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Siempre Antifascista

Kampagne »Siempre Antifascista« (Gastbeitrag)
Einleitung

Enstehung und Perspektive des Projektes

Die Initiative Siempre Antifascista arbeitet seit mittlerweile zwei Jahren zu den Themen progressiver Gedenkpolitik, internationalem Antifaschismus und Subkultur im Spannungsfeld zwischen reaktionärer Ausdrucksform und emanzipatorischer Bewegung. Wir möchten hiermit einen knappen Überblick über unsere Arbeit, die Entstehung von »Siempre Antifascista« und die Perspektiven des Projektes darbieten.

Entstehung von Siempre Antifascista

Die Morde an den antifaschistischen Skinheads Carlos Palomino in Madrid (11.11.2007) und Jan Kucera (18.01.2008) im tschechischen Príbram waren ausschlaggebend für die Entstehung der Kampagne »Siempre Antifascista«. Der Umstand, dass Neonazis zwei »von uns« aus dem Leben gerissen hatten, verschaffte beiden Fällen eine Öffentlichkeit, die im Vergleich zu vorangegangenen Morden in anderen Ländern außergewöhnlich hoch war. Aus unserer Sicht waren die beiden Morde der Inititalzünder für eine intensivere Beschäftigung hierzulande mit rechten Morden und Neonazibewegungen außerhalb Deutschlands, die sich nicht allein auf die Angehörigen »der eigenen Szene« beschränken sollte. Hierfür wurde der 11. November zu einem Aktionstag im Gedenken an die Opfer rechter Gewalt ausgerufen.

Entwicklung des Projektes

Aus den Erfahrungen und ersten Schritten im Bereich »internationale Antifa-Politik« hat sich seit Ende 2008 eine kontinuierliche Arbeit entwickelt. Mit unserem Internetprojekt www.siempre-antifascista.tk stellen wir interessierten AntifaschistInnen eine Webressource zur Verfügung, die kontinuierlich über Antifaarbeit und Neonaziaktivitäten jenseits regionaler oder nationaler Grenzen informiert. Zu einem weiteren Schwerpunkt neben Gedenkpolitik und internationalem Antifaschismus hat sich der Bereich Skin/Punk-Subkultur entwickelt. Wir sehen gerade an neonazistischen Webprojekten aus dem Spektrum des »Zentropa-Clans« (deutscher Ableger: »Syndikat Z«), dass diese eine Scharnierfunktion in der neonazistischen Erlebniswelt einnehmen, wenn es um Vernetzung oder gelebte Identitätsstiftung in Sachen Ethnopluralismus geht. Unsere Dokumentationen haben sich in diesem Zusammenhang auf den Bereich internationaler Neonazi-Musiknetzwerke erweitert. Außerdem fördern wir internationale, antifaschistische Punk- und Skinhead-Kultur durch Auftrittsvermittlungen in Deutschland und Bewerbung solcher Konzerte. Wir erachten dies als wichtig, da sich viele aktive AntifaschistInnen in Deutschland in Sachen Lifestyle und Feierkultur zunehmend in ein unpolitisches Vakuum zurückziehen und einer rechten bis rechtsoffenen Subkultur den Platz freimachen.

Ausblicke der Kampagne

Ein zentraler Punkt unserer Arbeit ist der von uns vorgeschlagene Aktionstag für die Opfer rechter Gewalt am 11. November, den wir in diesem Jahr zu einer Aktionswoche ausgeweitet haben. Wir streben an, in den kommenden Jahren einen Aktionstag bzw. eine Aktionswoche über Deutschland hinaus zu etablieren. Das gemeinsame Auftreten unter dem Label »Siempre Antifascista« soll einen Widererkennungswert schaffen, der den (extrem) Rechten, wie auch den staatlichen Repressionsorganen zeigen soll, dass es Vernetzungsansätze gibt und das Kämpfe nicht isoliert voneinander geschehen, sondern sich aufeinander beziehen. Gerade in kleineren Städten und Regionen, die nicht mit starken linken Strukturen ausgestattet sind, können AntifaschistInnen an einem größeren Projekt teilnehmen. In diesem Jahr gab es eine erfreulich hohe Resonanz von Gruppen, die im Zeitraum der Aktionswochen Veranstaltungen organisiert haben und sich dabei auf die Kampagne bezogen.

