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Die NPD in Berlin

Einleitung

Am 6. Februar 2010 trafen sich mehrere dutzend Berliner NPDler in der Bundeszentrale der Partei, um einen neuen Landesvorsitzenden zu wählen. Der bisherige Vorsitzende, Liedermacher und Multifunktionär Jörg Hähnel, hatte amtsmüde den Vorsitz abgegeben. Als sein Nachfolger wurde der Franke Uwe Meenen gewählt. Ihm untersteht ein Vorstand, dem altgediente Berliner Aktivisten angehören. Als Meenens Stellvertreter wurden Dietmar Tönhardt, Eckart Bräuniger und Sebastian Schmidtke gewählt. Zeit für einen Rückblick auf die Entwicklungen der letzten zwei Jahre.

Bild: attenzione-photo.com

Eckart Bräuniger, Uwe Meenen und der Liedermacher Frank Rennicke (v.r.n.l.) beim Trauermarsch für den verstorbenen NPD-Vize Jürgen Rieger am 14. November 2009 im bayrischen Wunsiedel.

Die vergangenen zwei Jahre

Am 7. Juni 2008 übernahm Jörg Hähnel den Berliner NPD-Vorsitz. In den Vorstand wurden neben Hans-Joachim Henry und Steffen Bartke auch Michaela Zanker, Thomas Vierk, Sebastian Thom und Igor A. Moder gewählt. Mit dem Rückzug des damaligen Vorsitzenden Eckart Bräuniger verlor die Berliner NPD ihre Integrationsfigur. Dieser hatte gute Kontakte in die Berliner Kameradschafts- und Rechtsrockszene und hielt die verschiedenen Fraktionen im Berliner Verband zusammen. Seinem Nachfolger Hähnel gelang dies nicht. Schnell verwickelte er sich in Konflikte mit seinen internen Widersachern Hans-Joachim Henry (KV 3 – Berlin Tempelhof-Schöneberg) und Gesine Hennrich (KV 4 – Berlin Marzahn-Hellersdorf). Geschwächt behielt Hähnel dennoch die Oberhand. Jegliche Parteiarbeit, sollte sie von Hähnels inhaltlicher Linie abweichen, wurde seitdem unterbunden.

Die Arbeit in den Bezirken

Es ist kein Wunder, dass die Berliner Bezirke Pankow und Lichtenberg unter Hähnel die aktivsten Parteiverbände aufwiesen. Der Pankower Verband (KV 8) wurde von Hähnel, nach dessen Zuzug aus Frankfurt/Oder im Jahr 2001, maßgeblich aufgebaut. Der Verband um die Aktivisten Daniel St., Diego P. und Sandor-Christian Makai unterstützte Hähnels Linie und übernahm bei allen berlinweiten NPD-Aktionen strukturelle Aufgaben. Vor der Bezirksverordnetenwahl 2006 nahm sich Hähnel zudem des bis dahin brachliegenden Lichtenberger Verbands (KV 5) an. Zu diesem Zeitpunkt suchte dieser mit einem Rundbrief an seine Mitglieder nach einem Freiwilligen, der den Vorsitz übernehmen wolle. So setzte sich die Lichtenberger Wahlliste, mangels kompetenten lokalen Personals, aus zwei Hohenschönhausener DVU-AktivistInnen – Manuela Tönhardt und Torsten Meyer – und drei Pankower NPDlerInnen – neben Hähnel noch Michaela Zanker und Manuela Jablonski – zusammen. Zusammen mit Meyer und Tönhardt, der Frau des damaligen Berliner DVU-Vorsitzenden Dietmar Tönhardt, errang Hähnel bei der Wahl drei Mandate in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Im Nachgang traten Dietmar und Manuela Tönhardt zur NPD über und leiten seitdem den Lichtenberger NPD-Verband. Bei der Wahl errang die NPD auch in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Neukölln Mandate. Die Fraktion in Marzahn-Hellersdorf zerbrach im August 2008 an internen Streitigkeiten. In Pankow profitierten die weitestgehend inaktiven Republikaner vom Verzicht der NPD und holten ein Mandat. Lediglich der Treptow-Köpenicker Verband (KV 6) entwickelte noch eigene Aktivitäten. Er profitierte dabei vor allem von der im Bezirk angesiedelten NPD-Bundeszentrale und von der aktiven Neonaziszene in Bezirksteilen wie Schöneweide und Altglienicke. Die NPD wird in der BVV vom Bundesvorsitzenden Udo Voigt, dem Köpenicker Stadtführer Fritz Liebenow und Mandy Schmidt (als Nachrückerin für Eckart Bräuniger) vertreten. Mit der Zentrale verfügt der Verband über einen eigenen Treffpunkt und Veranstaltungsort. Mehrmals wöchentlich finden hier unterschiedlichste Treffen statt. Aufgrund der Schwierigkeiten, in Berlin geeignete Räume für Versammlungen zu finden, ist die Zentrale stets der letzte Ausweichort. So fanden hier 2009 die zentrale 1. Mai-Veranstaltung der Bundes-NPD und das Jahrestreffen des »Ring Nationaler Frauen«, aber auch Veranstaltungen der »Freien Kräfte« statt. Ebenfalls aktiv ist die Neonaziszene im benachbarten Neukölln. Die dortigen Neonazis engagieren sich jedoch eher in Kameradschaftsstrukturen. Die beiden Neuköllner NPD-Verordneten, Thomas Vierk und Jan Sturm, die der lokalen Antifagruppe zufolge eher im Trinker- und Kneipenschlägermilieu angesiedelt sein sollen, schaffen keine Integration weiterer Neonazis in den NPD-Verband. Die restlichen Verbände Spandau (KV 1), Nord (KV 2), Tempelhof-Schöneberg (KV 3) und Marzahn-Hellersdorf (KV 4) existieren spätestens seit Anfang 2009 nur noch auf dem Papier oder entwickeln keine relevante Außenwirkung.

