Skip to main content

Alles beim alten in der „Deutschen Burschenschaft“

Lucius Teidelbaum
Einleitung

Wartburg-Verbot, deutlich gelichtete Reihen und anhaltende schlechte Presse. In der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) kriselt und kränkelt es. Doch unbeirrbar fährt die DB mit ihrem bisherigen Kurs ins rechte Abseits fort. Statt sich beim jüngst stattgefundenen Burschentag in Eisenach in Selbstkritik zu üben, pflegen die Burschenschafter laut einem Ohrenzeugen-Bericht1 lieber das Liedgut ihrer Großväter und singen das antibritische Lied „Bomben auf Engelland“ von Wilhelm Stöppler aus dem Jahr 1939 („Ran an den Feind!/Bomben! Bomben!/Bomben auf Engelland!“). Das unbeirrte „Weiter so!“ im Verband verdeutlicht auch der in diesem Jahr neu aufgenommene Bund, der neuernannte Chefredakteur des Verbandsblattes und die neue Vorsitzende Burschenschaft.

Bild: Screenshot youtube.com/Normannia-Nibelungen

Der bisherige Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter Michael Paulwitz als Redner bei der „Bielefelder Ideenwerkstatt“.

Neues Mitglied

Als Erfolg sollte offenbar nach außen verkauft werden, dass die „Dresdener Burschenschaft Salamandria“ als Neumitglied in die DB aufgenommen wurde. Diese war bisher nur Mitglied in der „Rudelsburger Allianz“, einem lockeren und heterogenen Verbund von Studentenverbindungen, die in der ehemaligen DDR gegründet wurden. Die Salamandria stellte nun in Eisenach einen Aufnahmeantrag in die DB. Das verwundert kaum, sah sie sich doch bereits davor laut Homepage in „Verbundenheit zur Deutschen Burschenschaft“ und verfügte über Kontakte zu den DB-Burschenschaften „Dresdensia-Rugia zu Gießen“, „Normannia in Heidelberg“ und der „Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia“. Inhaltlich passt die Salamandria gut in die DB, gibt sie sich doch auf ihrer Homepage betont deutschnational: „Vaterland ist im engeren Sinne das Land der Väter, die angestammte Heimat der Vorfahren. Im weiteren Sinne ist das Vaterland die politische Heimat des auf diesem Boden historisch ansässigen Volkes, welches durch Sprache, Kultur, Geschichte und Abstammung besondere Gemeinsamkeiten aufweist. Ein Mensch ohne Bindung an sein Volk, seine Heimat und seine Herkunft ist ein Baum ohne Wurzeln! Das deutsche Vaterland und seine kulturelle Identität auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu bewahren, ist hohes burschenschaftliches Anliegen.

Die Aufnahme der Salamandria illustriert den desolaten Zustand im Dachverband. Denn die Salmandria hatte 2014 nur 19 „Alte Herren“ und keinen Aktiven-Betrieb, d.h. es gibt bei ihr keinen Nachwuchs an der Universität. Außerdem verfügt sie über kein eigenes Haus. So einen 'Zwerg' hätte man vor ein paar Jahren niemals in die DB aufgenommen, viele DB-Bünde hätten ihn auch nicht als 'eche' Burschenschaft anerkannt, da die Mitglieder offenbar nicht die übliche korporierte Sozialisation durchlaufen haben, sondern eher Teile der burschenschaftlichen Rituale in ihrer Freizeit nachahmen. Für echte burschenschaftliche Traditionalisten ist die Salamandria somit eher ein Stammtisch als eine Burschenschaft. Doch die DB braucht Erfolgsmeldungen, also produziert sie welche. Man senkt die Anforderungen an Neu-Mitglieder, verzichtet auf eine Probezeit und nimmt Kleinst-Verbindungen auf, die damit ein volles Stimmrecht im Verband erhalten. Zu den Mitgliedern der Salamandria zählt übrigens ein Polizist aus Mannheim mit dem „Biernamen“ (Spitzname während eines korporierten Umtrunkes) „Wotan“. Er ist gleichzeitig auch Mitglied der Burschenschaft Normannia Heidelberg. Auch das ist eine verstärkte Tendenz in der DB. Man wird Doppel- oder Dreifachmitglied in einer anderen Burschenschaft, um deren Mitgliederzahl zu verstärken und oft auch um den Kurs eines Bundes zu beeinflussen. Im Verbindungsjargon heißt das dann „das Zweitband ergreifen“. Damit werden die Reihen der in der DB verbliebenen Burschenschaften aufgefüllt, aber insgesamt werden es so natürlich nicht mehr.

