Recherchen ergaben, dass es sich dabei um den in Wilkau-Hasslau bei Zwickau lebenden Paul Morgenstern handelt. Seit mehr als einem Jahrzehnt im „Blood & Honour“-Sumpf verankert bestreitet er das NSBM Solo-Projekt „Leichenzug“, spielt Schlagzeug bei der Zwickauer Metal-Band „Aeveron“, war als Gitarrist bei den Chemnitzer Rechtsrockern „Blitzkrieg“ aktiv und ist aktuell Schlagzeuger bei einer der wichtigsten NS-Hardcore Bands, „Brainwash“ aus Altenburg. Auch war er kurzzeitig Mitglied der rechts-populistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), aus der er aber nach Bekanntwerden seiner Aktivität bei „Blitzkrieg“ austrat.
„Allerseelen“, nur falsch verstanden?
Dies kann deutlich mit Nein beantwortet werden. Das Projekt war von Beginn an federführend beteiligt, völkische und faschistische Bilder innerhalb des Neofolks zu etablieren. Sie schafften damit Raum für Umdeutung, Neu-Ausrichtung rechter Lyrik und Mystifikation menschenverachtender Ideologien. Unter dem Mantel der Musik und Kunst ist Neofolk und Military-Pop zum Auffangbecken Pseudo-Intellektueller geworden, deren Inhalte rechte Publikationen wie „Junge Freiheit“ und „Blaue Narzisse“ nicht besser hätten formulieren können.
Betrachtet man die rechte Neofolk-Szene bundesweit, so weist sie nicht nur einen florierenden Absatzmarkt durch Versände wie „Sonnenkreuz“ auf, sondern schafft zeitweise den Sprung in den Gothic-Mainstream. In Leipzig fand dieses Jahr zum vierten Mal das „Runes + Men“-Festival statt, dessen Ideengeber kein geringerer als Douglas Pearce ist, Kopf der Band „Death in June“. Auch Internet-Portale wie „Nonpop“ vermischen rechten Neofolk mit gängigem Dark Wave. Verantwortlich für Design und Konzept des Portals ist Christian Kapke, Bruder des NSU-Unterstützers André Kapke. Christian Kapke, bis 2000 in dem ultra-rechten Jugendverein „Junge Landsmannschaft Ostpreussen“ (JLO) aktiv, war schon früh Vorreiter in Sachen Neofolk, sei es durch seine Band „Eichenlaub“ oder die Seite „Lichttaufe“. Mit letzterer organisierte er — der laut eigener Aussage im Jahr 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen sei — 2004 und 2005 das „Flammenzauber Festival“ in Gera, wo neben „Ostara“ (ehemals „Strength Through Joy“) und „Blood Axis“ auch „Allerseelen“ auftraten.
Abschließend bleibt die Frage, welchen Einfluss dieses Genre auf die Neonazi-Szene hat. Dies lässt sich allein durch die genannten Verstrickungen nur erahnen. Fakt ist jedoch, dass eine weitere Nische unterwandert wurde, in der sich Neonazis Erlebniswelten schaffen, in denen Raum für Austausch, Rekrutierung und ideologische Festigung ist.
Weiterführende Informationen zum Thema: AIB 48: Rechte Tendenzen in der schwarzen Szene
- 1Burg bei Paderborn, ab 1935 in den Händen der SS, bzw. Heinrich Himmlers, welche zum Schulungszentrum umgestaltet werden sollte. Um die Wewelsburg ranken sich mystische gemanische Erzählungen, so dass sie auch heute noch Neonazis und Esoteriker anzieht.
- 2Geo-strategische Expedition der Nationalsozialisten im Jahr 1938/1939
- 3Anekdoten aus einem Interview Petaks im französischen Magazin „Noiseist".
- 4 „Storm before the calm“ von „Blood Axis“, „On the marble cliffs“ von „Kapo“ („Death in June“), „Atlantische Tief“ von „Von Thronstahl“