Die Konflikte

In den Jahren 2007 und 2008 waren es die Kreisverbände 3 und 4, die unter ihren Vorsitzenden Hennrich und Henry eine rege Aktivität an den Tag legten. Dass sich diese nicht mit dem Jahresplan Hähnels deckten, stieß schon bald auf Unmut. Nachdem Ende 2008 Hennrich und Henry im Alleingang einen Aufmarsch unter dem Motto »Härtere Strafen für Kinderschänder« organisiert hatten und damit den Alleinvertretungsanspruch von Hähnel unterliefen, trat dieser eine Kampagne, die sogenannte »Porno-Affäre«, gegen Hennrich los, die im Februar 2009 zum Austritt Hennrichs und Henrys und mindestens 40 weiterer Mitglieder verschiedener Kreisverbände führte. Die KVs 3 und 4 brachen daraufhin völlig zusammen. Die Ausgetretenen versuchten auf verschiedenen Wegen weiter aktiv zu sein. So wurde eine Berliner Gruppe der sächsischen NPD-Abspaltung »Freies Nationales Bündnis e.V.« gegründet, die allerdings keinerlei Aktivität entfalten konnte. Der Hauptteil der Aktivisten fand sich jedoch in der im Oktober 2008 gegründeten Kameradschaft »Frontbann 24« wieder. Diese wurde von Uwe Dreisch (ehemals KV 6) und Gesine Hennrich (ehemals KV 4) geführt. Henry, dessen KV 3-Internetseite schon während seiner aktiven NPD-Zeit von Hähnel abgestellt wurde, betreibt seitdem ein Weblog, auf dem er kritische Beiträge zur Berliner NPD veröffentlicht. Mit dem Verbot der Kameradschaft «Frontbann 24« im November 2009 verlor die NPD ihre derzeit stärkste Konkurrenz in Berlin.

