Mit Rohkost zum Reich
Martin WassermannEin Milieu aus so genannten »Reichsbürgern«, Verschwörungsgläubigen und Esoteriker_innen hat verschiedene Pseudo-Staaten geschaffen, die bisher zumeist nur kurzzeitig existierten. Dies könnte sich mit dem »Deutschen Königreich« ändern, das seit einigen Monaten in Wittenberg beheimatet ist.
Bereits 2009 wurde das »Fürstentum Germania« gegründet. Als Staatsgebiet diente ein baufälliges Gebäude im brandenburgischen Kampfer, das von den Aktivist_innen, bestehend aus »Reichsbürgern« und Verschwörungsgläubigen, renoviert werden sollte. Nicht zu Unrecht warnte Thomas Gandow, der damalige Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche, dass die »braune Esoterik« mit diesem Projekt »eine befreite Zone« schaffen könne. Doch nach drei Monaten zerfiel das »Fürstentum« nach internen Auseinandersetzungen und durch externe Widerstände.
Es blieb allerdings nicht nur bei diesem Versuch. Bis heute existieren, neben den nationalsozialistischen »Kommissarischen Reichsregierungen«, einige esoterisch angehauchte Scheinstaaten, die sich in der Rechtsnachfolge des »Deutschen Reiches« sehen und die die Bundesrepublik ersetzen wollen. Die Übergänge zwischen diesen Grüppchen sind fließend, es gibt zahlreiche ideologische und personelle Überschneidungen.
Es sind diese Scheinstaaten, die einen regen Devotionalien-Handel betreiben, in dem sie vermeintliche Nummernschilder und fiktive Ausweise verkaufen. Derartige Papiere werden zum Beispiel durch die Gruppierung »Germanitien« angeboten. Ihr haben sich Bundesbürger angeschlossen, die ihre Grundstücke als »Botschaftsgebäude« zur Verfügung stellen. So versuchen sie, sich vor Zwangsvollstreckungen zu schützen oder Strafverfahren zu entgehen. Sie glauben, dass ihre Grundstücke so zum »Hoheitsgebiet« werden würden, auf das die Bundesrepublik keinen Einfluss habe. Ein Polizeieinsatz beweist das Gegenteil. Am 30. Oktober 2012 verschafften sich Polizeibeamte Zugang zu einem angeblichen Botschaftsgebäude im baden-württembergischen Schorndorf. Sie verhafteten den »Botschafter«, der nicht zu einer Gerichtsverhandlung erschienen war. Die Gruppierung um Ulrike Maria Kuklinski und Ronald Franz Gerhardy arbeitet trotz derartiger Rückschläge weiter. Das Ziel ist ein »Reich« in den Grenzen von 1937.
Bei einem weiteren Pseudo-Staat besteht vorerst keine Räumungsgefahr. In Wittenberg residiert Peter Fitzek, der dort mit seinen Anhänger_innen einen vermeintlichen Staat namens »Königreich Deutschland« gegründet hat. In der Lutherstadt betreibt Fitzek das esoterische Ladengeschäft »Engelswelten«, in dem allerhand Tand - vom Traumfänger bis zur Salzkristalllampe – verkauft wird. Zudem wurde ein ehemaliges Krankenhaus erworben, das von schlecht bezahlten Freiwilligen renoviert wird.
Auf dem etwa neun Hektar großen Gelände ließ sich Peter Fitzek in der Nacht vom 15. zum 16. September 2012 zum »obersten Souverän« seiner »lupenreinen Monarchie« krönen. Hunderte Anhänger_innen besuchten die skurril anmutende Krönungszeremonie, die von den musikalischen Einlagen einiger Pop-Sternchen und der verschwörungsideologischen Band »Die Bandbreite« umrandet wurde. Seitdem existiert der Pseudo-Staat »Königreich Deutschland« auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses in Wittenberg.