Neuer Chefredakteur

Das DB-Verbandorgan „Burschenschaftliche Blätter“ (BBl) kämpfte in letzter Zeit nicht nur mit einer sinkenden Auflage (aktuell: 6.200, 2012: 10.000, 2009: 12.000), sondern erschien auch nicht mehr regelmäßig im Quartal. Irgendwie kam der bisherige „Schriftleiter“ Michael Paulwitz aus Stuttgart nicht zurecht mit seiner Aufgabe. Seine Tätigkeit für die abgehalfterte Republikaner-Partei dürfte ihn aber nicht allzuviel Zeit gekostet haben. Erfolglos kandidierte der Journalist am 25. Mai diesen Jahres für die Republikaner zur Kommunalwahl in Stuttgart auf Platz 2, aber von besonders großen Wahlkampfaktivitäten der Partei war auch nichts zu beobachten. Die offensichtliche Unfähigkeit von Paulwitz verlangte nach einem  Wechsel. Neuer „Schriftleiter“ der BBl ist Dirk Taphorn (* 1983) aus Dresden. Taphorn ist Mitglied der extrem rechten Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld und trägt das Zweitband der Dresdner Burschenschaft Cheruscia, die der DB derzeit vorsitzt. Die Normannia Nibelungen veranstaltet seit 2005 die so genannte „Bielefelder Ideenwerkstatt“ und seitdem ist Taphorn auch Pressesprecher dieser Veranstaltung. Im Herbst letzten Jahres trat bei der „Bielefelder Ideenwerkstatt“ u.a. der Neofaschist und Putin-Berater Aleksandr Dugin (Александр Гельевич Дугин) auf. Taphorn berichtete über den Auftritt Dugins für die „Blaue Narzisse“1 , ein neurechtes Infoportal, was sich aus einer rechten Schülerzeitung gleichen Namens entwickelt hat. Derzeit prangt auf der Homepage der „Blauen Narzisse“ übrigens ein Werbebanner für den „Pommerschen Buchdienst“, der aus NPD-Kreisen betrieben wird.

Ansonsten schreibt Taphorn auch gelegentlich für die Erwachsenen-Version der „Blauen Narzisse“, die „Junge Freiheit“. Außerdem ist er Mitarbeiter im „Zentrum für Jugend, Identität und Kultur“ in Dresden, eine der „Blauen Narzisse“ angelagerte Institution. Doch sollte der hochtrabende Name nicht zu sehr täuschen. In einer 64 Quadratmeter großen Kellerwohnung im Dresdner Villenviertel „Weißer Hirsch“ grübelt die selbsternannte neurechte Elite, eine handvoll junger Männer, darüber nach wie das deutsche Vaterland und seine völkische Substanz zu retten sei. Ein erkennbar große Ausstrahlung hat das 'Zentrum' bisher nicht entwickeln können. Es wird sich noch zeigen müssen, ob der vergleichsweise noch junge und unerfahrene Taphorn seinem neuen Job als Chefredakteur gewachsen ist.

Neue Vorsitzende Burschenschaft

Neue Vorsitzende Burschenschaft der DB wird die Marburger Burschenschaft Germania. In Marburg konkurriert sie mit der Burschenschaft Rheinfranken um den Platz als rechteste Burschenschaft vor Ort. Bei „Blaue Narzisse“ warb sie für sich mit der Ansprache „DU SUCHST EINE ALTERNATIVE ZU LINKEN KOMMILITONEN UND ALT-68-ER PROFESSOREN?“ bzw. „DU BIST MÄNNLICH? DEUTSCH? UND HAST DEN WEHRDIENST NICHT VERWEIGERT?“ Auf ihrer Facebook-Präsenz illustrieren sie ihre gelebte Männlichkeit mit Bildern von stark blutenden Mitgliedern nach einer so genannten „Mensur“, einem spezifisch verbindungsstudentischen Duell-Ritual. Eines ihrer Mitglied ist Philip Stein, Autor des schmalen Bandes „Junges Europa. Szenarien des Umbruchs“, was bei der bereits erwähnten „Blauen Narzisse“ erschien. Auch das erste Redaktionstreffen der „Blauen Narzisse“ in Marburg fand 2010 auf dem Haus der Burschenschaft Germania Marburg statt. Stein trat beim „Zwischentag“ 2013 in Berlin als Referent auf. Dieser ist laut „Berliner Zeitung“ „ein Treffen der intellektuellen Nationalkonservativen“, wobei sich durchaus auch NPD-Funktionäre einfanden. Mit einem eigenen Stand vor Ort vertreten war beim „Zwischentag“ letztes Jahr neben dem Dachverband auch die Marburger Burschenschaft Germania selbst. Dort lagen u.a. Werbebroschüren für den „Marburger Diskurs“ aus, den die Burschenschaft ursprünglich einmal zusammen mit dem revanchistischen „Gesamtdeutschen Studentenverband e.V.“ (GDS) veranstaltete. Zuletzt sprachen beim „Marburger Diskurs“ am 25. Januar 2014 die beiden neurechten Vordenker Felix Menzel (Chefredakteur der „Blauen Narzisse“) und Erik Lehnert („Institut für Staatspolitik“), sowie Manuel Ochsenreiter (Chefredakteur des extrem rechten Magazins „ZUERST!“). Ochsenreiter, selber Mitglied einer Berliner Burschenschaft, verfügt auch über Kontakte zur Assad-Diktatur, der Hisbollah und ähnlichen Gruppen. Im April traf er in Banja Luka, im serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas bei einem Symposium über „Farbrevolutionen“ - gemeint sind Bewegungen wie die nationalistische „Orangene Revolution“ - auf serbische und russische Nationalisten2 . Diese treibt derzeit die Angst vor den genannten „Farbrevolutionen“ um, die sie als reines Instrument der USA betrachten.  

Die Auftritte des Publizist Ochsenreiter bei der Germania Marburg sowie des Putin-Beraters Dugin bei der Normannia Nibelungen passen gut dazu, dass die aktuell Vorsitzende Burschenschaft Cheruscia Dresden sich ebenfalls pro-russisch gibt. Bei einer von ihr organisierten DB-Tagung vom 2. bis 4. Mai  2014 in Dresden soll laut Internet-Berichten Viktor Sazonov als Vertreter der russischen Botschaft in Berlin gesprochen haben. Offenbar versucht man den eigenen schwindenden Einfluss zu kompensieren, indem man in den Weltkonflikten Partei ergreift.