Alleinherrscher Hähnel

In der Sommerpause dachte der Berliner DVU-Vorsitzende Torsten Meyer öffentlich über einen Ausstieg aus der Lichtenberger NPD-Fraktion in der BVV nach. Dieser Schritt hätte die NPD den Fraktionsstatus und damit ihr Büro im Rathaus und erhebliche finanzielle Mittel gekostet. Er behielt letztendlich sein Mandat und trieb damit wahrscheinlich seinen Preis bei der NPD in die Höhe. DVU-intern wurde er dafür als »Hähnel-Knecht« diffamiert. Besonders der zeitweilig in der DVU aktive Hans-Joachim Henry kritisierte diesen Schritt. Der Neuköllner NPD-Verordnete Vierk jedoch vollzog wenig später den Ausstieg aus der NPD. Er war bis dahin stellvertretender Vorsitzender der Berliner NPD gewesen und sitzt jetzt als parteiloser Verordneter in der BVV. Mit dem Austritt Vierks war auch der letzte bedeutende interne Gegner Hähnels aus dem Weg geräumt. Die Politik der Hauptstadt-NPD wurde nun ausschließlich von Hähnel und seinen Getreuen gemacht. Dass der Multifunktionär dabei in Kapazitätenprobleme geriet, zeigte nicht zuletzt die schlecht aktualisierte Internetseite und ein weitgehend inaktiver Berliner Verband. Auch die Themen, die die Berliner NPD in den letzten Jahren setzen wollte, von den Aktionen gegen den Bau der Moschee in Heinersdorf, über die Kampagne für ein »nationales Jugendzentrum« in Berlin bis hin zur Demonstration gegen einen Hindutempel in Neukölln, waren nicht von Erfolg gekrönt. Öffentlichkeit erregte Hähnel nur mit provozierten Skandalen wie der Rechtfertigung der Ermordung Rosa Luxemburgs oder den »Ausländerrückführungs«-Flugblättern kurz vor der Bundestagswahl 2009. Diese Aktionen brachten Hähnel meist Durchsuchungen und empfindliche Geldstrafen ein. Auch ein weiterer Schritt der Staatsmacht traf wiederum ihn: Von dem Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend war er als eine der führenden Personen im Berlin-Brandenburger Raum direkt betroffen. Die Verstrickungen der HDJ mit der NPD wurden gerade an ihm und seiner Frau Stella Hähnel besonders deutlich.

Der neue Vorstand

Zur letzten Jahreswende kamen die ersten Gerüchte auf, dass der amtsmüde Hähnel seinen Posten räumen würde. Die Hoffnungen der Hähnel-Kritiker in- und außerhalb der Partei auf eine politische Wende und personelle Erneuerung wurden jedoch nur teilweise erfüllt. Als Beisitzer gehören dem neuen Vorstand neben Hähnel mit Sandor Makai und Michaela Zanker (KV 8) mehrere Hähnel-Treue an. Weiterhin gehören diesem Gremium Josef Graf, Stefan Lux, Richard Miosga, Jan Sturm und Sebastian Thom an. Sie sind allesamt schon in den letzten Jahren Funktionsträger der Partei gewesen.Der neue Vorsitzende Uwe Meenen hat bereits eine mehr als 20-jährige Karriere in der Neonaziszene hinter sich. Er war einer der Begründer des »Deutschen Kollegs«, das durch die Beteiligung von Horst Mahler bekannt wurde. Außerdem war er als Ankäufer von Immobilien für die NPD tätig und gehört dem NPD-Bundesvorstand im »Amt Politik« an. Die Wahl seiner Stellvertreter zeigt, dass verschiedene Teile der Berliner Neonaziszene in die NPD (re)integriert werden sollen. Der ehemalige Berliner NPD-Vorsitzende Eckart Bräuniger ist gerade bei den NPD-Abtrünnigen um Henry, Uwe Dreisch und Gesine Hennrich beliebt und steht für die Einbindung des Hähnel-feindlichen Flügels. Die Kommentare zu dessen Wahl überschlugen sich in den entsprechenden neonazistischen Internet-Foren. Mit dem ehemaligen Berliner DVU-Vorsitzenden Dietmar Tönhardt, der derzeit die Geschäfte der Lichtenberger NPD-Fraktion leitet, ist auch dieser Verband repräsentiert. Der aus Strausberg stammende Schmidtke, einer der führenden Köpfe der Berliner »Freien Kräfte«, scheint das Bindeglied zu parteifreien jungen Neonazis zu sein. Er ist verantwortlich für die Propaganda des »Nationalen Widerstands Berlin« und für die Zeitung »Berliner Bote«. Für den angekündigten Aufmarsch am 1. Mai 2010 in Berlin fungiert er als Ansprechpartner. Ob die Umbesetzungen an der NPD-Spitze wie angekündigt zu einer Reaktivierung des Berliner Verbands führen, wird das angebrochene Jahr zeigen. Gleich nach der Neuwahl wurde ein Positionspapier lanciert, das die soziale Ausrichtung der Partei fordert und eine »Veranstaltungsoffensive« ankündigt. Ein Blick auf die »Veranstaltungsoffensive« des damaligen Berliner NPD-Vorsitzenden Bräuniger aus dem Jahr 2007 könnte dafür symptomatisch sein. Die Bemühungen scheiterten damals an antifaschistischer Gegenwehr und der Überschätzung der eigenen Kräfte.