They all fade to grey?

In diesem Jahr entschieden wir uns aufgrund der zunehmenden Präsenz vermeintlich unpolitischer Spektren der Skinhead- und Punksubkultur auf szenetypischen Konzerten und Feiern, diese Erscheinung genauer zu betrachten. Wir stießen während unserer Recherchen zu der so genannten »Grauzone« auf ein breites und weit verzweigtes Netz an Aktions- und Erlebnisräumen. In diesen Lokalitäten, die neben Rekrutierungsfeldern auch Rückzugsräume für eine problematische Mischung aus Szenehabitus und rechter Ideologie bieten, entstehen subkulturelle Strömungen, die rassistische und rechte Denkmuster (re-)produzieren. Dies geschieht nicht abseits innenstädtischer Kiezromantik, sondern floriert geradezu in dieser. Rechte Ideologiefragmente gedeihen in Teilen der sich selbst als »unpolitisch« generierenden Oi!-Szene, die sich nur zu gerne als »neither red nor racist« bezeichnen möchte. Diese Strömungen immunisieren sich unter dem Banner des »Totalitarismus« gegen antifaschistische Intervention und Kritik - antifaschistische Konzepte werden zu Gunsten eines »unpolitischen« Anspruchs abgewiesen, Trennlinien zwischen den politischen Positionen unkenntlicher. Was früher zumindest einen formellen antifaschistischen Konsens darstellte, wird zusehends zu »Saufen, Ficken, Oi!« degradiert. Was hier »postideologisch« anmutet ist eine offene Tür für rechte Tendenzen und sogar Hegemonien. Zentrale Vertriebsstrukturen wie bspw. »Krawallbrüderrecords«, Organisatoren wie die "Boot Boys Hildesheim" oder sich unpolitisch gebende extrem rechte Lokalitäten wie das »Skinhouse Menfis« (Neustadt/ Orla) sind nur einige der Protagonisten, die diese rechtsoffene Szene aufbauen. Dies geschieht unter anderem durch krude Verbindungen zu Bands und Räumlichkeiten, worunter das ehemalige »de Kastelein«, jetzt bekannt unter dem Namen »Moloko Bar«, in Brügge/Belgien aus dem »Blood & Honour«-Spektrum noch zu den Bekannteren gehört. Nicht erst seit den Diskussionen um »prominente« VertreterInnen der Grauzone wie »Freiwild«, »Schusterjungs« oder »Krawallbrüder«, die selbst einen umfassenden Absatzmarkt schaffen, um diesen dann mit stumpfsinnigen »Oi!« zu bedienen, wird Kritik an der sich aus Subkulturen entfernenden antifaschistischen Linken laut. Der Rückzug oder die Dämonisierung der Subkulturen als »identitär« waren in den vergangenen Jahren, unserer Einschätzung nach, die falsche »antifaschistische« Reaktion. Wer sich aus Subkulturen zurückzieht, der negiert einen noch immer erfolgreichen Anknüpfungspunkt, dererseits die antifaschistische Gegenkultur ganzer Landstriche darstellen. Subkulturen zu ignorieren, bedeutet eine Kapitulation vor den (extrem) rechten Hegemonieansprüchen. Neonazis können genau dort ansetzen, wo eine strikte antifaschistisch-linke Offensive fehlt. Attraktive linke Kulturangebote, jenseits des »unpolitischen« Habitus ganzer subkultureller Szenen, müssen geschaffen werden. Heraus aus dem Club, hinein in die Subkultur.

Mehr Informationen unter:

oireszene.blogsport.de oder www.siempre-antifascista.tk