Dort entsteht zur Zeit eine braun-esoterische Parallelwelt: Neben dem esoterischen Ladengeschäft, in dem man mit eigens eingeführter Währung bezahlen kann, wurden eine Art Kranken- und Rentenkasse geschaffen. Auf dem Krankenhausgelände, das nun als Staatsgebiet dient, sollen weitere Einrichtungen entstehen. Das Angebot soll von der Tankstelle bis zur »Klinik für ganzheitliche Gesundheit« reichen. Diese könnte sich an der antisemitischen »Germanischen Neuen Medizin« des Ryke Geerd Hamer orientieren, die in den Seminaren der Gruppierung beworben wurde. Außerdem soll unter anderem ein Naturkindergarten geschaffen werden, der von einer langjährigen Waldorfpädagogin geleitet werden soll.
Peter Fitzek gilt unter seinen Anhänger_innen als ein von Gott gesandter Messias, der nun eine »Weltanschauungsgemeinschaft« für das »deutsche Volk« anführt. Zu seinen Seminaren pilgern daher hunderte Teilnehmer_innen, die horrende Eintrittspreise bezahlen. Die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen zum »Erwerb der Staatsangehörigkeit des Königreiches Deutschland« kosten 397 Euro. Den Eintritt können die Teilnehmer_innen auch mit dem »Engelgeld« bezahlen. Es handelt sich um eine Parallelwährung, mit der man in zahlreichen Geschäften in der Bundesrepublik einkaufen kann. Zusätzlich wurde eine »Neue Deutsche Mark« eingeführt, auf der eine »Weltenesche aus der germanischen Mythologie« zu sehen ist. Wer ein Seminar besucht, kann Fitzek erleben, der erzählt, dass ihn »Gott nach Wittenberg geschickt« hätte, nachdem er durch Erzengel ausgebildet worden wäre. Der esoterische Einschlag wird auch durch verschiedene Inhalte deutlich, die in den Werbematerialien der Gruppierung zu finden sind. Hier entdeckt man Rohkostrezepte, Engelsgeschichten und die Phrase von der »Ganzheitlichen Alternative«, die man anbieten möchte.
In den Seminaren werden außerdem die Konstrukte beworben, die im Milieu der »Reichsbürger« verbreitet werden: Fitzek behauptet, dass die Bundesrepublik das »Verwaltungskonstrukt einer Firma, aber kein Staat« sei. Tatsächlich würde das »Deutsche Reich« noch existieren. Es gehe darum, »den umliegenden Nationen ein Angebot zu machen und sie dann wieder dazu zu bringen, dass das Deutsche Reich als Staat wieder hergestellt werden kann«, sagt Peter Fitzek im Interview mit dem esoterischen Magazin »Die Wurzel«. Er munkelt außerdem von einer »geheimen Elite«, die die »uneingeschränkte Herrschaft über die Welt« ausüben möchte. Es ist ein alter Wahn, der von Fitzek und seinen Anhänger_innen verbreitet wird, denn Fitzek spricht oftmals von »den Rothschilds« und »den Rockefellers«.
In Wittenberg arbeitet dieser Guru daran, seinen Traum vom »Reich« Wirklichkeit werden zu lassen. Sein Projekt veranschaulicht, wie esoterische, verschwörungsideologische und nationalsozialistische Konstrukte zu einer ideologischen Einheit verschmolzen werden. Das »Königreich« auf dem Krankenhausgelände bietet darüber hinaus eine Infrastruktur, verschiedene Institutionen und regelmäßig stattfindende Veranstaltungen an, die zur Konsolidierung und Finanzierung des Projektes genutzt werden.
Mit den Inhalten, die von Fitzek angeboten werden, dürften sich nicht nur »Reichsbürger«, sondern auch Verschwörungsgläubige und Esoteriker angesprochen fühlen, denen hier eine Wärmestube angeboten wird. Sie könnten sich um die Führerfigur scharen, als die sich Peter Fitzek inszeniert. Dieser arbeitet außerdem mit dem »Aufbruch-Gold-Rot-Schwarz« zusammen, der unter anderem durch den antisemitischen Verschwörungsideologen Johannes Conrad initiiert wurde. Gemeinsam fordern sie die Einheit derjenigen, die vom »Deutschen Reich« träumen. Dies macht die besondere Gefahr des Organisationsversuches des Peter Fitzek aus, der deutlich mehr Menschen ansprechen könnte, als die anderen Scheinstaaten und deren »Könige« und »Kanzler«.